Aktion gegen antimuslimischen Rassismus nach Beschädigung von Marwa-Mahnmalen

+++ Update  vom 3.8. +++

Am 2. August wurde auch die Messerstele am Jorge-Gomondai-Platz umgestoßen. Das ist der fünfte Standort der 600 Kilogramm schweren Messer-Skulpturen, der von der Serie der Beschädigungen seit dem 22. Juli betroffen ist – das solcherart gezielte Vorgehen ist höchstwahrscheinlich den organisierten Dresdner Neonazis anzulasten. Auch auf der Prager Straße, am Altmarkt, vor dem Rathaus und am Hauptbahnhof wurden die Beton-Messer teils mehrfach umgeworfen, sowie teilweise ihre Beschriftung abmontiert und entwendet.  (siehe Zeitungsartikel unten)
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Am 24. Juli wurden mehrere spontane Kundgebungen als Reaktion auf die Beschädigung von Mahnmalen an den antimuslimischen Mord an Marwa El-Sherbini abgehalten. Dazu gibt es hier einen Bericht und Fotos.
Die Serie des organisierten Beschädigens der seit dem 1. Juli 2010 aufgestellten Kunstinstallationen von Bürger.Courage verweist auf gezielte Aktivitäten von Dresdner Neonazis. Dazu finden sich hier auch Zeitungsartikel (ganz unten).
Zum Begriff des antimuslimischen Rassismus siehe den Redebeitrag des AK Antifa auf der Marwa-Gedenkdemo am 1. Juli 2010, dem Jahrestag des Mordes.

Bericht zu den Antifaaktionen gegen die Beschädigung der Mahnmale

Nachdem in der Nacht zum 22.07.2010 drei der Mahnmale der
Kunstinstallation „18 Stiche“, die an den rassistisch motivierten Mord
an Marwa el Sherbini erinnern sollen, beschädigt wurden, trafen sich heute ca. 30 Antifaschist_Innen zu einer Spontandemonstration.

Aufgrund
des schlechten Wetters und der geringen Anzahl an motivierten
Teilnehmer_innen wurde nach gemeinsamer Absprache beschlossen, doch
lieber mehrere Kundgebungen an den Mahnmalen, die über das ganze
Innenstadtgebiet verteilt sind, abzuhalten.
Die erste Kundgebung fand auf der Prager Straße, der Shoppingmeile Dresdens, statt.
Dort wurde ein Transparent des AK Antifa Dresden entrollt und ein Redebeitrag gehalten.

Spontane Kundgebung des AK Antifa Dresden auf der Prager Straße

Nun
ging es weiter zum Altmarkt. An diesem angekommen wiederholte sich die
Szenerie. Der Redebeitrag mit den Themen Alltagsrassismus und politische
Situation in Dresden wurde verlesen.

Spontane Kundgebung des AK Antifa auf dem Dresdner Altmarkt

Als letzte Station wurde der
Theaterplatz gewählt. Ein Ort wo viele Tourist_innen hinkommen um die
Semperoper zu bestaunen und ihre Sightseeingtour durch Dresdens Altstadt
zu beginnen. Auf allen drei Kundgebungen wurden Flyer mit dem Inhalt
des Redebeitrages verteilt.

Flyerverteilen bei der spontanen Kundgebung des AK Antifa auf der Prager Straße in Dresden

Auf dem Heimweg kam es noch zu einer
skurrilen Situation: Von der Augustusbrücke aus bestaunten sehr viele
Menschen ein Kriegsschauspiel. Die Schlacht um die Dresdner Festung
wurde dort nachgestellt – ein Abfeiern von Uniformierung, Marschieren
und Schlachtgetümmel. Die Themen Militarismus und Faschismus sind gar
nicht weit voneinander entfernt – schön, dass dieser Zusammenhang von
den Antifaschist_innen auch so wahrgenommen und thematisiert wurde. Nach
kurzem Betrachten des Schauspiels und ein paar lauthals geäußerten
Bemerkungen über Krieg und die Ekelhaftigkeit dieses Schauspiels wurden
kurzerhand die restlichen Flyer, teilweise als Papierflieger (danke,
Wind!), von der Brücke den Spielsoldat_Innen runtergeworfen, um auch
ihnen die Möglichkeit zu geben, sich mit dem Thema Rassismus
auseinanderzusetzen. Die Reaktionen der Verkleideten waren verhalten bis
verlachend-abwertend. Einige Aktivist_innen versuchten, den Ablauf der
Zeremonie zu stören, indem sie sich unter die Marschierenden mischten
und ironisch Gehorsam, Disziplin Krieg/Mord und Kanonendonner
hochjubelten bzw. selbst Befehle gaben. Dafür wurden sie von diversen
Leuten (Schaulustigen sowie Mitwirkenden) angepöbelt – am Ende ebenso
von einem mutmaßlichen Nazi. Dieser verfolgte einige Leute sogar noch
bis in die Neustadt, versuchte, sie abzufotografieren und teilte über
sein Handy mit: „Ich hab ’se“. Einem anderen Grüppchen erging es ähnlich
– die Nazis waren wohl schon bei den Kundgebungen auf die unliebsamen
Demonstrierenden aufmerksam geworden.

Die Polizei war während all
dieser Aktivitäten nur kurz zu sehen, sie schien sich nicht besonders
für uns zu interessieren. Lediglich sollte diese Zeremonie nicht weiter
gestört werden, weshalb zwei Menschen von berittenen Polizist_innen von
der Straße auf den Bürgersteig bugsiert wurden.

Die geringe
Teilnehmer_innenzahl ist enttäuschend – als erfreuliches Ereignis kann
jedoch die Teilnahme von mehreren neuen Gesichtern bei der Aktion
gewertet werden.

AK Antifa im Libertären Netzwerk Dresden

Flyertext:

Dresden – eine weltoffene Stadt?

In
der Nacht zum Donnerstag den 22.07.2010 wurde die Kunstinstallation „18
Stiche“, die an den Mord von Marwa El-Sherbini erinnern soll,
beschädigt,umgekippt und somit geschändet. Wie so oft wird diese
offensichtlich rassistisch motivierte Tat von der Polizei als einfache
Sachbeschädigung gesehen. Dass dies nicht stimmt zeigt schon die
Tatsache, dass die Infotafeln die die Intention des Projektes aufzeigen
entfernt wurden. Und das nicht durch „grobe“ Gewalt sondern sie wurden
abmontiert. Damit wird der eindeutig rassistische Charakter der Tat
unterstrichen. Denn es sollte nicht nur beschädigt werden sondern auch
die politische Bedeutung genommen werden, die das Denkmal hat.
Wir
denken weiterhin das diese Tat eine geplante war. Die Täter_innen sind
keine verwirrten Einzeltäter_innen wie Mensch in Deutschland das immer
gerne hätte.
Diese Tat muss als das gesehen werden was sie ist. Ein rassistischer Gewaltausbruch!
Wir
begrüßen die Entscheidung des Vereins Bürger-Courage die umgekippten
Steine nicht aufzurichten, als Mahnung gegen Alltagsrassismus. Denn es
ist der alltägliche Rassismus, der von der Mehrheitsgesellschaft
getragen wird, der eine solche Tat erst möglich macht. Denn
Rassist_innen fallen nicht vom Himmel und sie werden auch nicht als
solche geboren. Vielmehr trägt die Sozialisation in unser Gesellschaft
dazu bei, das es zu solch rassistischen Auswüchsen kommt. Denn
Rassist_innen kommen auch nicht wie so oft gesagt aus sozial schwachen
Familien sondern vermehrt aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft und
werden dort Akzeptiert.
Ein gutes Beispiel dafür ist in Dresden die
CDU. Um den Tourismus nicht zu gefährden wird bei rassistischen
Gewaltausbrüchen, die erst einmal von einer radikalen Minderheit in die
öffentliche Debatte gestoßen werden, schnell mal wieder eine Rede gegen
rechts geschwungen. Wenn es dann aber ans eingemachte geht sieht man
Frau Orosz und Konsorten nirgends. So auch am 13. Februar, als benannte
Person eine Menschenkette fern abseits der Nazis initiierte statt sich
mit allen fortschrittlichen Menschen gemeinsam aktiv an den Blockaden
gegen den Nazigroßaufmarsch zu beteiligen. Ebenso die in Dresden
vorhanden Burschenschaften wo Rassismus oftmals zur Normalität gehört.
Wir Fordern eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus!

Für
uns wird rassistische Gewalt aber nicht nur von Nazis und
Faschist_innen ausgeübt. Sondern auch vom Staat und seiner Regierung.
Abschiebung ist nur die Spitze einer rassistischen Gesetzgebung die seit
Jahren in Deutschland praktisch umgesetzt wird.
Auch in Dresden
wurden nach dem Mord viele Versprechungen gemacht. So hat Helma Orosz am
1. Juli auf der Gedenkveranstaltung für Marwa El-Sherbini noch von
einem weltoffen Dresden geredet hat. Eine Woche später ist sie aber
schon wieder dabei einen Algerier abzuschieben, weil dieser angeblich zu
wenig verdient und damit nicht die deutsche Wirtschaft stützt und somit
nicht mehr tragbar ist. Diese Heuchelei ist alltäglich in
Dresden, Sachsen und Deutschland.

Wir fordern einen
antifaschistischen Grundkonsens in der Gesellschaft. Solange es diesen
nicht gibt, solange werden wir weiterhin auf die Straße gehen, weiterhin
der Öffentlichkeit ein Dorn im Auge sein und wir werden weiterhin
aussprechen was nicht gesagt werden darf. Dieser Staat und sein System
fördern und schützen Rassist_innen. Diesem werden wir uns
entgegenstellen. Mit allen Mitteln! Kampf dem Rassismus!

AK ANTIFA DD


Sächsische Zeitung, 3. August 2010

Erneut Messer-Stele umgeworfen

Die Attacken gegen das Kunstprojekt zum Gedenken an die in Dresden ermordete Ägypterin Marwa El-Sherbini gehen weiter. Unbekannte warfen diesmal am Jorge-Gomondai-Platz den symbolischen Messerschaft aus Stein um. Das berichteten Augenzeugen der Polizei gestern Abend. Das ist bereits der fünfte Tatort. Zuvor wurden von Unbekannten bereits die Stelen auf dem Altmarkt, in der Prager Straße, am Hauptbahnhof und vor dem Rathaus umgestoßen. Die Soko Rex des sächsischen Landeskriminalamtes ermittelt inzwischen, weil ein rechtsextremer Hintergrund nicht ausgeschlossen werden kann.

Der Verein Bürger Courage ist Initiator der Kunstaktion „18 Stiche“. Insgesamt sollen 18 Messerschafte aus Beton an den Tod von Marwa El-Sherbini vor einem Jahr erinnern. Die Frau war im Landgericht mit 18 Messerstichen getötet worden. Die Aktion will auf Alltagsrassismus aufmerksam machen. (SZ)


Sächsische Zeitung, 31. Juli 2010

Soko Rex übernimmt den Messer-Fall

Von Alexander Schneider

Die kürzlich umgestürzten Betonskulpturen „18 Stiche“ gehen offenbar auf das Konto von Rechtsextremen. Jetzt ermittelt das Landeskriminalamt.

Immer wieder wurden in der Stadt Skulpturen, die an die Ermordung der Ägypterin Marwa El-Sherbini erinnern, von Unbekannten umgestoßen. Seit Dienstag ermittelt überraschend die Sonderkommission Rechtsextremismus („Soko Rex“) des Landeskriminalamts (LKA) im Fall der Sachbeschädigungen. „Diese Taten sind im höchsten Maße zu verurteilen“, so LKA-Sprecherin Kathlen Zink. „Wir werden dem mit aller Kraft nachgehen.“

Nachdem sich die Polizei zunächst schwer getan hatte, von einem politischen Motiv auszugehen, ist die neue Wendung ein klares Signal. Offenbar geht auch die Polizei nicht mehr von einem x-beliebigen Vandalismus aus.

Seit Donnerstag, 22. Juni, wurden Mahnmale auf dem Altmarkt, auf der Prager Straße in Höhe der Ibis-Hotels und am Osteingang des Hauptbahnhofes zum Teil mehrfach umgestoßen. Mitte dieser Woche fiel ein weiterer Gedenkstein vor dem Rathaus.

Die Beton-Skulpturen haben die Form von Messern und sollen neben dem rassistischen Mord im Landgericht auch den alltäglichen Rassismus thematisieren. „18 Stiche“ nennt der Verein Bürger.Courage seine Kunstaktion, die zum ersten Jahrestag des Mordes am 1.Juli begann. Bis Mitte August will der Verein 18 gegossene Messer des Bildhauers Johannes Köhler aufstellen. „Wir lassen die umgestürzten Skulpturen jetzt bewusst liegen“, sagte Vereinschef Christian Demuth. Aufgrund der Häufung und weil angebrachte Plaketten gestohlen wurden, ist er überzeugt, die Beschädigungen seien kein Zufall.

Die Polizei bittet Zeugen, die Angaben zu den Taten machen können, um Hilfe unter der kostenfreien Nummer 0800–6738152.


Sächsische Zeitung

Freitag, 23. Juli 2010

Kunstaktion zur Erinnerung an ermordete Ägypterin beschädigt

Auch auf der Prager Straße wurde eine zur Kunstinstallation „18 Stiche“ gehörende Plastik aufgestellt.

Dresden.
Unbekannte haben die Kunstinstallation „18 Stiche“ für die vor einem
Jahr im Landgericht Dresden ermordete Ägypterin Marwa El-Sherbini
teilweise zerstört. Zwei Betonstelen des Denkmals seien umgeworfen und
beschädigt worden, teilte die Projektinitiatoren, der Verein
Bürger-Courage, am Freitag mit. Außerdem seien Infotafeln, die auf die
anti-rechtsextremistische Intention des Projekts hinweisen, abmontiert
und entwendet worden. Die Polizei in Dresden bestätigte die Tat,
Einzelheiten waren aber zunächst nicht bekannt.

Der Verein geht
eigenen Angaben von einer „mutwilligen, politisch motivierten
Zerstörungsabsicht“ aus und will Anzeige erstatten. „Zur Mahnung gegen
Alltagsrassismus werden wir die zerstörten Installationen bis zum Ende
des Projekts nicht wieder aufrichten“, kündigte der Vereinsvorsitzende
Christian Demuth an. Das Projekt werde aber fortgeführt.

„18
Stiche“ ist ein seit dem 1. Juli laufendes Projekt gegen Rassismus und
Fremdenhass. Über ganz Dresden verteilt sollen insgesamt 18 stilisierte
Messer aus Beton aufgestellt werden, die stellvertretend für die Stiche
und Verletzungen, die Menschen in Dresden durch Alltagsrassismus
erleiden, stehen. Bislang wurden laut Demuth zehn Stelen aufgestellt,
die restlichen acht sollen in der kommenden Woche folgen.

Protest in islamischen Ländern

Anlass
des Projekts war der erste Todestag von El-Sherbini, die am 1. Juli
2009 während einer Verhandlung im Landgericht Dresden von einem
Spätaussiedler aus Russland mit 18 Messerstichen getötet wurde. Dieser
musste sich im Berufungsprozess wegen Beleidigung der Ägypterin
verantworten. Er hatte die Mutter eines dreijährigen Sohns auf einem
Spielplatz als „Islamistin“ und „Terroristin“ beschimpft und war zu
einer Geldstrafe verurteilt worden. Weil er diese nicht akzeptierte, kam
es zu der verhängnisvollen Verhandlung.

Das Verbrechen löste in
der islamischen Welt eine Protestwelle aus. Im November vergangenen
Jahres wurde der Mann zu lebenslanger Haft wegen Mordes und Mordversuchs
verurteilt. (apn)


aus der Pressemitteilung von Bürger.Courage vom 22.Juli 2010:

Vandalismus gegen „18 Stiche“- Kunstaktion von Bürger.Courage und des Künslers Johannes Köhler

Das Bürger.Courage-Projekt „18 Stiche“, das sich gegen Alltagsrassismus und Fremdenhass richtet, wurde in den letzen Tagen von Unbekannten zum Teil zerstört

„Auf dem Altmarkt und der Prager Straße wurden in den letzten Tagen zwei Betonstelen der Kunstaktionen „18 Stiche“ des Vereins Bürger.Courage (in Kooperation mit dem Künsler Johannes Köhler) umgeschmissen und beschädigt. An den Stelen festgeschraubte Infotafeln, die auf die antirechtsextremistische Intention des Projekts hinweisen, wurden abmontiert und entwendet.
Bürger.Courage geht daher von einer mutwilligen, politisch motivierten Zerstörungsabsicht aus. Der Verein wird Anzeige bei der Polizei erstatten. „Zur Mahnung gegen Alltagsrassismus werden wir die zerstörten Installationen bis zum Ende des Projekts nicht wieder aufrichten. Wir werden das Projekt aber fortführen“, so Vereinsvorsitzender Christian Demuth zu den Vorkommnissen.
„18 Stiche“ ist ein seit dem 1. Juli laufendes Projekt gegen Alltagsrassismus und Fremdenhass. Über ganz Dresden verteilt sollen insgesamt 18 stilisierte Messer aus Beton aufgestellt werden. Diese stehen stellvertretend für die vielen kleinen und großen Stiche und Verletzungen, die Menschen in unserer Stadt durch Alltagsrassismus erleiden. Anlass war der erste Todestag von Marwa Ali El-Sherbini, die am 1. Juli 2009 während einer Verhandlung im Landgericht Dresden aus rassistischen Gründen mit 18 Messerstichen ermordet wurde. Bürger.Courage bemüht sich derzeit um eine Verlängerung der Aktion.“

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