erste Kritik an Polizeieinsatz und Presseberichterstattung

Kritiken am Polizeieinsatz: Von Bürger.Courage (15.2.), Grüner Jugend (16.2.) und Ulla Jelpke von der Linken (16.2.)

Um den Gegensatz, nämlich die ausgesprochen freundliche Behandlung der Nazis durch die Polizei deutlich zu machen, hier noch der Link zum Bericht von Andrea Röpke im "Blick nach Rechts" zum Naziaufmarsch: bnr.de/bnraktuell/brandaktuell/gespenstischestreiben

Ein Kommentar zur Presseberichterstattung über den Neonaziaufmarsch in Dresden von Radio F.R.E.I., Erfurt: "Im Zerrspiegel der Presse, oder: heißt die Antwort wirklich Dresden?" vom 17.02.2009, Länge: 6:40 Minuten, hier zu downloaden und anzuhören: freie-radios.net/portal/content.php?id=26384

 



Pressemitteilung von Bürger.Courage Dresden vom 15.02.2009

Erfolg mit bitterem Beigeschmack

Dank
Ordnungsamt, Polizei und CDU-Stadtspitze wird Dresden auch 2010 wieder
Pilgerstätte für Nazis aus ganz Europa sein. Zwar konnte dank
zahlreicher friedlicher Protestaktionen verhindert werden, dass die
Neonazis an symbolträchtigen Orten der Innenstadt marschierten, aber
den Demokraten wurde es teilweise sehr schwer gemacht, ihren Protest
den Nazis gegenüber deutlich zu machen.

Bürger.Courage spricht angesichts der Protestaktionen am 13. und 14. Februar von einem „Erfolg mit bitterem Beigeschmack“. Dank zahlreicher Protestanmeldungen verschiedener Demonstrationsbündnisse konnte verhindert werden, dass die Neonazis an symbolträchtigen Orten der Innenstadt – etwa der Synagoge – marschierten. Außerdem ist es den Veranstaltern erstmals gelungen, Prominenz aus Politik und Gesellschaft, aber auch eine große Zahl an Bürgerinnen und Bürger aus ganz Deutschland zu mobilisieren, um sich mit den tausenden Protestierenden aus Dresden kreativ, friedlich und laut solidarisch zu zeigen.

Doch nicht alle können sich zufrieden auf die Schulter klopfen. Christian Demuth, Vorstandsvorsitzender von Bürger.Courage, kritisiert die Stadtspitze und -verwaltung. „Weit vor 13.00 Uhr, dem Beginn der Sternmärsche der „GehDenken“-Demonstrationen, wurde der Straßenbahnverkehr eingestellt und ganze Straßenzüge inkl. Nebenstraßen gesperrt, so dass viele Bürgerinnen und Bürger nur noch schwer zu den Demonstrationen gelangen konnten.“ Daneben wurden Demonstranten rund um den Theaterplatz nicht zu den Protestveranstaltungen durchgelassen. „Bürgerliche Demonstranten wurden kriminalisiert und drangsaliert. Den Demokraten wurde es teilweise so schwer wie möglich gemacht, ihren Protest den Nazis gegenüber deutlich zu machen“.

Während in Städten wie Lübeck Nazirouten im Vorfeld mit den Bürgern abgesprochen werden, marschierten die Neonazis ohne jede „Belästigung“ durch die Dresdner Innenstadt. Nazi-Gewalttäter dürfen am 13.02. mit offenem Feuer laufen, während auf den bürgerlichen Gegendemonstrationen peinlichst genau darauf geachtet wurde, dass keine Fahnenstange größer als 1,50m mitgeführt wurde. Anscheinend verwechselt man, von wem hier die Gefahr ausgeht.

Schwere Vorwürfe erhebt Bürger.Courage gegenüber der Polizei: „Die Deeskalationsstrategie der Polizei war ein völliger Misserfolg“, sagte Demuth. Mehrere Male ging die Polizei völlig unverhältnismäßig gegen linke Demonstranten vor. Ob dieser Strategie eine politische Motivation zugrunde lag, darüber könne man nur spekulieren, sagte Demuth: „Ich frage mich, ob es nicht im Sinne einiger Politiker in Dresden war, linksradikale Gewaltbereite zu provozieren, um hierdurch eine nachträgliche Argumentation für ihre Nichtbeteiligung an den Gegendemonstrationen zu erhalten“.

Auch sei es „enttäuschend, dass die Oberbürgermeisterin keine Rede auf dem Theaterplatz gehalten hat und es nur bei Lippenbekenntnissen gegen Rechts auf dem Heidefriedhof blieb. Es galt wohl wieder einmal vordergründig für Ruhe und Ordnung zu sorgen – wohl auch innerhalb der CDU“.
Schon im Vorfeld hatte die Dresdner CDU den friedlichen Protest als linke Krawallmacherei bezeichnet und Erstunterzeichnern von „GehDenken“ wie Richard von Weizsäcker in die Nähe von linksradikalen Autonomen gerückt. Bürger.Courage fordert die Stadtspitze auf, ihre Doppelmoral aufzugeben. „Den deutlichen Worten von Frau Orosz auf dem Heidefriedhof und dem von ihr initiierten stillen Gedenken müssen im nächsten Jahr Taten folgen! Die Dresdner CDU als derzeit stärkste politische Kraft der Stadt muss sich an den friedlichen Protestaktionen beteiligen – andernfalls werden die Neonazis ewig durch Dresden marschieren."

Quelle: buerger-courage.de/data/m_aktuelles.php#news29

 



Pressemitteilung der Grünen Jugend Dresden vom 16.02.2009

GRÜNE JUGEND DRESDEN kritisiert das unverhältnismäßige Vorgehen der Polizei gegen die No-Pasarán Demo

Über 10.000 DemonstrantInnen haben am letzten Samstag in Dresden ein Zeichen gegen Rechtsextremismus in unserer Gesellschaft gesetzt und der Geschichtsverdrehung der Nazis die Rote Karte gezeigt. Zu ihnen gehörten auch die AntifaschistInnen der linken Gegendemonstration No Pasarán, welche allerdings von der Polizei gewaltsam aufgelöst wurde.

Die Grüne Jugend Dresden kritisiert sowohl den Polizeieinsatz als auch die Entscheidungen des Ordnungsamtes vor Ort. Die Stadt Dresden hat von Anfang an ein Bedrohungsszenario gegen das Bündnis No Pasarán aufgebaut. Obwohl das Bündnis Erstanmelder war, durfte es nicht vom Hauptbahnhof aus starten. Stattdessen wurde der Junge Landsmannschaft Ostpreußen (ILO) dort der Start für ihre Demoroute zugesagt. Außerdem durfte die JLO einmal quer durch die Dresdner Innenstadt marschieren.

Gegenüber der No Pasarán Demo verfolgte die Polizei dagegen eine massive Eskalationsstrategie. AntifaschistInnen wurden willkürlich festgenommen und mit Kabelbindern gefesselt. Der Höhepunkt der gewaltbereiten Polizeistrategie ereignete sich vor der Dresdner Synagoge. Friedliche AntifaschistInnen sammelten sich nach der Auflösung der Demonstration auf dem Vorplatz. Mit massiver Gewalt räumte die Polizei den Platz und drängte die DemonstrantInnen über die Elbbrücke.

Wir empfinden das Verhalten der Stadt Dresden und der Polizei als untragbar und fordern Konsequenzen gegenüber der Polizeieinsatzleitung. Nicht zuletzt deshalb konnten 6500 Nazis am Ende fast unbehelligt durch Dresden ziehen. Auch nächstes Jahr wird die Grüne Jugend Dresden trotz der Unverhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes und den nicht nachvollziehbaren Entscheidungen des Ordnungsamtes wieder stark bei den Gegendemonstrationen vertreten sei.

Mehr Hintergründe zu unseren Aussagen finden sich hier: http://www.gruene-jugend-dresden.de/news/archiv09.html#2009_5

Quelle: gruene-jugend-dresden.de/presse/index.html

 



Ulla Jelpke, für die Linke im Bundestag, am 16.2. in der jungen welt

Proteste behindert
Polizeischutz für 6000 Neonazis

Von Ulla Jelpke

Am
Samstag marschierten 6000 Neofaschisten durch die Straßen von Dresden.
Bereits am Freitag gehörte dort 1500 von ihnen die Straße. Es war die
Polizei, die dafür sorgte, daß es reibungslos funktionierte. Dafür
gebührte ihr der Dank von Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU): »Ich
danke den über 4000 Polizeibeamten, den freiwilligen Helfern, den
Feuerwehrleuten, Mitarbeitern der Stadtverwaltung und des
Gesundheitsdienstes, die in einer nicht immer einfachen Lage für die
Sicherheit in der Stadt und den geordneten Ablauf der vergangenen zwei
Tage Sorge trugen.« Frau Orosz dankte auch »für die Geduld und das
Verständnis der Bürgerinnen und Bürger und der Gäste angesichts der
Einschränkungen und Beschwernisse im Stadtleben«.

Die aber
hatten kein Verständnis, sondern schlichtweg Angst. »Es war
erschreckend«, erklärte eine Dresdnerin, die in einer Nebenstraße der
Naziaufmarschroute wohnt. Sie wollte mit ihrer Familie gegen den
rechten Aufzug protestieren. Die Kinder hatten ein kleines
Antinazi-Transparent gemalt. Als die Neofaschisten kamen, traute die
Familie ihren Augen nicht: Der Zug von 6000 Rechten wurde vorn von rund
200 Polizisten begleitet. Dahinter waren praktisch keine Beamten mehr
zu sehen. »Die Nazis zogen 15 bis 20 Minuten lang unmittelbar an uns
vorbei. Hätten sie jemanden angreifen wollen, so hätte absolut niemand
sie daran hindern können.« Teilnehmer kompletter Marschblöcke seien
unbeanstandet bis auf die Augen vermummt gewesen. Man habe es nicht
wagen können, den Nazis die Meinung zu sagen. »Zivilcourage wäre in
diesem Fall wohl Selbstmord« gewesen, so das bittere Fazit.

Solche
Befürchtungen sind berechtigt. Auf Radio 1/RBB berichtete eine
Journalistin, daß die Rechten den Pressetroß angegriffen hätten, ohne
daß die Polizei eingegriffen habe. Am Abend verletzten Neonazis auf
einem Autobahnparkplatz bei Jena fünf Gegendemonstranten, die mit einem
Bus des DGB auf dem Rückweg nach Hessen waren.

Mit 12 000
Nazigegnern beteiligten sich erfreulich viele Menschen an den
Protesten. Doch sämtliche Versuche, wirksam gegen den Neonaziaufmarsch
aufzutreten, wurden strikt von der Polizei unterbunden. Eine
Sitzblockade von fünfzig Personen wurde geräumt, Versuche, in Hör- und
Sichtweite des Aufmarsches zu kommen, wurden zum Teil mit Schlagstock-
und Pfeffersprayeinsatz unterbunden. Die Demonstration des
antifaschistischen Bündnisses »no pasarán« mit 4000 Teilnehmern glich
von Beginn an einem Wanderkessel.

Die Antifaschisten waren
schutzlos, wurden teilweise von Neonazis oder der Polizei angegriffen
und verletzt. Bereits im Vorfeld hatten die Behörden ihre Proteste
behindert. Am Samstag selbst kam es zu Gewahrsamnahmen wegen
angeblicher Verletzungen des Versammlungsrechts. Die Neonazis konnten
dagegen ungestört durch das Zentrum von Dresden ziehen. »Hier gehört
ihnen die Straße« kommentierte Spiegel-online und sagte voraus:
»Nächstes Jahr werden die Neonazis wiederkommen. Dresden ist zu ihrer
Pilgerstätte geworden.«

Quelle: jungewelt.de/2009/02-16/035.php

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