Leserbriefe: Ehrenmal für englische Bomberpiloten – gut vs. schlecht

Erst tat sich die Sächsische Zeitung groß damit hervor, das in London geplante Memorial für die toten englischen Luftkriegspiloten zu skandalisieren, dann wurde auch Helma Orosz in dieser Sache peinlich. In den Dresdner Neuesten Nachrichten wurde ein Beitrag von Alan Russell vermittelnd in die Debatte geworfen – der Engländer war schließlich mit daran beteiligt, Spendengelder für die Frauenkirche einzuwerben.

Nun endlich ist auch zu lesen, was der leserbriefschreibende Bürger dazu zu sagen hat. Im Wochenabstand veröffentlichten die Dresdner Neuesten Nachrichten insgesamt vier Leserbriefe, die sich aufeinander und den Beitrag von Alan Russell beziehen – eine Diskussion der Bürger quasi. Natürlich geht es um die Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 und daher ist dies wieder ein schönes kleines Schlaglicht auf die Auseinandersetzung der Bürger mit diesem Thema.

Eine Leserbriefdiskussion zu einem ähnlichen Thema gab es vor einem Jahr schon einmal: Dort ging es allerdings um ein neues Denkmal in Dresden („Zweimal auferstanden“), auf welches man sich nicht einigen konnte. Auch wenn die Sächsische Zeitung mal wieder noch so sehr Stimmung dafür machte – ihre Veranstaltung zum neuen Denkmal zog damals kaum Leute. Heute ist keine Rede mehr von diesem Denkmal.


Dresdner Neueste Nachrichten
9. Oktober 2010

Ehrenmal für Bomberpiloten: Russell hat Recht

Zum Beitrag „‚Kein Kriegs-, sondern ein Friedensdenkmal‚ / Sir Alan Russell befürwortet im DNN-Interview das geplante Ehrenmal für britische Bomberpiloten des II. Weltkriegs“ von Genia Bleier (Ausgabe 28. September)

Sir Alan Russell hat Recht, wenn er die Errichtung eines Denkmals für die Mitglieder des Bomber Commands befürwortet. Diese Soldaten haben doch nicht aus Bösartigkeit oder Abenteuerlust bei ihren Flügen ihr Leben aufs Spiel gesetzt – und oft verloren. Sie flogen, um das national-sozialistische Deutschland daran zu hindern, ganz Europa seinem Verbrecherregime zu unterwerfen. Die Bombenangriffe waren furchtbar und in ihren unmittelbaren Folgen oft herzzerreißend traurig. Aber, wie hätte Nazideutschland anders besiegt werden können als mit massivster militärischer Gewalt? Solange Deutschland nicht vollkommen am Boden lag, konnten die Nazis ihre Massenmorde und ihren Terror nahezu ungehindert fortsetzen.

Die Mitglieder des Bomber Command riskierten ihr Leben, um dem ein Ende zu bereiten und Nazideutschland kapitulationsreif zu kämpfen und retteten damit Leben und Menschenwürde unzähliger Unschuldiger. Dafür gebührt ihnen hohe Anerkennung und Dank – nicht nur den Briten, sondern aller Menschen, denen der Sieg der Alliierten über das national-sozialistische Deutschland ein Leben in Freiheit und Demokratie ermöglicht hat.“

Christian Lessmann
01309 Dresden


Dresdner Neueste Nachrichten
16. Oktober 2010

Luftangriffe auf Dresden und andere Städte militärisch nicht notwendig

Ein Denkmal für die Bomberpiloten ist ein Schlag ins Gesicht aller, die endlich Frieden haben wollen

Zum Leserbrief „Ehrenmal für Bomberpiloten: Russell hat Recht“ von Christian Lessmann (Ausgabe 9. Oktober)

Vor der Kirche der Royal Air Force, St. Clement Danes in der Londoner City, wurde 1992 ein Denkmal für den britischen Luftmarschall Arthur Harris enthüllt (in Großbritannien heißt er „Butcher Harris“ – Schlächter Harris). Aus Protest dagegen gründete Sir Alan Russel den „Dresden Trust“. So hat es mich sehr überrascht, dass derselbe Sir Alan jetzt das Denkmal für die Bomberpiloten rechtfertigt. Dies vorab.

Der Leser nun argumentiert nach meiner Auffassung viel zu wenig differenziert. „Solange Deutschland nicht vollkommen am Boden lag“ – wie er schreibt – mögen Luftangriffe auf die Zivilbevölkerung wie 1943 in Köln oder Hamburg („Operation Gomorrha“) vielleicht noch zu rechtfertigen gewesen sein, obwohl die Genfer Konvention den Krieg gegen Zivilisten verbietet. Der Angriff auf Braunschweig mit der totalen Zerstörung der historischen Altstadt (15. Oktober 1944) war aber schon ein Grenzfall. Spätestens Anfang 1945 lagen aber Deutschland bildlich gesprochen und die Luftwaffe im ganz wörtlichen Sinne völlig am Boden. Was rechtfertigt also die bis zu einer geradezu teuflischen Perfektion getriebenen Luftangriffe nicht nur auf Dresden, sondern zum Beispiel auch auf Bruchsal (1. März 1945), Würzburg (16. März 1945) oder Hildesheim (22. März 1945), wenige Tage vor dem Einmarsch der 9. US-Armee? Sie waren militärisch ohne jeden Zweifel nicht notwendig, sondern in meinen Augen nichts als unmenschliche Racheakte. Es ist doch bezeichnend, dass sie nicht nur Zehntausende Menschen umgebracht, sondern ganz überwiegend Kulturerbe vernichtet haben: die herrlichen Barockstädte Dresden und Würzburg, Hildesheim, „das Nürnberg des Nordens“, und Bruchsal mit dem berühmten Treppenhaus Balthasar Neumanns im Schloß.

A. Koch
38112 Braunschweig

Zum selben Brief

Es ist schon ernüchternd und bezeichnend für den Stand der Versöhnung zwischen Deutschland und den ehemaligen Kriegsgegnern, wenn 65 Jahre nach Kriegsende immer noch Heldenverehrung betrieben wird.

Wenn die Verbrechen der Nationalsozialisten auch bei den Kriegsgegnern zur Perversion geführt haben, so liegt dies leider in der Natur der Menschen. Die Ausradierung ganzer Städte, von den Deutschen in Coventry begonnen, haben leider die Engländer zur Perfektion weiterentwickelt. Ca. 500.000 Deutsche, vorwiegend Frauen und Kinder, haben diese Unmenschlichkeit mit dem Leben bezahlt. Wenn Coventry ein Kriegsverbrechen war, dann kann der britische Luftkrieg wohl kaum eine besondere Form der Friedensstiftung gewesen sein. Wenn der Leser behauptet, durch den Bombenkrieg wäre das Leben unzähliger Unschuldiger gerettet worden, dann ist dies schlicht und einfach pervers. Ein Denkmal für die Bomberpiloten ist ein Schlag ins Gesicht aller, die endlich Frieden haben wollen.

Dr. Peter Lätsch
01728 Possendorf

Zum selben Brief

Krieg ist ein sehr schmutziges „Geschäft“, bei dem sehr viele Menschen sehr viel verlieren und einige wenige Menschen etwas dazugewinnen. Wäre das nicht so, würde es keine Kriege geben. Kriegsdenkmäler – damit meine ich nicht Erinnerungsstätten auf Friedhöfen – dienen dazu, diese brutale und gemeine Wirklichkeit zu verschleiern.

Stefan Geyer, Dresden

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