Ausführlicher Artikel der Mitteldeutschen Zeitung vom 4.2. zu den Nazigroßaufmärschen, mit Ankündigung des Demotrainings am Sonnabend, den 7.2. um 14 Uhr auf dem Schlossplatz.
Mitteldeutsche Zeitung 04.02.2009
Dresden
Rekordaufmarsch von Neonazis erwartet
Protestbündnis warnt vor 8000 Rechtsextremisten – Noch kein Versammlungsgesetz
VON Tino Moritz, 04.02.09, 17:51h, aktualisiert 04.02.09, 18:59h
Dresden/ddp.
Trainiert wird schon eine Woche vorher. Für diesen Samstagnachmittag
lädt das Antifa-Bündnis «No pasarán» an die Dresdner Augustusbrücke zum
«Durchspielen geläufiger Problematiken des Demonstrierens». Ziel sei
es, mit Mitteln des zivilen Ungehorsams am 14. Februar «gemeinsam und
friedlich den Nazis entgegenzutreten». Für diesen Tag hat die
rechtsextreme Junge Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) ihren
jährlichen Aufmarsch zum Gedenken an die Opfer der Bombenangriffe auf
Dresden im Februar 1945 angemeldet.
Der traditionelle Aufzug
der extremen Rechten hat sich nach Angaben des Protestbündnisses «Geh
Denken» in den vergangenen Jahren zum größten Naziaufmarsch Europas
entwickelt. Dieses Mal müsse mit bis zu 8000 Teilnehmern gerechnet
werden, warnt die von Vereinen, Gewerkschaften, Kirchen und Parteien
breit getragene Initiative.
Die JLO hat nach Angaben des
Innenministeriums eine Veranstaltung mit 6000 Teilnehmern angemeldet.
Das Landesamt für Verfassungsschutz schätzt, dass die Teilnehmerzahl
das Vorjahresniveau von 3800 Rechtsextremisten «mindestens erreichen
beziehungsweise sogar überschreiten kann».
Vor vier Jahren
waren mit 5000 Neonazis die bisher meisten Teilnehmer gezählt worden.
Die Sprecherin der Linke-Landtagsfraktion für antifaschistische
Politik, Kerstin Köditz, führt das weniger auf das damalige «runde»
Jubiläum genau 60 Jahre nach den Luftangriffen zurück, sondern vielmehr
auf den vorherigen Einzug der NPD in den sächsischen Landtag. Mit 9,2
Prozent hatte sie im September 2004 nur 0,6 Prozentpunkte hinter der
SPD gelegen.
Nachdem es die einstigen Naziaufmärsche in
Wunsiedel zum Gedenken an Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß und in Halbe
zum Volkstrauertag nicht mehr gebe, sei Dresden als «letztes
Großaufzugsgebiet der extremen Rechten» übriggeblieben, sagt Köditz.
«In Dresden sind wirklich alle dabei – die NPD-Leute, Kameradschaften,
Nazis aus Europa, Holocaust-Leugner». Die Szene wolle ihre interne
»Bündnisfähigkeit« demonstrieren. Eine gemeinsame Aktion mit den
außerparlamentarischen Kameradschaften und Freien Kräften »schmiedet
zusammen« – und erscheint zum Auftakt des Superwahljahrs 2009 auch
extrem praktisch für die zuletzt krisengeschüttelte NPD.
Um
den Rechten ein solches Erfolgserlebnis zu verwehren, wäre aus Sicht
von Köditz der »geschlossene Widerstand einer ganzen Stadt« nötig –
einschließlich einer »fantasievollen« Versammlungsbehörde. Tatsächlich
sieht die Stadt keine rechtlichen Möglichkeiten für ein Verbot des
JLO-Aufmarsches. Und die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU)
setzt eher auf ein »stilles Gedenken«.
So wird das Bündnis
»Geh Denken« von SPD, Linker und Grünen unterstützt, nicht aber von CDU
und FDP. Diese Lagerbildung gab es auch schon in den vergangenen Jahren
– nur dass diesmal »Geh Denken» bundesweit mobilisiert und prominente
Unterstützer wie Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker auf seiner
Seite hat. Direkt vor der Semperoper soll es am Abend des 14. Februar
ein Konzert mit Hip-Hop-Künstler Curse und Sebastian Krumbiegel von den
Leipziger «Prinzen» geben, auch SPD-Bundeschef Franz Müntefering (SPD),
Linke-Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi und Grünen-Chefin Claudia
Roth haben ihr Kommen angekündigt.
Den Riss durch Sachsens
CDU/SPD-Koalition dokumentiert auch die Kritik des Justizministers
Geert Mackenroth (CDU), dass der Koalitionspartner das von der
Regierung bereits in den Landtag eingebrachte Versammlungsgesetz
blockiere. Die Novelle, die nach dem Wunsch von Mackenroth zu
Jahresbeginn in Kraft treten sollte, sieht auch ein Verbot von
Aufmärschen zum 13./14. Februar für die gesamte Dresdner Innenstadt
vor.
Die SPD macht indes – wie Linke, Grüne und FDP –
verfassungsrechtliche Bedenken geltend: «Es wäre nichts schlimmer, als
wenn ein Rechtsextremer mit einer Klage gegen das Demonstrationsverbot
Recht erhält und das Gesetz kippt», warnte der Bundesvorsitzende der
Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen, Harald
Baumann-Hasske.