Junge Welt
16.02.2009
Skandal in Dresden
Von Lothar Bassermann
Die Polizei hat am Samstag in Dresden den Weg für einen der größten Neonaziaufmärsche frei gemacht. Rund 6000 Faschisten zogen unbehelligt durch die Innenstadt der Elbmetropole. Weit über 10000 Gegendemonstranten wurden hingegen von etwa 4000 Beamten an ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung gehindert.
Zum Aufmarsch aufgerufen hatte die »Junge Landsmannschaft Ostpreußen«, unterstützt wurde sie von der NPD. Bereits am Freitag abend hatten sich rund 1500 Anhänger militanter »Kameradschaften« zu einem Fackelmarsch versammelt, dem die Polizei ebenfalls den Weg durch das Stadtzentrum bahnte. Die Neofaschisten waren mit dutzenden Bussen in die Stadt gereist, auch aus Spanien und zahlreichen osteuropäischen Staaten. Seit 1998 veranstaltet die extreme Rechte anläßlich der Bombardierung Dresdens am 13. und 14. Februar 1945 Aufmärsche in der Stadt, die von Jahr zu Jahr größer werden.
Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren hat es für Samstag eine breite Mobilisierung zu Protesten gegeben. Linkspartei, SPD, Grüne, Gewerkschaften und die Jüdische Gemeinde hatten unter dem Motto »GehDenken« zu einem Sternmarsch »gegen Geschichtsverdrehung« aufgerufen. Zu den Unterstützern gehörten auch SPD-Chef Franz Müntefering, Linksfraktionschef Gregor Gysi, DGB-Chef Michael Sommer und Grünen-Chefin Claudia Roth. Obwohl Stadtverwaltung, CDU und FDP den Initiatoren allerhand Steine in den Weg gelegt hatten, schlossen sich rund 8500 Menschen den drei Zügen an.
Eine zeitgleich stattfindende Demonstration antifaschistischer Gruppen zu der das linke Bündnis »No pasarán« – »Sie werden nicht durchkommen« – aufgerufen hatte, zählte rund 4000 Teilnehmer. Ebenso wie gegen die Teilnehmer einer Kundgebung von rund 700 Antifaschisten gegen den Fackelmarsch am Freitag abend ging die Polizei rabiat gegen die Demonstranten vor. Durch Spaliere glich die Demonstration einem Wanderkessel. Mehrfach wurden Teilnehmer wahllos aus dem Zug gezogen oder brutal angegriffen. Nach Angaben von »No pasarán« am Sonntag setzten die Beamten auch Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Angesichts der massiven Polizeigewalt habe man sich schließlich dazu gezwungen gesehen, die Demonstration aufzulösen, erklärten die Organisatoren weiter.
Etliche Antifaschisten waren bereits an der Anreise gehindert worden. Aus Berlin waren beispielsweise mehr als 300 Antifaschisten nach Dresden gereist. Nach Angaben der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) wurde Dutzenden Personen bereits in der Hauptstadt der Einstieg in den Regionalexpreß verweigert. In Elsterwerda seien zudem mehr als 100 Antifaschisten von der Polizei an der Weiterreise gehindert worden. Immer wieder habe es schikanöse und entwürdigende Kontrollen gegeben.
Ganz anders war das Auftreten der Beamten gegenüber den Neofaschisten. Mitunter waren lediglich fünf Beamte für mehrere hundert Meter des kilometerlangen Aufmarsches abgestellt. Zahlreiche Teilnehmer waren vermummt, und es kam mehrfach zu Übergriffen auf Journalisten, ohne daß Beamte eingriffen. Anwohner berichteten gegenüber junge Welt, angesichts dieses Gefährdungspotentials seien Unmutsbekundung geradezu selbstmörderisch gewesen. Von zwei Schwerverletzten berichtete am Sonntag die Partei Die Linke Hessen in einer Pressemitteilung. Zwei Busse des DGB seien bei der Rückfahrt auf dem Autobahnparkplatz Teufelstal bei Jena von Mitfahrern eines Neonazibusses angegriffen worden. Eines ihrer Opfer erlitt einen Schädelbruch. Die Polizei zog am Sonntag dennoch eine positive Bilanz und berichtete von 86 vorübergehenden Festnahmen.
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