Reaktion der Sächsische Zeitungs-Leser auf Verhalten der CDU

In den letzten Jahren waren die Leserbriefe zu diesem Thema in der Sächsischen Zeitung vor allem durch gleichsetzende Beschwerden über die Chaoten von Rechts und Links dominiert, die beide gleichermaßen das Gedenken missbrauchen würden. Diskussionen um fragwürdige Gestaltung des offiziellen Gedenkens und die falschen Legenden sowie ein offensiver Umgang mit dem dadurch mit etablierten Naziaufmarsch, wurden oft als lästig und unnötig abgetan.
Obwohl die Ergebnisse der Historikerkommission dieses Jahr bei den Lesern immer noch auf ein geteiltes Echo stießen, scheint die Stimmung zum Umgang mit dem Naziaufmarsch dieses Jahr doch anders zu sein. Hier eine Dokumentation der Leserbriefe aus der Sächsischen Zeitung vom 21. 11. 2008.
Ein weiterer Artikel beschreibt die Reaktionen des Geh Denken-Bündnis auf die Initiative der Oberbürgermeisterin Helma Orosz. Eine Ausnahme in der Reihe stellt natürlich der Leserbrief von Wolfgang Schwarz dar, der für das NPD-lastige nationale Bündnis im Stadtrat sitzt.

Freitag, 21. November 2008
(Sächsische Zeitung)
Die Haltung der Politik und Meinungen der Leser zum Thema „Geh Denken“ am 14. Februar 2009

Zusammen demonstrieren, Differenzen überwinden

Besinnen wir uns, überwinden wir Differenzen und spaltendes Gedankengut
und schließen wir uns am 14. Februar 2009 hier in der Stadt der
friedlichen Demonstration besorgter Menschen an. Zeigen wir so, dass
braune Gewalt hier keine Stätte hat. Schon einmal gelang es uns vor
einigen Jahren an einem sonnigen Maifeiertag, einen mächtigen
Demonstrationszug zu formieren, und „Geh denken“ rief seither
alljährlich viele Friedliebende im Februar auf die Straße. Noch zu
wenige, finde ich angesichts der Zunahme neonazistischer Aktivitäten.
Es ist an der Zeit, sehr beunruhigt zu sein und etwas zu tun. Tragen
wir an diesem Februartag weiße Rosen und Kerzen als Zeichen von
Ernsthaftigkeit, Friedfertigkeit und Gewaltlosigkeit. An Frau Orosz
wende ich mich mit der Bitte, ihr Wahlversprechen, konsequent gegen
Gewalttourismus vorzugehen, auch hier beim europaweiten Aufmarsch
Rechtsradikaler einzulösen und sich, wie kürzlich ihr Kölner
Amtskollege, mit an die Spitze des Zuges zu stellen.

K. Jende-Schimming, per E-Mail


Deutsche Geschichte sollte uns Lehre sein

Was herauskommt, wenn man sich den Nazis nicht in den Weg stellt, kennt
die deutsche Geschichte seit 1933. Wollen Herr Biedenkopf und Herr
Rohwer das wirklich?

Schwabe, 01309


Einen gemeinsamen Konsens finden

Die Nazis lachen sich ins Fäustchen. Ohne selbst etwas tun zu müssen,
erlangen sie Aufmerksamkeit, weil die sogenannten Demokraten nicht in
der Lage sind, selbst hinsichtlich eines so ernsten und die Stadt
Dresden prägenden Themas einen Konsens zu finden. Von der Dresdner CDU,
deren einzige „Leistung“ in den letzten Jahren darin bestand, den
Oberbürgermeister aus dem Amt zu werfen und die damit dem Ansehen der
Stadt schweren Schaden zufügte, war nichts anderes zu erwarten. Dass
aber der bisher von vielen Bürgern geschätzte Kurt Biedenkopf – aus
welchen Gründen auch immer – diesen peinlichen Umfaller macht, ist
schon eine Enttäuschung. Wohin stilles Gedenken vor 80 Jahren geführt
hat, ist aus den Geschichtsbüchern in einer Sprache zu entnehmen, die
auch die CDU verstehen dürfte.

Dieter Zschimmer, 01189


Die gestartete Initiative einfach mittragen

So richtig es ist, gegen Neonazis auf die Straße zu gehen – aber warum
braucht man dazu zwei oder mehr Initiativen? Gab es für die
Oberbürgermeisterin und die Unterstützer keinen Weg, die schon
gestartete Initiative mitzutragen? Oder welche Gründe spielen da eine
Rolle? Ist es auch hier die Abgrenzung zur Linken? Ich habe die
Vermutung, die CDU würde bei Regen einen eigenen Regenschirmstand
aufmachen, obwohl es schon einen aller anderen Parteien gibt. Nichts
gegen politisches Abgrenzen, aber das ist für mich Kindergarten.

Uwe-Jens Greuel, 01157


Anlass erfordert Gemeinsamkeit

Auch wenn ich sie nicht wählen würde, gehe ich doch lieber mit Linken
demonstrieren, weil es der Anlass erfordert, als es mir so bequem wie
Herr Rohwer zu machen. Zumal als Dresdner am 14.Februar. Herrn
Biedenkopfs Einknicken ist bedauerlich und auch peinlich für die CDU
obendrein, aber eben leider exemplarisch. Bisher hatte ich immer
gedacht, er sei einer der wenigen Beispiele mit Weitblick in seiner
Partei.

Peter Stephan, 01187


CDU stellt sich so in die rechte Ecke

Wenn die CDU in Dresden nicht gänzlich in die rechte Ecke gestellt
werden will, dann muss sie sich anders positionieren, als mit solchen
Nacht- und Nebelaktionen. Wer die Bilder der Nazidemo von diesem Jahr
vor Augen hat, kann Rohwers Rede vom „stillen Gedenken der Opfer“ nur
als vorgeschobene hohle Phrase empfinden. Herr Rohwer, sagen Sie den
Menschen, die Sie gewählt haben, was Sie wirklich wollen. Sind Ihnen
die aus ganz Europa anreisenden Braunen lieber als eine demokratische
Initiative, zu der auch die Linken gehören? Wenn dem so ist, sagen Sie
es öffentlich. Dann wissen wir wenigstens, woran wir sind. Übrigens:
Der Rückzug Biedenkopfs erinnert mich fatal an die
Biermann-Ausbürgerung. Da hat auch schon mal ein großer alter Mann
seine Unterschrift auf Druck von anderen zurückgezogen.

Fritz Cremer.
Matthias Scheffler, per E-Mail


Viele Menschen bewegen, in Dresden dabei zu sein

Mit Unverständnis habe ich die Nachricht zur Kenntnis genommen, dass
Herr Biedenkopf seine Unterstützung zum Aufruf „Geh Denken – ein klares
Stopp zum Rechtsextremismus“ zurückzieht. Was treibt diesen Mann, sich
derartig instrumentalisieren zu lassen? Ich kann nur hoffen, dass die
bis jetzt am Aufruf beteiligten demokratischen Parteien diese
Herausforderung annehmen und bundesweit viele Menschen bewegen, die
Gegendemonstration gegen den Aufmarsch von Rechtsextremisten am 14.
Februar in Dresden zu unterstützen. Sehr gut erinnere ich mich an die
Tränen in den Augen vieler Dresdner Bürgerinnen und Bürger, als die
Stadt es am 16. Februar dieses Jahres zugelassen hat, dass der
Nazi-Aufmarsch an der friedlichen Demonstration gegen diesen braunen
Spuk einfach vorbeizog.

Silvana Birkigt, per E-Mail


Ein Bürgermeister gehört an die Spitze der Demo

Das Verhalten der Dresdner CDU ist einmal mehr jammervoll und dass
Biedenkopf jetzt kneift, ist dürftig. Wenn in Leipzig die Nazis
aufmarschieren, steht an der Spitze der Gegendemo der Bürgermeister –
nicht so in Dresden. Hier ist man lieber still. Dresden ist seit Jahren
ein beliebtes Reiseziel für Nazis – konnten diese doch bereits 1991,
angeführt von Michael Kühnen, trommelnd über die Leipziger Straße
marschieren. Dass die Gegendemo als Wahlkampfplattform der Linken
betrachtet wird, ist Unsinn und zeigt nur, dass nicht verstanden wurde
um was es geht.

Urs Krüger, per E-Mail


Rechte Wähler erhalten so eine neue Plattform

Die Wahlen 2009 werfen ihre Schatten voraus. Nach diversen Pannen wird
die NPD wohl den Einzug in den Landtag verpassen. Die ehemaligen
NPD-Wähler brauchen also eine neue Heimat. Da käme eine Partei gerade
recht, die sich auch bei hehrem Anlass nicht von den linken Revoluzzern
vereinnahmen lässt und deshalb am 14. Februar 2009 nicht mitmarschiert,
sondern nur still gedenken will. So weitsichtig und klug kann
sächsische Politik also sein.

Wolfgang Schwarz, 01157


Freitag, 21. November 2008
(Sächsische Zeitung)

Lauter Protest oder stilles Gedenken?
Von Thilo Alexe

Am 14.Februar wollen Rechtsextremisten in Dresden marschieren. Wie sollen Demokraten darauf reagieren?

Mit
Zurückhaltung reagieren die Initiatoren des Anti-Rechts-Bündnisses „Geh
Denken“ auf die Initiative von Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU)
gegen den Aufmarsch von Rechtsextremisten. „Der Vorbereitungskreis
nimmt die Bereitschaft der Oberbürgermeisterin zur aktiven
Auseinandersetzung mit den Neonazis zur Kenntnis“, heißt es in einer
Mitteilung des Gremiums, die Gewerkschaftschef Ralf Hron
veröffentlichte. Er begrüßte, „dass die Erste Bürgerin der Stadt die
Straße zur Demonstration nutzen will“.

Orosz hatte in der
vergangenen Woche angekündigt, zusammen mit prominenten Dresdnern eine
Initiative gegen einen Neonaziaufmarsch am 14. Februar zu starten.
Damit gäbe es zwei Bündnisse gegen die Rechtsextremisten. „Geh Denken“
wird von Kirchen, Gewerkschaften und vorwiegend linken Politikern
getragen. Orosz hatte betont, dass sie keine laute Demonstration
durchführen will. Sie setze auf eine stille Prozession. Jede Form des
würdevollen Gedenkens sei ein wirkungsvoller Protest gegen
Rechtsextremismus.

Gewerkschaften warnen

Unklar ist , wie
die beiden Bündnisse miteinander kooperieren. Hron betonte: „Wir sind
in Gesprächen.“ Die SPD hatte bei ihrem Landesparteitag am Wochenende
die Unterstützung von „Geh Denken“ beschlossen. Zu den Teilnehmern der
Demonstration zählen nach Parteiangaben auch der Bundesvorsitzende
Franz Müntefering. Die CDU beteiligt sich nicht an „Geh Denken“.
Kreischef Lars Rohwer hatte Teile des Aufrufs als aggressiv kritisiert
und der stillen Form des Gedenkens den Vorzug gegeben. Hron warnte
davor, „die aktiven Mitbürger und ihre Organisationen als angeblich
links und chaotisch“ zu diskriminieren. Am 14. Februar wollen
Rechtsextremisten ihren sogenannten Trauermarsch an die Dresdner
Bombenopfer im Zweiten Weltkrieg abhalten. Zum europaweit wohl größten
Aufmarsch der Szene werden mehrere Tausend Teilnehmer erwartet.

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