1. Mai Nazifrei – Flugblatt zur Nazidemo am 1. Mai ’09 in Dresden

Folgendes Flugblatt wurde heute während der Nazidemo in der Innenstadt verteilt:

[siehe auch Bericht auf Indymedia]

Sehr geehrte Passantinnen und Passanten,

die NPD veranstaltet heute, am 1. Mai in Dresden eine Demonstration unter dem Motto: "Heimische Wirtschaft und Arbeitsplätze schützen – Heuschrecken bekämpfen". Unabhängig davon, ob Sie die ‚Kameraden‘ zu Gesicht bekommen haben oder nicht – wir möchten Ihnen mit einigen zusätzlichen Informationen helfen, sich ein vollständiges Bild über die so genannte ‚Nationale Opposition‘ machen zu können.

Warum der 1. Mai?
Der erste Mai ist traditionell der Feier- bzw. Kampftag der Werktätigen und geht auf die ersten großen Streiks der Arbeiter, um die Forderung nach dem Achtstundentag durchzusetzen, zurück. Für gewöhnlich demonstrieren an diesem Tag die Gewerkschaften und vor allem linke Organisationen für mehr soziale Gerechtigkeit in Deutschland und überall auf der Welt. In der langen Geschichte der NPD spielte der 1. Mai jahrzehntelang keinerlei Rolle. Erst als man merkte, dass die Unzufriedenheit in weiten Teilen der Bevölkerung über die herrschenden Zustände ihnen ein ideales Feld für ihre Agitation und Propaganda bietet, begann man sich auch bei der NPD für den 1. Mai zu interessieren. Dass man dem 1. Mai zunächst skeptisch gegenüberstand, hatte seinen guten Grund. Das historische Vorbild der NPD, die NSDAP, kam mit den Gewerkschaften alles andere als gut aus. Und so nutzte man die Gelegenheit kurz nach der Machtergreifung, um mit als erstes die Gewerkschaften zu zerschlagen. Hunderte Gewerkschafter fanden sich in den Folterkellern der SA wieder, der 1. Mai als Kampftag der Werktätigen wurde verboten und stattdessen in einen ‚Nationalen Feiertag‘ umgewandelt. Nachdem die Gewerkschaften verboten waren, gab es niemand mehr, der sich für die Interessen der Arbeiter einsetzte. Alles wurde nun durch die NSDAP geregelt, welche vor allem das Wohl der großen Konzerne im Auge hatte, denn schließlich hatte man einen Krieg vorzubereiten.

Dies alles mag lange her sein, darf aber nicht vergessen werden, wenn man am 1. Mai über die NPD spricht.

Was will die NPD?
In ihrem Demonstrationsaufruf bezeichnet die NPD die Globalisierung als gescheitert. Dies ist natürlich Unsinn, denn die Internationalisierung der Wirtschaft hat selbstverständlich im Angesicht der gegenwärtigen Krise nicht aufgehört oder ist gar zurückgegangen. Richtig ist aber sicher, dass immer mehr Menschen die negativen Folgeerscheinungen der Globalisierung spüren. Deshalb demonstrieren schon seit Jahren linke Organisationen gegen Treffen der G8-Staaten und andere Finanz- und Wirtschaftsgipfel und fordern dabei unter anderem die Einführung weltweiter sozialer Mindeststandards. Rechte Gruppierungen sieht man bei solchen Anlässen übrigens nie.

Die NPD macht es sich wieder schön einfach. So heißt es: „Die Wirtschaft muß [sic] nationalisiert werden, d.h. Produktion und Konsum müssen wieder in einem ausreichenden Maß im eigenen Land stattfinden.“ Bekanntermaßen sind die Erdölvorkommen in Deutschland äußerst begrenzt, so dass es allein aus technischen Gründen gar nicht möglich ist, alles in Deutschland zu produzieren, was hier gebraucht wird. Und warum sollte denn ein Land Öl nach Deutschland liefern, wenn es ihm gleichzeitig verboten wird, andere Produkte hierher zu exportieren? Niemand würde sich so etwas bieten lassen, die Forderung der NPD nach einer Kontrolle des Außenhandels sind Phantastereien. Die BRD als exportorientierte Nation ist auf den internationalen Handel angewiesen. Würden alle Länder so handeln wie es die NPD vorschlägt, wären die Chipfabriken in Dresden nie gebaut worden, denn ein Großteil der produzierten Güter ging in den Export.

Bezeichnend im Übrigen, dass die NPD ihre Propagandaschriften in Polen drucken ließ. Auch die bei Neonazis so beliebte Kleidermarke ‚Thor-Steinar‘ gehört inzwischen einem Finanzinvestor aus Dubai, produziert worden ist die Kleidung seit jeher in der Türkei. Und ausgerechnet aus dieser Ecke kommt nun die Forderung nach einer ‚Nationalisierung der Wirtschaft‘ – es ist einfach nur lachhaft.

Wirklich nur Exzesse?
Natürlich ist es frustrierend, dass nachdem von den Banken Unsummen verzockt wurden, jetzt der Steuerzahler die Rechnung serviert bekommt. Die Finanzkrise beschäftigt uns nun schon seit geraumer Zeit und so mancher kennt aus eigenem Erleben oder aber zumindest aus seinem persönlichen Umfeld Menschen, die davon direkt oder indirekt betroffen sind. Doch es handelt sich dabei nicht, wie so oft behauptet, um Übertreibungen. Nein, die Investoren haben das gemacht, was jeder, auch der kleine Bäcker um die Ecke, macht. Man versucht Profit zu erwirtschaften, umso mehr umso besser, auch wenn das Risiko höher wird. In einer Gesellschaftsordnung, die Profitmaximierung zu ihrem Ideal erhoben hat, sind solche Effekte wie wir sie jetzt erleben, nicht Zeichen einer Übertreibung, also eine Art Unfall, sondern sie sind systembedingt. Wer für Marktwirtschaft ist, muss das Risiko solcher Krisen also in Kauf nehmen. Vielleicht ist es an der Zeit, über andere Möglichkeiten nachzudenken.

Ist die NPD eine Alternative?
Eine Partei, zu deren Mitgliedern zahlreiche Gewaltverbrecher gehören; die nicht mal in der Lage ist, ihre eigenen Finanzen vernünftig zu verwalten und deshalb kurz vor der Pleite steht, kann man wohl kaum das Schicksal der BRD anvertrauen.
Das Schlimme ist jedoch nicht, dass sie unfähig sind, sondern, dass es die alten Nazis in neuen Gewändern sind. Rassismus und Antisemitismus haben in ihrer Gedankenwelt einen ebenso festen Platz, wie Großmachtphantasien. Man hat gesehen, wozu dies führte. Auch wenn von den Parolen auf den ersten Blick einige ganz vernünftig klingen, vergessen Sie nie, wer diese Leute sind und was an Menschenverachtung dahinter steckt.

Wenn Sie etwas ändern wollen, engagieren Sie sich in Initiativen und Vereinen, organisieren sie sich mit Ihren Nachbarn und Kollegen, helfen Sie sich gegenseitig. Es gibt viele Möglichkeiten das richtige zu tun, so dass es den Menschen besser geht und zwar völlig unabhängig davon welcher Herkunft, Religion, Geschlecht oder sexueller Orientierung sie sind. Und wenn Sie selbst Hilfe benötigen, dann gehen Sie auf die Straße und kämpfen Sie für ihre Rechte. Aber nicht auf Kosten von Minderheiten, sondern zum Wohle aller. Denn die Grenze verläuft nicht zwischen Ost und West oder Nord und Süd, sondern zwischen Oben und Unten. Und das ist der Grundgedanke des 1. Mai.

No pasarán Dresden

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