Indymedia, 8.11.08, CDU hintertreibt Protest gegen Nazis

Die Bäume werden kahl und die Tage werden kürzer. Mit dem neuen Jahr rücken auch die alljährlichen Aufmärsche der Nazis zum 13. Februar in Dresden wieder näher. Im September stellte bereits die Historikerkommission im Rahmen des Historikertags in Dresden ihren Bericht mit deutlich nach unten korrigierten Opferzahlen vor. Jetzt hat das übliche „Hickhack“ um den 13. Februar und die Gegenaktivitäten zum Naziaufmarsch in der Stadt eingesetzt. Versuch eines Überblicks.

Diesmal geht es nicht um Debatten innerhalb der Antifaszene sondern um die Diskussionen zwischen dem zivilgesellschaftlichen Bündnis gegen den Naziaufmarsch und der Dresdener CDU. Nachdem in den Jahren 2006 und 2007 eine eher mäßig besuchte Meile der Demokratie mit Beteiligung der CDU der einzige Protest von Seiten der etablierten demokratischen Parteien und Organisationen der Stadt war, fand im Jahr 2008 eine von demokratischen Parteien, Organisationen und Institutionen getragene Demonstration statt. Diese wurde von etwa 3000 Menschen besucht und konnte durch die Blockade der Carolabrücke immerhin verhindern, dass Nazis nicht an der Synagoge vorbei ziehen konnten. Dasselbe wurde zuletzt im Jahr 2006 durch Blockaden von Antifas erreicht. Die CDU zog sich im Laufe der Vorbereitungen der Demonstration aus dem Bündnis zurück mit der Begründung, dass sie mit Gruppen und Parteien wie der DKP nicht zusammen arbeiten würden.

Am 26. September diesen Jahres wurde in der Sächsischen Zeitung unter dem Titel „Dresden schmiedet Bündnis gegen Nazidemo“ verkündet, dass es eine Großdemonstration demokratischer Organisationen und Parteien mit europaweiter Mobilisierung geben wird. Ralf Hron, Chef des DGB in Dresden, wurde mit den Worten zitiert „Unser Ziel ist es, den braunen Spuk zu beenden.“
Während SPD, die Linke, die Grünen und Vertreter der Kirchen die Initiative „Geh Denken“ unterstützen, schloss der Kreisvorsitzende der CDU und ehemaliges Mitglied des Bündnis „Dresden für Demokratie“ Lars Rohwer mit den Worten „Wir werden sicher nichts tun, was die Arbeit der Polizei erschwert“ eine Beteiligung der CDU aus und setzte laut SäZ hinzu: „Zudem brauche es zu diesem Anlass keine europäischen Politiker, welche die Geschichte Dresdens nicht kennen.“ Das Bündnis ließ sich davon nicht beirren, und fand prominente Unterstützer wie den Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker (CDU), Franz Müntefering (SPD), Smudo von den Fantastischen Vier und viele mehr.
Von der lokalen CDU waren dagegen nur immer schärfere Distanzierungen von dem Vorhaben zu hören. Das ging bis hin zum Beschwören von Straßenschlachten zwischen rechts und links (Säz 23.10.). Zeitlich fällt das Ganze auch in die totalitarismustheoretisch begründete Kampagne der CDU gegen die Linke, welche vorläufig in der Debatte im Bundestag um die Antisemitismuserklärung anlässlich des 9. November diesen Jahres gipfelte.
Besonders stört Lars Rohwer aber auch, dass in dem Aufruf der „Geh-Denken“-Initiative eine „Verantwortungsdebatte“ aufgemacht wird. Nämlich indem gesagt wird, dass es Opfer der Deutschen im Ausland gab, würde suggeriert, dass die Opfer in Dresden nur logisch wären. Damit würde man seiner Meinung nach nur auf die Argumentation der Nazis eingehen, außerdem wäre die Erinnerungskultur in der Stadt schon weiter und eine solch aggressive Verantwortungsdebatte würde dem Versöhnen durch Erinnerung, wie es mit der Stadt Coventry gepflegt wird, nicht gerecht werden. Diese Aussagen spitzte er zu mit dem Satz: „Wer die Opfer mißbraucht, wird selbst zum Täter“ (siehe Interview mit Lars Rohwer in der Säz vom 29. 10.08). Natürlich erntete er Kritik von den anderen demokratischen Parteien in Dresden und auch in den Kommentaren der Sächsischen Zeitung zum Thema wurde der Unmut über die Haltung der CDU immer deutlicher.
In der CDU selbst gibt es bundesweit keine einheitliche Haltung. Nachdem bereits Richard von Weizsäcker seine Unterstützung für das Bündnis signalisierte, und dafür von Lars Rohwer unterstellt bekam, den Aufruf gutgläubig und ohne ausreichende Auseinandersetzung mit den Initiatoren des Aufrufs unterschrieben zu haben, erklärte auch der ehemalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf sein Unterstützung der Gegendemonstration (Säz, 30.10.08). Nachdem aber die sächsische Landtagsfraktion der CDU sich hinter Lars Rohwer stellte, zog Kurt Biedenkopf in einem Schreiben an die Antonio-Amadeu-Stiftung seine Unterstützung wieder zurück. Seitens der Stiftung, die selbst zu einer Gedenkfeier für die Dresdener Bombenopfer aufruft, um Flagge gegen die Rechtsextremisten zu zeigen, hieß es, dass Kurt Biedenkopf befürchte, dass die demokratische Gegendemonstration für Wahlkampfzwecke instrumentalisiert wird (Säz 7.11.08).
Vermutlich dürfte aber eine weitere Aktion von Lars Rohwer dahinter stecken. Dieser hatte in Serienbriefen an Erstunterzeichner des bundesweiten Aufruf, diese gebeten ihr Engagement für die Demonstration zu überdenken. In dem Brief ging es wohl wenig um den Aufmarsch der Nazis, stattdessen war davon die Rede, dass sich die Dresdener eine eigene Form der Erinnerungskultur geschaffen hätten und durch die unnötige Aktion von links und der Protest gegen die Gedenkpolitik der Stadt, verkäme das stille Gedenken der Opfer zur Nebensache. Wie die Sächsische Zeitung in einem Kommentar dazu richtig bemerkt, findet jedoch der große Naziaufmarsch und die Gegendemonstration am 14.02.09 und nicht am 13.02.09 statt. Bisher ist nicht bekannt, dass sich Erstunterzeichner dadurch von ihrem Engagement abbringen ließen. Im Gegenteil, ein theologischer Berater der Deutschen Bischofskonferenz fand „die Argumentation eigenartig“ und der Ton hätte ihm nicht gefallen und meinte „Man muss sich eben entscheiden, ob man etwas gegen Nazis tut.“ Die Bischöfin Maria Jepsen aus Hamburg meldete sich nach Erhalten des Briefes bei der „Geh Denken“-Initiative und sagte: „Es bleibe dabei, sie werde eine Rede halten.“.
Lars Rohwer wollte dieses Verhalten nicht öffentlich kommentieren, meinte aber, dass er mit den Persönlichkeiten in Dialog treten wollte, und dass das sein gutes Recht ist. In einem Kommentar der sächsischen Zeitung war daraufhin zu lesen, dass Lars Rohwer beleidigte Leberwurst spielt und mit dem von ihm mit angezettelten Streit den Nazis in die Hände spielen würde (SäZ, 08./09.11.08). Man darf gespannt sein, wie die Entwicklung weiter geht. Fest steht aber, dass das zivilgesellschaftliche Spektrum der Stadt, nächstes Jahr ernsthaft gewillt ist, dem jährlichen Nazigroßaufmarsch in Dresden ein Ende zu bereiten.

Und was machen die Linken bzw. Antifas? Ein Antifa-Bündnis steht bereits in den Startlöchern um ihrerseits Aktivitäten gegen den Naziaufmarsch zu organisieren. Eine Webpräsenz entsteht unter dresden1302.noblogs.org. Das eher „antideutsche“ Spektrum will dem Vernehmen nach, zwar auch gegen die Naziaufmärsche am 13. und 14. Februar in Dresden mobilisieren, geplant sind bisher jedoch nur eine Jubel- bzw. Partykundgebung am Nachmittag/Abend des 13. Februar und die Beteiligung am alljährlichen Spektakel am Heidefriedhof.

Zum Heidefriedhof gibt es auch noch eine Anmerkung. In diesem Jahr hatte die Jüdische Gemeinde aus Protest gegen die Teilnahme der NPD an der Gedenkveranstaltung nicht an der offiziellen Kranzniederlegung auf dem Heidefriedhof teilgenommen. Entgegen dem was unter anderem in einigen Zeitungen suggeriert wird, hat sie aber nicht völlig auf die Kranzniederlegung verzichtet, sondern hat ihren Kranz zum Gedenken an die Opfer der Bombardierung später nach der offiziellen Veranstaltung abgelegt. Dies hatte eine Diskussion um die Art des Gedenkens zur Folge. Unter anderem wurde vorgeschlagen, statt dem stillen Gedenken eine Rede zu halten, in der sich auch klar gegen die Vereinnahmung von Rechts ausgesprochen wird. Davon war bald danach aber nichts mehr zu hören, anscheinend wird einfach beim business as usual, nämlich dass alle einträchtig schweigend mit der NPD zusammen stehen und dann eben halt ohne „Die Juden“, geblieben.

Quelle:
de.indymedia.org/2008/11/231633.shtml

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