DNN: Auf Dresdens Gedenken an die Zerstörung 1945 fällt ein Schatten

Dresdner Neueste Nachrichten, 15.02.2009

 

Auf Dresdens Gedenken an die Zerstörung 1945 fällt ein Schatten

Dresden. Dresden scheint 64 Jahre nach seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg von einem stillen Gedenken an die Tragödie weit entfernt. Auch in diesem Jahr bestimmten Demonstrationen, ein Großaufgebot der Polizei und Krach am Rande das Bild von einer Stadt, die eigentlich nur trauern wollte. Einem würdevollen Erinnern am Freitag mit Gottesdiensten, Totenmessen und einer Kranzniederlegung folgte am Samstag ein Aufmarsch von rund 6000 Neonazis aus ganz Deutschland und dem Ausland. Ihnen stellten sich mehr als 10 000 Demonstranten entgegen, die unter dem Motto „Geh Denken“ gegen einen Missbrauch dieses Datums durch Rechtsextremisten protestierten.

„Wenn 100 Nazis kommen, dann müssen 200 von uns da sein“, rief die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, den Demonstranten zu. „Wir müssen viel, viel, viel mehr sein. Das ist das Versprechen von Dresden.“ Bis zu diesem Zeitpunkt hatten schon viele Dresdner bei eisiger Kälte auf Sternmärschen ein Zeichen gegen Rechtsextremismus gesetzt. Auch von auswärts kamen Hunderte angereist. Ein paar mögen auf Krawalle erpicht gewesen sein, denn beim Finale von „Geh Denken“ waren viele Linksautonome nicht mehr zu sehen.

Schon am Mittag glich der Hauptbahnhof einer Festung. Dort hatten sich Neonazis aus ganz Deutschland versammelt. Die NPD demonstrierte Geschlossenheit, parteiinterner Zoff blieb unter der Decke. Parteichef Udo Voigt marschierte an der Seite seines Kontrahenten Andreas Molau, eingerahmt von schwarzen Fahnen und Plakaten mit markigen Parolen. Die Ursachen des Zweiten Weltkrieges verlieren sich in wilden Verschwörungstheorien, von deutscher Schuld ist keine Rede.
„Die Opfer haben ein würdiges Andenken verdient und keine Vereinnahmung durch rechtsextreme Propaganda“, sagte Claudia Roth: „Wenn Rechtsextreme vom sogenannten Bombenholocaust in Dresden reden, dann ist das der Versuch, die nationalsozialistische Terrorherrschaft zu relativieren, sie vergleichbar zu machen. Das ist der perfide Sinn hinter der verlogenen Nazi-Trauer hier in dieser Stadt.“ Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, erinnerte an die Toten von Dresden, aber auch an die ersten Opfer der Nationalsozialisten – an Juden, Sinti und Roma, Kommunisten, Sozialdemokraten, Kirchenvertreter, Homosexuelle, Gegner der Nazis.

Seit der Bombardierung Dresdens am 13./14 Februar 1945 gibt es die Debatte, ob die Stadt schuldig oder unschuldig den Luftangriffen der Briten und Amerikaner ausgesetzt war. Etwa 25 000 Menschen verloren ihr Leben, Rechtsextreme hängen als Beleg für ein Kriegsverbrechen gern noch eine Null an die Opferzahl. Dresden galt zwar als Hochburg der Nazis und wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Andererseits trafen die Bomben fast ausnahmslos wehrlose Zivilisten in der Innenstadt. „Heute verstieße ein solches Bombardement klar gegen das Völkerrecht. Aber einen Umstand dürfen wir nie vergessen: Wie andere Länder auch befanden sich die USA und Großbritannien in einem Verteidigungskrieg, der Aggressor war kein anderer als Deutschland“, betonte Gysi.

Ob Aufnahmen vom „Geh Denken“ das Bild Dresdens in ausländischen Medien prägen werden, darf bezweifelt werden. Die Kameras blieben erneut vor allem auf Neonazis gerichtet. Dabei hätten es gerade diesmal auch ein paar andere Bilder verdient. Dresden feierte mit Vertretern aus Coventry 50 Jahre Städtepartnerschaft. Die britische Stadt war 1940 von den Deutschen zerstört worden. Mit ihrem Bündnis zeigen die beiden Kommunen Versöhnung der ehemaligen Kriegsgegner. Die Semperoper ließ auf einen riesigen Plakat den Dichter Erich Kästner zu Wort kommen: „Jeder ist mitverantwortlich für das, was geschieht und für das, was unterbleibt.“

Jörg Schurig, dpa

 

Quelle:
http://www.dnn.de/aktuell/content/88137.html

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