Indymedia berichtet über den ausführlichen Bescheid des Stadt Dresden zur Verlegung der Route der Demonstration von No pasarán. Mit dabei auch eine aktuelle Einschätzung des Verfassungsschutzes.
Gestern am 04.02. erhielt das antifaschistische Bündnis ‚No Pasaran‘
den Auflagenbescheid für die bundesweite Bündnisdemonstration gegen den
alljährlichen Nazigroßaufmarsch. Erwartungsgemäß finden sich im
Bescheid allerhand seltsame Entscheidungen, aber auch eine Einschätzung
des Verfassungsschutzes zum Bündnis…
Zunächst wenig überraschend werden Blockaden von Kreuzungen und Straßen untersagt. Die
Beschränkung des Fronttransparentes auf 4m und die der
Seitentransparente auf 2m dürften wohl reine Schikane sein, da auf
Demonstrationen typischerweise mitgeführte Transparente, deutlich
länger sind. Für allgemeine Erheiterung sorgte jedoch der Passus
bezüglich ‚Rebel Clowns Army‘, so heißt es unter Punkt 9 des Bescheides:
Sollten sich Teilnehmer, die in der Aktionsform der Rebel Clowns Army auftreten
und diese Aktionsform, an der Versammlung beteiligen und aus dieser
heraus durch ihr spezifisches Auftreten agieren, werden nachfolgende
Auflagen festgelegt:
– Das Mitführen von Wasserpistolen, Sprühgeräten, Pumpen oder sonstigen Gegenständen, die geeignet sind, Polizeibeamte mit Seifenlaugen, Säuren oder anderen Flüssigkeiten zu
bespritzen, wird untersagt.
– Teilnehmer, die in der Aktionsform der Rebel Clowns Army auftreten und diese Aktionsform anwenden, ist es untersagt, die Einsatzkräfte zu behindern. Es ist ihnen insbesondere untersagt, sich den Einsatzkräften weiter als bis auf drei Meter zu nähern.
– Kleidungsstücke, die geeignet sind, die Identität zu verschleiern,
dürfen nur dann getragen werden, wenn dadurch keine dem
Friedlichkeitsgebot entgegenstehende Wirkung erzeugt wird. Das gleiche
gilt für Verdeckungen oder Verfremdungen der Gesichtspartie durch
Maskieren oder Schminken.
Begründet wird das faktische Verbot der ‚Rebel Clowns Army‘ dadurch, dass in der Vergangenheit diese durch ‚tatsächliche oder angetäuschte Körperkontakte‘ mit den
Polizeibeamten deren Arbeit behindert hätten und sie so zum
Einschreiten gezwungen hätten. Insofern stellt die ‚Rebel Clowns Army‘
eine Gefährdung des Artikels 8 (Versammlungsfreiheit) dar, da sie den
friedlichen Ablauf der Veranstaltungen gefährden würde.
Gegen diese Entscheidung wird geklagt.
Interessant dagegen die Außensicht des Verfassungschutzes auf No Pasarán, die aus
diesem Grund hier nur leicht gekürzt wieder dokumentiert werden soll:
a) Ausgangslage – 2 Vorbereitungskreise mit autonomen Bezügen
In der Vergangenheit war immer wieder Kritik an der „antideutschen“
Prägung der autonomen Aktivitäten zum 13. Februar laut geworden, da
diese einer umfassenderen Mobilisierung in der Szene im Weg gestanden
hätte.
Im Jahr 2009 existieren nun erstmalig zwei konkurrierende Vorbereitungskreise:
– der „Vorbereitungskreis 13. Februar“ bzw. „Vorbereitungskreis Keine
Versöhnung mit Deutschland“ steht in der der Tradition der
„antideutsch“ orientierten Vorbereitungskreise der Vorjahre und
– „No Pasaran“ bezeichnet sich selbst als „antinational“ und „antimilitaristisch“
Beide Vorbereitungskreise mobilisieren bundesweit innerhalb der autonomen Szene.
Vorbereitungskreis „No Pasaran“
‚No pasaran‘ nutzt die Internetseite http././dresden 1392 noblogs.org
(sic!). Im Gegensatz zu den „Antideutschen“ lässt ‚No pasaran‘
erkennen, dass es das Gedenken im historischen Kontext respektieren und
individuelle Trauer im die Opfer der Luftangriffe zulassen will. „No
Pasarán“ verfügt über das deutlich größere Mobilisierungspotenzial, was
sich sowohl auf den linksextremistischen als auch auf den nicht
extremistischen Bereich erstreckt. Zu seinen Bündnispartnerm gehören
schwerpunktmäßig Gruppierungen des gewaltbereiten linksextremistischen
Spektrums.
b) Mobilisierungen
„No Pasaran“
Ein von „No pasarán“ veröffentlichter Aufruf zur „Antifademonstration“
unter dem Motto „No Pasaran – Kein Ort für die Verdrehung von
Geschichte!“ am 14. Februar wird sowohl von nicht extremistischen
Organisationen und Gruppierungen als auch von teils
mobilisierungsstarken linksextremistischen Gruppierungen aus mehreren
Bundesländern unterstützt.
In seinem Aufruf kündigt „No pasarán“ „Aktionen gegen den Nazigroßaufmarsch an“ an und erklärt, an Blockadeversuchen des Jahres 2008 anzuknüpfen zu wollen. Deutlicher
wurden die Verfasser einer zuvor […]. Darin hieß es: „Es bleibt an
uns, den Aufmarsch gemeinsam zu verhindern und ihnen die Straße
endgültig zu entreißen!“. Die Vermeidung vergleichbarer Äußerungen im
aktuellen Aufruf dürfte daher eher taktischer Natur sein.[…]
d) Bewertung
Nach gegenwärtigen Erkenntnisstand dürften sich neben den nicht
extremistischen auch die linksextremistischen, teils gewaltbereiten
Anhänger von „No Pasarán“ am 14.02.2009 an dem nach
gegenwärtigen Planungen um 11.00 Uhr am Hauptbahnhof beginnenden Aufzug
[…] beteiligen und in diesem Zusammenhang versuchen, den
rechtsextremistischen Aufzug zu blockieren. Dass Autonome, die sich am
14. Februar an der Kundgebung des Vorbereitungskreises „Keine
Versöhnunh mit Deutschland“ beteiligen wollen, dem Aufzug anschließen
wollen, ist einzukalkulieren.
Für den 14. Februar sind koordinierte oder auch gemeinsame Blockadeaktionen von Linksextremisten mit Teilnehmern von zeitgleich stattfindenden nicht extremistischen
Veranstaltungen im Rahmen des Bündnisses „Geh-denken“ – sowohl
„spontan“ als auch geplante – einzukalkulieren. […] Hauptziel aller
linksextremistischen Aktivitäten dürfte die Blockade des JLO-Aufzuges
sein.
Ein gewaltsuchendes Gesamtkonzept der autonomen Organisatoren
ist derzeit nicht erkennbar. Zumindest „No Pasarán“ dürfte nach
gegenwärtigem Kenntnisstand seine oben beschriebenen Ziele mit
„friedlichen“ Mitteln erreichen wollen, was allerdings erfahrungsgemäß
nach dem Selbstverständnis des autonomen Teilnehmerpotenzials neben
Blockadeaktionen auch das aktive Durchbrechen von Polizeiketten
beinhalten kann.
Außerdem ist von den linksextremistischen Teilnehmern der vorgenannten Veranstaltungen grundsätzlich anzunehmen, dass von ihnen situationsbezogen auch gewalttätige Protestformen
ausgehen können. Straftaten wie Landesfriedenbruch oder
Körperverletzung sind im Zusammenhang mit den angestrebten Blockade-
und Störversuchen zu erwarten, nicht zuletzt wegen der geplanten
Teilnahme teils gewaltbereiter auswärtiger Linksextremisten. Zusätzlich
ist erfahrungsgemäß mit einzelnen gewalttätigen Aktionen auch im Umfeld
des Veranstaltungsgeschehens gegen einzelne Rechtsextremisten oder
deren Fahrzeuge zu rechnen. Insbesondere am 14. Februar könnten
Autonome auch zeitgleich stattfindende nicht extremistische
Veranstaltungen als Sammel- und Rückzugsräume nutzen sowie sich zur
Erreichung ihrer Ziele zu Spontandemonstrationen formieren. […]
Erfahrungen zur erzielbaren Teilnehmerzahl der laufenden antideutschen
und antinationalen Mobilisierungen innerhalb des linksextremistischen
Spektrums liegen noch nicht vor. Die Vorjahreszahlen von etwa 600
Linksextremisten dürften jedoch am 14. Februar deutlich übertroffen
werden. Am 14. Februar ist mit der Teilnahme von insgesamt etwa 800 – 1200 Linksextremisten aus den vorgenannten Mobilisierungsräumem zu rechnen. Am Aufzug von „No Pasaran“ dürfte sich jedoch auch eine hier unbekannte Anzahl nicht
extremistischer Personen beteiligen, so dass hierfür eine
Gesamtteilnehmerzahl von 1500 – 2500 Personen realistisch scheint.
Gericht weist Auflagen für Rebel Clowns Army zurück
Verwaltungsgericht Dresden erlaubt den Clowns bei Demonstrationen Schminken und Mitführen von Wasserpistolen
…
Die Stadt habe aus eigener Erfahrung … keine „konkreten Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefährdung hochrangiger Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der den Aufzug begleitenden Polizeibeamten oder anderer Teilnehmer mitteilen“ können, urteilten die Dresdner Verwaltungsrichter am 12. Februar. Solche Anhaltspunkte waren dem Gericht auch aus anderen Orten nicht bekannt.
(Zitat von Telepolis, 10.3.2009)