Einschätzungen und Berichte zum Polizeieinsatz am 13./14.2. aus der Anhörung der Linksfraktion im Landtag am 3.3.2009

Am 3. März lud die Linksfraktion in den Sächsischen Landtag zu einer öffentlichen Anhörung zur Auswertung der Proteste und zum Polizeieinsatz am 13. und 14. Februar 2009. (Kurzbericht Anhörung)
Im folgenden sind die gekürzten Audiofiles mit allen Aussagen zum Polizeieinsatz verfügbar – die dabei angeschnittenen Themen und die wichtigsten Aussagen sind auch textlich erfasst. Eine klare Alternative zum Umgang der Dresdner Behörden mit den Demonstrationen wird durch den kompletten Beitrag des Oberbürgermeister Jenas deutlich – es geht auch anders!
Insgesamt war eine weitgehende grundsätzliche Übereinstimmung auszumachen, die Klaus Bartl, Abgeordneter der Linksfraktion und Anwalt am Ende auf den Punkt brachte: „Die völlige Ungleichheit im Einsatz der Möglichkeiten des Versammlungsrechts.“ (Überblick über die Beiträge zum Polizeieinsatz)
Es folgen die Berichte und die Kritik zum Polizeieinsatz im Einzelnen, gegliedert nach den RednerInnen und jeweils als Kurzzusammenfassung mit Link zum Audiobeitrag als .mp3-Datei.

1. Ralf Hron, Vorsitzender des Dresdner DGB für Geh Denken
Willkürliche Zugangsbeschränkungen und wahllose Aussortierung führt dazu, dass der zweite Teil der Veranstaltung von Geh Denken auf dem Theaterplatz, das Konzert, nur schlecht besucht werden konnte, besonders jungen Leuten wurde dies verwehrt – es gab Blockaden der Polizei insbesondere auf den Brücken. Entgegen der Zusicherung im Vorfeld, dass alle die wollen, teilnehmen können. Visuelle, zeitliche und damit geografische Nähe des Protest zum Protestgegenstand gehört zur Demokratie wurde aber verwehrt.
Audio: 01hrongehdenken.mp3 (Länge: 3min22sek / Größe: 3,1 MB)

2. Jonas, No pasarán Dresden
Schikanen der No pasarán Demo von Anfang an, inclusive Anreise und Vorkontrollen. Grundloser Stopp an der Wilsdruffer Straße, Demonstration durfte wegen Polizeiblockade nicht bis zur Abschlußkundgebung durchgeführt werden und grob fahrlässige Eskalation in einem Bereich, in den anschließend die Nazis geführt wurden. Dafür ist es dort glimpflich abgelaufen, ein möglicher Zusammenstoß hätte mindestens zu Verletzten geführt. Protest ist Chance für eine Gesellschaft und darf nicht im Sinne der Totalitarismustheorie gleichgesetzt werden mit rechter Gewalt.
Audio: 02jonasnopa.mp3 (Länge: 5min47sek / Größe: 5,3 MB)

3. Angela Marquardt, SPD, Venceremos
Ablauf der Kundgebung am Abend des 13.2.: Polizei erklärt Kundgebung zum Kontrollbereich, nimmt der Anmelderin damit jegliche Handlungsmöglichkeit. OrdnerInnen werden nach längerer Überprüfung nicht akzeptiert, die Veranstaltung soll zwischenzeitlich aufgelöst werden, da gegen die Auflagen verstoßen wird, beispielsweise wegen Alkohol und Glasflaschen auf der Kundgebung, die vorher problemlos in den Vorkontrollen akzeptiert wurden.
Audio: 03marquardtvenc.mp3 (Länge: 4min12sek / Größe: 3,9 MB)

4. Dr. Albrecht Schröter, Oberbürgermeister der Stadt Jena
Kam im Rahmen des Konzepts „Kommunen gegen Nazis“ mit seinem Weimarer Kollegen nach Dresden, um so viele Bürger seiner Stadt wie möglich mitzubringen. Nennt eine Reihe von Optionen, gegen Nazis in der Stadt vorzugehen, die in Jena mit Erfolg angewandt werden. Insbesondere stellt sich der Oberbürgermeister dort an die Spitze der Bürger wenn es um Antinaziproteste geht.
Audio: 04schroeterobjena.mp3 (Länge: 12min28sek / Größe: 11,4 MB)

5. Johannes Lichdi, Landtagsabgeordneter der Grünen
Schon im Vorfeld des 14.: Fraktionsübergreifende Kundgebung, auch mit FDP und CDU vor dem Rathaus wird verboten, jedoch keine Reaktion in der Öffentlichkeit.
Ergänzung zum Abend des 13. besorgte Abgeordnete wollen im Polizeipräsidium einen Zuständigen zur Rede stellen, was es mit dem Kontrollbereich auf sich hat, insbesondere wegen Befürchtungen hinblicklich des nächsten Tages, werden jedoch vor der Schießgasse warten gelassen und schließlich abgewiesen.
Audio: 05lichdigruene.mp3 (Länge: 5min29sek / Größe: 5 MB)

6. Mike Sturm, Vorsitzender der Dresdner SPD, Anwalt für Geh Denken
Kein Ansprechpartner der Polizei, dadurch Koordination der Busse bei der Anreise nicht möglich und Sicherheit der An- und Abreise auch nicht. Martialischer Einsatz.
Audio: 06sturmspdanwalt.mp3 (Länge: 1min55sek / Größe: 1,8 MB)

7. Kerstin Köditz, Landtagsabgeordnete der Linken
Statistiken: 2008 weniger Nazis als 2009 aber 57 Straftaten, darunter gefährliche Körperverletzung, Landfriedensbruch und Nötigung, davon 29 Verfahren noch offen.
Bericht von der Nazidemo am 14.: Viel zu wenig Ordner – kurz kam Bewegung in die Nazis, keine Kontrolle weder der Ordner noch der Polizei; Apfel hetzt gegen Israel unter frenetischem Beifall, aber keine Dokumentation durch die Behörden. Einschätzung 300 Gewaltbereite kann nicht stimmen. Homogene Masse von zumeist männlichen und jungen Nazis. Oberstaatsanwalt Schär kommentierte, dass er viele von seiner Arbeit her kennt.
Audio: 07koeditz.mp3 (Länge: 8min3sek / Größe: 7,4 MB)

8. Augenzeugen
Nazidemo erzeugte Atmosphäre der Angst, Protest durch BürgerInnen am Rande war nicht möglich.
Audio: 08atmosphere.mp3 (Länge: 1min2sek / Größe: 1 MB)

9. Augenzeugen
Mutter mit 9-jährigem, der ansehen muss wie die Polizei grundlos brutal agiert.
Audio: 09muttermitkind.mp3 (Länge: 2min42sek / Größe: 2,5 MB)

10. Sabine Berninger, Abgeordnete der Linken im Thüringer Landtag
Ablauf des Überfalls von Nazis auf den Gewerkschafterbus an der Raststätte Teufelstal: Laut Innenminister war die Thüringer Polizei sehr gut vorbereitet um solche Vorfälle zu verhindern, jedoch kamen aus Dresden keine Infos zu den Nazibussen. Der Bus mit den Angreifern wurde durchgecheckt, Ergebnis 14 von 41 Insassen waren polizeilich erfasst. Jedoch wurde Bus trotz schwerverletztem Opfer weitergelassen. Thüringens Innenminister gab Versagen der Polizei zu. Es laufen jetzt 14 Verfahren wegen Landfriedensbruch in besonders schwerem Fall.
Audio: 10berningerthue.mp3 (Länge: 11min34sek/ Größe: 10,6 MB)

11. Kati Lang, Opferberatung der RAA
Bisher fünf Übergriffe bekannt, in nur einem Fall handelte Polizei richtig: Beim Überfall auf Weimarer Gewerkschafter an einer Raststätte bei Chemnitz. Am Hauptbahnhof wurde eine einkaufende Asiatin mit Kind von einer Gruppe mit 35 Nazis angegriffen, Polizei verweigerte jegliche Hilfe – Unding dass keine Polizei am Nazitreff. Auf der Nazidemo wurde Fototechnik von Journalisten beschädigt. Wie vor zwei Jahren wurden in einer Regionalbahn Mitglieder des Jugendparlaments Taucha überfallen.
Insgesamt: Polizei gab Gewaltmonopol an die Nazis ab, da sie sich einer Konfrontation mit den Nazis nicht mehr gewachsen sieht.
Audio: 11langraa.mp3 (Länge: 5min48sek / Größe: 5,3 MB)

12. Augenzeuge
Vorfälle an der Carolabrücke: Kundgebung an der Synagoge geräumt, über Carolabrücke geprügelt, auf anderer Seite von anderen prügelnden PolizistInnen im Empfang genommen.
Audio: 12carolabruecke.mp3 (Länge: 1min44sek / Größe: 1,6 MB)

13. Sven Richwin, Berliner Anwalt für Geh Denken
Schilderung der Zugfahrt der Berliner Anreisenden: In Elsterwerda bekamen die Nazis im Zug Vorfahrt, obwohl die AntifaschistInnen mit 400 Personen viel mehr waren. Ein Teil wurde in Dresden erst über den Hauptbahnhof geschickt und dann wieder zurück zum Neustädter Bahnhof.
Insgesamt: Einseitige Fixierung der Polizei auf die Proteste, Polizeiketten im Laufe des Tages immer mehr Richtung Neustadt: Nur raus nicht rein in die Innenstadt möglich, auch für Anwälte und Abgeordnete. Im Verwaltungsrechtskommentar zum Versammlungsrecht ist die Rede von hör- und sichtbaren Protest, für die, an die der Protest adressiert ist, davon in Dresden meilenweit entfernt.
Audio: 13richwinanwalt.mp3 (Länge: 8min57sek / Größe: 8,2 MB)

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