Rote Bergsteiger & Gegen Hitler und Henlein

Anlässlich der besinnlichen Zeit – oft Gelegenheit sich mal wieder ein gutes Buch zu gönnen – stellen wir zwei Bücher vor, die Einblicke in das antifaschistisches Wirken und den Widerstand gegen die Nazis in den deutschsprachigen Gebieten bis 1945 diesseits und jenseits der deutsch-tschechoslowakischen Staatsgrenze geben.

In der Broschüre des Akubiz aus Pirna Rote Bergsteiger – Unterwegs auf ihren Spuren im Elbsandsteingebirge liegt der Schwerpunkt auf der illegalen Grenzarbeit in der Sächsischen und Böhmischen Schweiz, während das Buch von Lorenz Knorr Gegen Hitler und Henlein den antifaschistischen Widerstand unter der deutschsprachigen Arbeiterjugend in Westböhmen aus eigenem Erleben des Autors in der Zeit vor und nach der Annektierung der deutschsprachigen Gebiete der ČSR bis zur Aussiedlung fast aller Deutschen nach dem 2. Weltkrieg beschreibt.

Rote Bergsteiger

Unterwegs auf ihren Spuren im Elbsandsteingebirge

Der Broschüre des Alternativen Kultur- und Bildungszentrum Pirna (Akubiz) gingen im Winter und Frühjahr 2007/2008 ein Wochenendseminar und zwei Wanderungen voraus. Am ersten Wochenende gab es bei malerischer Kulisse in der sächsischen Schweiz vom Dresdner Bergsporthistoriker Joachim Schindler eine erste  Einführung zum Thema „Rote Bergsteiger“. Dabei wurden sehr viele Fakten vermittelt und bezugnehmend auf den Begriff „Rote Bergsteiger“ einige Mythen angekratzt. Längst nicht alle – wenn auch viele – illegalen Grenzgänger und Widerständler waren Kommunisten oder Bergsteiger. Dazu kommt, dass in der DDR nur einigen Gruppen und Personen gedacht und deren Arbeit teilweise überhöht wurde, während über andere meist aus politischen Gründen – wie z.B. die äußerst aktive trotzkistische Widerstandsgruppe um Gerhard Grabs – geschwiegen wurde. War die Forschung zum Thema in der DDR politisch kontrolliert, findet sie heute mangels öffentlichen Interesses fast ausschließlich auf Initiative von Privatpersonen wie Joachim Schindler statt. Von den Medien werden das Thema und vor allem neue Erkenntnisse weitestgehend ignoriert, meist werden einfach nur alte Mythen fortgeschrieben. Dem Seminar folgten zwei Wochenendwanderungen durch die sächsische und böhmische Schweiz, bei denen Stellen und Wege illegaler Grenzübertritte, Treffpunkte von Antifaschisten und Gedenksteine zur Erinnerung an den antifaschistischen Widerstand erwandert wurden.

In der jetzt erschienenen Broschüre des Akubiz hat Joachim Schindler einen Teil seines umfangreichen Wissens zu Papier gebracht und gibt einen Überblick über den Widerstand von antifaschistischen Bergfreunden und Wanderern im Raum Dresden und der Sächsisch-Böhmischen Schweiz. Dabei steht nicht nur die schriftliche Weitergabe von historischem Faktenwissen im Vordergrund, die Broschüre bietet die Möglichkeit aufgrund relativ genauer Ortsangaben „die Geschichte zu erwandern“.

Die Broschüre ist in Dresden im Buchladen König Kurt im AZ Conni und in der Hauptgeschäftsstelle des Sächsischen Bergsteigerbunds erhältlich. Gegen eine Gebühr von 5 Euro kann sie auch direkt beim Akubiz bestellt werden.

"Rote Bergsteiger", Joachim Schindler/ AKuBiZ e.V., 2008, 100 Seiten mit zahlreichen Abbildungen und Dokumenten.
(AKuBiZ e.V. Gartenstrasse 37, 01796 Pirna, www.akubiz.de akubiz@gmx.de)


Ankündigungstext vom Akubiz

Gegen Hitler und Henlein

Antifaschistischer Widerstand unter den Sudeten und in der Wehrmacht

Um illegale Grenzarbeit diesmal aus Sicht deutschsprachiger Antifaschisten in der westlichen Tschechoslowakei (ČSR) geht es unter anderem auch in dem Buch von Lorenz Knorr.

1930 war die ČSR ein Vielvölkerstaat, in dem neben 8,8 Millionen Tschechen und Slowaken, 750.000 Ungarn und weiteren Minderheiten auch etwa 3,1 Millionen Deutsche lebten. Unter den Deutschen gab es nach der Machtübernahme durch die Nazis in Deutschland eine immer größer werdende Mehrheit von Anhängern der sogenannten Henlein-Bewegung, die von den Nazis aus Berlin gesteuert wurde und zum Ziel hatte die ČSR zu destabilisieren und Böhmen, Mähren und den tschechischen Teil Schlesiens ans Deutsche Reich anzuschließen. Dem stand unter den Deutschen in der ČSR eine entschlossene Minderheit von Antifaschisten vor allem aus der internationalistisch orientierten Arbeiterbewegung gegenüber. 1938 als die „sudetendeutschen“ Gebiete nach dem Verrat der Westmächte in München völkerrechtswidrig dem deutschen Reich angeschlossen und wenig später auch der Rest Böhmen, Mährens und Tschechisch-Schlesiens besetzt wurde, gab es in diesem Gebiet immer noch etwa 400.000 Antifaschisten. Diese wurden nach 1945 von den Beneš-Dekreten ausgenommen, siedelten zum großen Teil dennoch freiwillig aus.

Die deutschen Antifaschisten in der ČSR kämpften gemeinsam mit tschechischen Antifaschisten und den tschechischen Staatsorganen gegen die Provokationen der Nazis. 110 Antifaschisten fanden den Tod als sie gemeinsam mit Tschechen einen inszenierten Aufstand der Henlein-Bewegung erfolgreich bekämpften. 2029 Antifaschisten wurden während dieser Zeit von den Nazianhängern illegal nach Deutschland verschleppt. Nur die Hälfte der Verschleppten tauchte nach 1945 wieder auf.

Lorenz Knorr war zu dieser Zeit Vorsitzender der überwiegend linkssozialistisch orientierten Sozialistischen Jugend (Jugendorganisation der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei – DSAP) in Eger (heute Cheb) in Westböhmen. In vielen Einzeltexten, Protokollen und Gedächtnisberichten von gemeinsamen Ausflügen, Widerstandsaktionen und Diskussionsrunden, die zum Großteil schon damals entstanden, werden die politische Arbeit und der antifaschistische Widerstand vor und nach der Okkupation beschrieben.  Der Autor gehörte auch zu den gut trainierten Formationen, die die Faschisten trotz deren Überzahl immer wieder in die Flucht schlagen konnten. Nach der Annektierung wurde der angesichts der Erfahrungen in Nazideutschland gut vorbereitete Widerstand konspirativ fort gesetzt. Neben Plakate kleben beinhaltete das auch wichtige Bahnstrecken zu sprengen. In der Wehrmacht gelang es Knorr mit weiteren Antifaschisten polnischen Partisanen Informationen und Sprengstoff für Sabotageakte zu kommen zu lassen. Dabei kam er auch mit Offizieren aus dem Kreisauer Kreis ins Gespräch und stand mittels ausgeklügelten Codesystems mit der exilierten Führung der DSAP in London in Kontakt.

Im zweiten Teil des Buches beschreibt Knorr in analytischen Texten die Situation in der ČSR vor und nach dem zweiten Weltkrieg, das Fortwirken von Henlein-Funktionären in führenden Positionen der Sudetendeutschen Landsmannschaft und geht ausführlich kritisch auf das aktuelle Projekt des BDV – das Zentrum gegen Vertreibung – ein.

Bis heute ist Lorenz Knorr seiner linkssozialistischen Überzeugung treu geblieben und wirkt in antifaschistischen Basisorganisationen.

Dieses Buch kann in Dresden ebenfalls im Buchladen König Kurt im AZ Conni erworben werben.

Gegen Hitler und Henlein : antifaschistischer Widerstand unter den Sudeten und in der Wehrmacht / Lorenz Knorr/ PapyRossa-Verlag, Köln 2008/ ISBN: 978-3-89438-390-9

Lorenz Knorr im Gespräch mit Radio Prag

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