Klage gegen neues Versammlungsgesetz

Die Opposition im Sächsischen Landtag hat jetzt geschlossen (Grüne, Linke, SPD) eine Klage gegen das neue Versammlungsgesetz eingereicht. Der Gesetzentwurf war von Anfang an von provinziellem Dilletantismus geprägt und fiel auch bei den meisten Rechtsexperten folgerichtig durch (Anhörung im Landtag, Gesetz hebelt sich selbst aus).  Neben der ins Gesetz gemeißelten Gleichsetzung von rechts und links offenbarte sich hier gleichzeitig das Unvermögen der konservativen Parteien CDU und FDP in Sachsen, sich öffentlich inhaltlich mit dem 13. Februar auseinanderzusetzen. Ob man die Debatte scheut wie der Teufel das Weihwasser, weil man aus Inkompetenz nicht in der Lage ist, eine Position abseits der Position der Neonazis und Revanchisten zu entwickeln oder weil große Teile des konservativen Lagers insgeheim deren Positionen teilen, mag der Betrachter selbst entscheiden.

Der Wadenbeißer von der Dresdner CDU Lars Rohwer (Abgeordneter im Landtag) entblödet sich auch dieses Mal (zur Erinnerung an seine Rolle in der Vergangenheit, sei dieser Artikel empfohlen) wieder nicht, seine Mär von einer  Erinnerungskultur in Dresden rauszukramen, die von einem Linksblock bedroht wäre, und bestätigt mit seiner dummdreisten Aussage Johannes Lichdi (Landtagsabgeordneter der Grünen), der genau das kritisierte, nämlich das mit dem Gesetz eine Form des Gedenkens vorgeschrieben werden soll.


Samstag, 14. August 2010
(Sächsische Zeitung)

Klage gegen Versammlungsgesetz

Von Thilo Alexe
Drei Fraktionen gehen gegen das Gesetz vor, das die Frauenkirche vor Demonstrationen schützt.

Die Landtagsfraktionen von Linken, Grünen und der SPD klagen gegen das sächsische Versammlungsgesetz. Die zum Jahresanfang von CDU und FDP im Landtag beschlossene Regelung versetzt Städte wie Dresden in die Lage, über historisch bedeutsame Orte wie die Frauenkirche Demonstrationsverbote zu verhängen.

Die Opposition befürchtet das Aushöhlen von Bürgerrechten. Vor dem Landtagsbeschluss hatte der Dresdner Grünen-Abgeordnete Johannes Lichdi gemahnt: „Im Kampf gegen Rechtsextremismus hilft kein Versammlungsverbot, nur das sichtbare Entgegentreten der Bürgerinnen und Bürger.“

Am Dienstag wollen die Fraktionen die Klage vorstellen. Sie wurde von Verfassungsrechtler Professor Ralf Poscher bei Sachsens Verfassungsgerichtshof eingereicht.

http://www.sz-online.de/Nachrichten/Dresden/Klage_gegen_Versammlungsgesetz/articleid-2535488


Mittwoch, 18. August 2010
(Dresdner Neueste Nachrichten – print)

Versammlungsrecht
Opposition klagt gegen neues Demo-Gesetz

Dresden (DNN). Die Landtagsopposition klagt vor dem Verfassungsgerichtshof in Leipzig gegen das neue Versammlungsgesetz der schwarz-gelben Koalition. CDU und FDP wollen mit dem Regelwerk Aufmärsche von Neonazis sowie Gegendemos wie am 13. Februar in Dresden unterbinden. Linke, SPD und Grüne sehen jedoch die Versammlungsfreiheit in Gefahr.

Die Klage wurde vorige Woche im Auftrag der drei Fraktionen von dem rennomierten Freiburger Versammlungsrechts-Experten Ralf Poscher beim Verfassungsgericht eingereicht. Die Eingriffe in die Meinungsfreiheit und das Versammlungsrecht seien ungerechtfertigt und verfassungswidrig, betonte Poscher gestern. Ähnliche Debatten gebe es auch in anderen Bundesländern. Sachsen falle aber zusätzlich dadurch auf, dass die Einschränkungen nicht nur auf Orte der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft begrenzt, sondern auch auf die kommunistische Diktatur ausgedehnt worden seien. Zudem enthalte das im Eilverfahren Anfang des Jahres durchgebrachte Gesetz schwere handwerkliche und Formfehler.

Grünen-Rechtsexperte Johannes Lichdi kritisierte, das Versammlungsrecht sei ein „schädliches Symbolgesetz, das vorgibt, etwas zu regeln, das es nicht regelt“. Die bisherige Rechtslage habe völlig ausgereicht. Nun versuche der Staat mit polizeilichen und strafrechtlichen Mitteln, den Menschen die Form ihres Gedenkens vorzuschreiben. SPD-Innenexpertin Sabine Friedel betonte, es gehe nicht nur um stümperhafte Formfehler. „Das Gesetz schränkt die Demokratie ein, statt sie zu verteidigen – so ehrenwert das Ansinnen angesichts der Probleme mit dem Rechtsextremismus auch sein mag“. Gerade die Sachsen wüssten jedoch aus dem Herbst 1989, wie wertvoll Meinungs- und Versammlungsfreiheit seien, so Friedel.

Linken-Jurist Klaus Bartl monierte, die Eingriffschwelle bei Versammlungen werde verfassungswidrig abgesenkt. Dabei sei der Neonaziaufmarsch am 13. Februar in Dresden nicht durch das neue Gesetz, sondern durch die Zivilcourage von mehr als 12 000 Menschen verhindert worden, von denen einigen bis heute Probleme gemacht werden. Die Verfassungswidrigkeit habe auch die Mehrheit der Sachverständigen bei der Anhörung des Landtags festgestellt. „Das Gesetz wird in Leipzig keinen Bestand haben“, so Bartl.

CDU-Politiker Lars Rohwer kritisierte dagegen die „Geisteshaltung“ des „Linksblocks“, der die Erinnerungskultur nicht akzeptieren wolle. FDP-Chef Holger Zastrow sagte, die Argumentation „der linksgrünen Opposition“ sei nicht nachvollziehbar. Das Gesetz schütze allein wichtige Gedenktage und -orte vor Missbrauch durch Extremisten. S. Heitkamp

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