Polizei und Ordnungsamt haben in Dresden zu ihrer alten Form zurückgefunden: Der Naziaufmarsch konnte dank ihres Engagements stattfinden. Doch die Nazis können außer dem Ablaufen ihrer Route auch keinen Erfolg verbuchen: Die GegendemonstrantInnen waren trotz kurzfristigen Aufrufs weit mehr und störten die Durchführung der Nazidemo erheblich. Bemerkenswert war dabei die Entschlossenheit und die Teilnahme vieler bürgerlicher GegendemonstrantInnen.
Hier findet ihr Fotos, den Bericht bzw. die Auswertung des AK Antifa Dresden, den Redebeitrag zum 17. Juni 1953 und Artikel der Tagespresse.
Polizei setzt Naziaufmarsch durch!
AK Antifa verurteilt skandalösen Einsatz!
Am gestrigen 17. Juni hatte die sächsische NPD gemeinsam mit den lokalen „freien Kräften“ eine Demonstration unter dem Motto „Damals wie heute – Alle Macht dem Volke“ angemeldet. Sie versuchten so, neben dem 13.02. ein weiteres Datum mit historischer Bedeutung über ihre Geschichtsverdrehungen zu besetzen. Dabei spielen sie sich als Verteidiger der Meinungsfreiheit, sowie Antikapitalisten auf und gerieren sich als „einzige Alternative“ für die Zukunft Deutschlands.
Antifaschistische Gruppen, sowie ein Bündnis aus Parteien und zivilgesellschaftlichen Akteuren riefen zu Gegenaktivitäten auf. Unter anderem auch zur Teilnahme an einer Gegenkundgebung auf dem Postplatz.
Ab 17 Uhr versammelten sich Antifaschist_innen zur gemeinsamen Gegenkundgebung in direkter Nähe des Kundgebungsortes der Nazis. Von Beginn an war jedoch eines deutlich spürbar: Die Lustlosigkeit der Polizei sowie des Ordnungsamtes, antifaschistischen Protest gewähren zu lassen und damit einhergehend gezielte Sabotage der Gegenaktivitäten zum Naziaufmarsch.
Bereits im Vorfeld hatten Beamte des Ordnungsamtes die Nazigegner direkt belogen – unter anderem mit der Behauptung, es sei für den 17. Juni weder eine Demonstration angemeldet noch genehmigt.
Während der Kundgebung, die trotz Hitze und aberwitzig hoher Polizeipräsenz, sowie seit neuestem unrechtmäßigen Vorkontrollen (vgl. BVG-Urteil mit Bekanntgabe vom 10.06.2010) mit guter Stimmung begann, setzte die Polizeiführung auf Repression und weitere Behinderung des legalen und legitimen Protestes. So wurde die Kundgebung trotz vorheriger Zusicherung in Hör- und Sichtweite zu den Nazis gemäß des Versammlungsrechts demonstrieren zu dürfen von Polizeifahrzeugen umzingelt und somit isoliert. Die Teilnehmer_innen, die sowohl dem linksradikalen als auch dem zivilgesellschaftlichen Spektrum angehörten, mussten sich auf dem Platz mehr wie in einem Freiluftgefängnis als auf einer angemeldeten Kundgebung fühlen. Diesem Ärger wurde sich durch Ansagen aus dem Lautsprecherwagen sowie durch die lautstarke Empörung der Menge Luft gemacht. Ein weiteres Soundsystem, Trillerpfeiffen, eine Sambagruppe sowie vereinzelte Vuvuzelas unterstützten geräuschvoll diesen Protest. Darüberhinaus wurde immer wieder auf den Grund der Versammlung hingewiesen: Nazis die ihre menschenverachtenden Ideologien und Geschichtsverfälschungen auf die Straße tragen wollen, werden in Dresden nicht unwidersprochen bleiben. Ein Redebeitrag wies auf die Geschichtsverfälschung der Nazis hin, wenn sie meinen sich in der Tradition der Aufständischen von 1953 sehen zu können. Diese verlangten nämlich nicht nach Entindividualisierung für die Volksgemeinschaft, Führerstaat und Einparteiensystem oder antisemitschem Vernichtungswahn. Sondern vielmehr nach Demokratisierung und freien Wahlen, freier Meinungsäußerung und Freilassung der politischen Gefangenen, sowie bessere HO-Preise und Sozialfürsorge. In einem weiteren Redebeitrag wurde auf die Konflikte innerhalb der lokalen Naziszene hingewiesen, sowie deren strukturelle Schwäche und geringe politische Wirkmächtigkeit erläutert.
Als nach reichlich zwei Stunden Kundgebung und zahlreichen, erfolglosen Verhandlungen mit der Polizeiführung klar wurde, dass diese die Kundgebungsleitung nicht als Gesprächspartner_in auf Augenhöhe sieht, sondern lediglich aus taktischen Erwägungen hinzuhalten versucht, entschlossen sich die Organisator_innen zur vorzeitigen Auflösung der Veranstaltung. Hauptsächlicher Anstoß hierfür war die zuvor erwähnte Wagenburg aus Polizeifahrzeugen rings um den Platz, die eine visuelle Wahrnehmung des antifaschistischen Protestes beinahe komplett verunmöglichte.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich bereits über 200 Antifaschist_innen in der Innenstadt eingefunden, von denen es nun einem Großteil gelang durch geschicktes Durchfließen und Umgehen der Polizeiketten in die direkte Nähe der Nazikundgebung zu gelangen, nämlich direkt auf die gegenüberliegende Straßenseite zu dieser.
Hier hatten sich in der Zwischenzeit auch Vertreter_innen der Bündnis-Grünen eingefunden, die zuvor versucht hatten direkt am Panzerketten-Denkmal, also am Startkundgebungsort der Nazis eine Spontandemonstration anzumelden. Dies wurde nicht nur vom wieder einmal nazifreundlich anmutenden Ordnungsamt abgelehnt, sondern auch noch mit einem schlampig ausgegebenen Platzverweis bedacht.
Auch darüber hinaus muss über offizielle Stellen der Stadt wenig rühmliches berichtet werden.
Die Oberbürgermeisterin und ihre Parteifreund_innen legten nicht nur am frühen Nachmittag auf der offiziellen Gedenkveranstaltung gemeinsam mit ebenso teilnehmenden NPD-Funktionären plus deren Umfeld Kränze nieder, sondern blieben erwartungsgemäß auch vom Protest am Abend fern. Damit demonstrierte die Stadtführung einmal mehr ihre Gleichgültigkeit gegenüber Neonazis und den mit ihnen verbundenen gravierenden Problemstellungen. Auch ist zu vermuten, dass der selbe Personenkreis das Verhalten von Ordnungsamt und Polizei mindestens deckt, doch wahrscheinlich auch gut heißt.
Nach den üblichen, wenig originellen Hetzreden der Akteure aus NPD und JN, Jens Baur, Arne Schimmer und Tommy Naumann zur Auftaktkundgebung setzten sich um 19.45 Uhr die nur circa 100 Nazis in Bewegung zu einer recht kurzen Demonstration durch die Dresdener Innenstadt. Bemerkenswert ist hierbei, dass offensichtlich trotz kurzer Mobilisierungsarbeit mehr Menschen für antifaschistisches Engagement mobilisierbar sind, als für langweiliges bis düsteres Geschwafel von Volkstod, Überfremdung oder angeblich notwendigem „Volksaufstand“ den die selbsternannte „nationale Opposition“ wohl meint organisieren zu müssen und zu können.
Schon während den lautstarken und entschlossenen Protesten gegen die Auftaktkundgebung der Nazis fielen immer wieder die überzogenen und unnötigen Übergriffe durch BFE Einheiten der Polizei auf. Zum Zwecke der Identitätsfeststellung griffen diese immer wieder Einzelne aus der großen Gruppe heraus, brutal und ohne die Möglichkeit für die jeweils Gemeinten freiwillig mitzugehen. Auffällig war hier, dass die Polizei nicht nur junge, vermeintlich linksautonome Menschen derart behandelte sondern auch ältere Personen aus dem bürgerlichen Spektrum. Das Feindbild „Linksextremist“, das die meisten Polizist_innen anscheinend schlicht akzeptieren nicht aber hinterfragen und schon gar nicht verstehen, wurde hier erweitert um Menschen jeglichen Alters und Aussehens. So wurde beispielsweise auch Ralf Hron, DGB-Chef in Dresden, mit überzogener Brutalität zur Personalienabgabe gezwungen.
Positiv bei diesen Übergriffen war lediglich festzustellen, dass die gesamte Breite des an diesem Tag vertretenen, antifaschistischen Spektrums ein hohes Maß an Entschlossenheit zeigte und sich von den Beamten nicht einschüchtern ließ.
Die Vielfalt derer die gestern auf die Straße gingen ist sicher auch ein Erfolg der Arbeit des Aktionsbündnisses „Dresden-Nazifrei“, dass die erfolgreichen Blockaden vom 13.02. diesen Jahres organisierte.
Während der Demonstration deren Verlauf vom Postplatz über die Wilsdruffer und die St.-Petersburger Straße zum Dr.-Külz-Ring und über die Wallstraße zurück zum Postplatz ging scheiterten Versuche eine Blockade zu errichten am harten Durchgreifen der Polizei. Hierbei kam es auch zu mehreren Festnahmen. Mit unvermitteltem Schubbsen, Schlagen und Treten wollten wohl die Beamten der 13. Einsatzhundertschaft aus Dresden zeigen, dass sie ihren BFE-Kollegen in Brutalität und fehlendem Verständnis von gesellschaftlichem Miteinander sowie ihren Befugnissen in nichts nachstehen. Bereits zuvor hatten eingesetzte Beamte nur ungenügendes Wissen von geltendem Recht und aktueller Rechtssprechung unter Beweis gestellt, als sie beispielsweise Mobi-Flyer für die Proteste gegen Europas größtes Nazifest am 10.07. in Gera beschlagnahmten.
In der Bilanz eine äußerst mangelhafte Leistung der eingesetzten Polizist_innen inklusive Polizeiführung die zum Nachdenken auch bei den zuständigen Stellen im Innenministerium anregen sollte.
Gegen 20.20 Uhr beendeten die Nazis ihre Demonstration mit einer Abschlusskundgebung am Denkmal für den Aufstand von 1953, an dem sie auch begonnen hatten. Und auch wie schon zu Beginn war ein Großteil der teilnehmenden Nazis eher damit beschäftigt die Gegendemonstranten zu beobachten oder mit Drohgebärden zu bedenken, anstatt der Rede ihres Vorzeige-Aktivisten zu lauschen. Die „nationale Opposition“ die gestern hauptsächlich aus dem NPD-Umfeld und lokalen Nazis bestand scheint sich doch hauptsächlich nur für dumpfe Parolen und vor allem Schlägereien interessieren zu können. Mit ihren verqueren Inhalten bleibt die Führungsriege der „Bewegung“, die so gerne die „einzige echte Alternative“ zu den bestehenden Verhältnissen sein möchte dann doch eher unter sich.
Trotz der eher traurigen und wohl selbst für ihre Szene absolut unrelevanten Vorstellung der Nazis müssen wir einräumen, hinter unseren Zielstellungen für diesen Tag zurückgeblieben zu sein. Das lag vor allem an dem Einsatz der Polizei, die mit 450 Beamten ein Großaufgebot in Dresden zur Stelle hatten, dass die von vorn herein in entsprechenden Kreisen feststehende Entscheidung, den Naziaufmarsch durchzuführen, konsequent umsetzte. Auch wenn es uns allen ein kleiner Trost sein dürfte, dass wieder einmal feststellbar wurde, dass Nazis ohne staatliche Unterstützung keinen Aufmarsch zu Stande bringen, müssen wir das Verfehlen des Zieles der Blockade des Aufmarsches eingestehen. Hier gilt es für die Zukunft an Strategien zu arbeiten, wie auch mit geringerem Mobilisierungspotenzial und kürzerer Vorbereitungszeit antifaschistische Aktionen in Dresden erfolgreich sein können.
Gestern haben wir zwar nicht blockiert, aber wir waren mehr, lauter und entschlossener als die Nazis. Wieder einmal ist gezeigt worden, dass rassistische, ausländerfeindliche, antisemitische und ähnliche Haltungen in Dresden stets Widerspruch finden und Protest aus einem breiten gesellschaftlichen Spektrum organisiert wird.
Auswertungstext 17.06.2010 des AK Antifa Dresden
Redebeitrag
Der 17.Juni 1953 im Bezirk Dresden
In 14 der 17
Stadt/Landkreise des Dresdner Bezirkes gab es an diesem Tage
Arbeitsniederlegungen. Dresden, Görlitz, Niesky und Riesa waren hierbei
die Orte mit den größten Protesten.
In Dresden bildeten sich vom mit
5000 Beschäftigten größten Betrieb der Stadt, dem SAG Sachsenwerk
Niedersedlitz zwei Demonstrationszüge ins Stadtinnere, hierbei wurde
auch zum Generalstreik aufgerufen.
Ein zehnköpfiger
Arbeiterausschuss wurde unter den Mitarbeitern gewählt, welche 5
Forderungen, die, die damaligen Hauptsorgen der DDR-Arbeiter_Innen
widerspiegelten:
1. Rücktritt der Regierung; 2. freie und
geheime Wahlen; 3. Freilassung der politischen Gefangenen; 4. Senkung
der HO-Preise und 5. Aufhebung der Verschlechterung in der
Sozialfürsorge.
In mehreren Dresdner Großbetrieben wurde die
Arbeit zeitweise oder ganz niedergelegt. Sammelpunkte der circa 20.000
Menschen waren bspw. der Theaterplatz, Postplatz, Platz der Einheit
(der heutiger Albertplatz), Neustädter Bahnhof und der Hauptbahnhof.
Im
Laufe des Abends fielen Warnschüsse und sowjetische Truppen
marschierten auf und lösen die Versammlungen auf. In diesem
versprengten Gehäuf gab es immer wieder einzelne Demonstrationszüge, um
von einem zusammenhängenden ProtestGebilde zu sprechen, ist die Lage
aber zu konfus gewesen.
In Görlitz ging der Aufstand etwas
radikaler vonstatten: In den nahe der Stadt gelegenen
Waggonbaubetrieben bildeten Arbeiter_Innen ein Streikomitee und zogen
daraufhin demonstrierend in die Stadt. Nach dem Anschluss weiterer
Betriebe wurden Gebäude der SED, der Staatssicherheit, der
Massenorganisationen, die Strafvollzugsanstalt und das HO-Kaufhaus
besetzt. Danach wurde im Rathaus der Oberbürgermeister seines Amtes
enthoben und eine neue Stadtverwaltung („Stadtkomitee“) konstituiert
wird. Gefangene wurden befreit. Die streikenden Arbeiter schaffen sich
mit der neuen Verwaltung ein ihre Interessen vertretendes Machtorgan.
Ein politischer Forderungskatalog wurde erhoben. Durch den hohen Anteil
von Vertriebenen in der Görlitzer Bevölkerung bekommt zudem die
Forderung nach Revidierung der Oder-Neiße-Grenzverträge ein besonderes
Gewicht. Insgesamt beteiligen sich schätzungsweise 50 000 Menschen an
diesem Tage in Görlitz an den Demonstrationen. Erst der Einsatz der
sowjetischen Besatzungstruppen nach der Verhängung des
„Belagerungszustandes“ konnte die weit fortgeschrittene Entwicklung
stoppen.
Alleine diese beiden Beispiele zeigen hierbei
eigentlich recht offensichtlich auf, dass der Aufstand der
Arbeiter_Innen in der DDR von keinem der uns bekannten politischen
Systeme und Regime für sich instrumentalisiert und propagandistisch
„verwurstet“ werden kann. Der Aufstand war vielmehr eine Erhebung gegen
unhaltbare Zustände in autoritären und/oder ausbeuterischen Regimen.
Sowohl durch die Logik der Wirtschaftskreisläufe in der BRD oder gar
durch die unhaltbare Verherrlichung oder Relativierung des NS-Regimes,
wie sie von den hier unmittelbar in unserer Nähe versammelten Neonazis
und ihrer drum herum waberndern, wie sich auch immer bezeichnenden
Suppe, schließt sich eine Instrumentalisierung zum eignen Zweck
eigentlich vollkommen aus. Seit Jahrzehnten ist es trotzdem eine Mode
der bundesrepublikanischen Historie, insbesondere seit der in den 90er
Jahren begonnen „VerKnoppisierung“1 der Geschichte den Aufstand so zu
werten, dass nicht nur der Staatssozialismus von den Arbeiter_Innen
bekämpft wurde, sondern dass das Modell des bundesrepublikanischen
Staates als das von den Arbeiter_Innen mit Sicherheit schon gewünschte
Modell aufgefasst wurde bzw. die retrospektive Berichterstattung über
dieses Thema diesen Eindruck erwecken lässt. Um so logischer erscheint
es, dass nun auch die neonazistische Rechte in diesen revisionistischen
Brei von Volks- und Boulevardhistorismus versucht reinzubreschen.
Gegen jedwede bescheuerte Instrumentalisierung und Verdrehung der Geschichte!
Sächsische Zeitung
Freitag, 18. Juni 2010
OB Orosz und junge Linke wehren sich gegen Nazis
Von Alexander Schneider
Helma Orosz legte auf dem Postplatz für die Opfer des 17.Juni einen Kranz nieder. Am Abend marschierten Nazis durch die Innenstadt.
Orosz hielt auf dem Postplatz die Gedenkrede zum Arbeiteraufstand.
Helma Orosz (CDU) legte gestern auf dem Postplatz einen Kranz nieder. Sie sagte: „Wir blicken auf die Wendegeschehnisse von 1989 zurück und auf die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten im Oktober 1990. Aber auf dem Weg dahin war der 17.Juni1953 eines der wichtigsten Schlüsselereignisse.“ Außerdem erklärte sie, dass die Dresdner die Nazis endgültig satt hätten.
Doch weder die Oberbürgermeisterin noch zahlreiche junge linke Gegendemonstranten, vor allem aus Antifa-, Studenten- und Gewerkschaftskreisen, verhinderten, dass die Rechtsextremen abends vom Postplatz aus durch die Innenstadt marschierten – über Wilsdruffer-, St.-Petersburger-Straße, Külz-Ring und Wallstraße zurück zum Postplatz. Neben den Rechten hatten sich auch rund 200 Gegendemonstranten am Postplatz zu einer Kundgebung versammelt. Im Anschluss störten sie mit lautstarken „Nazis raus“- Rufen die Rechten.
Die Polizei hatte ein Großaufgebot eingesetzt, um rechte und linke Störer voneinander zu trennen. 450 Beamte waren im Einsatz. Doch die Uniformierten hatten Mühe, die Lager auf Abstand zu halten.
Gerade am Beginn der Route an der Wilsdruffer Straße kam es mehrfach zu tumultartigen Szenen. Irritiert verfolgten Touristen und Dresdner, die zwischen die Fronten gekommen waren, das laute und bizarre Treiben. Immer wieder führte die Polizei zahlreiche Demonstranten ab oder erteilte Platzverweise. Vor dem Rathaus wurden sechs Störer nach einer Sitzblockade in Gewahrsam genommen.
Auf dem Postplatz erinnert seit 2008 ein Denkmal – das Fragment einer Panzerkette – an die Ereignisse vor 57 Jahren. Die Arbeiterproteste am 17. Juni 1953 in der DDR hatten sich zunächst gegen erhöhte Leistungsnormen gerichtete. Dabei war es in mehreren Städten des Landes zu Unruhen gekommen. Diese waren vom SED-Regime blutig niedergeschlagen worden.
Die Zeit / Störungsmelder
18. Juni 2010
Nazis blamieren sich in Dresden
Von Hannah Eitel
Klägliche 120 Neonazis marschierten am Donnerstag durch Dresden. Auch wenn es nicht gelang den Aufmarsch komplett zu blockieren, konnten die Gegendemonstranten den Rechten mit lautstarkem Protest zeigen, dass sie nicht erwünscht sind.
Am Dresdner Denkmal für den Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR, einer Panzerkette, liegen Gedenkkränze für dessen Jahrestag. Zwischen die Kränze von FDP und SPD hat die rechtsextreme NPD ihren Kranz gequetscht. Wenige Meter weiter stehen rund 120 Neonazis, aus NPD, JN und Freien Kräften, und beschallen den Dresdner Postplatz. Auf der anderen Straßenseite haben sich rund 250 die Teilnehmer der Gegenkundgebung postiert und übertönen die Reden der Nazis mit Pfiffen und Rufen. „Damals wie heute, alle Macht dem Volke“, unter diesem Motto riefen NPD und freie Kräfte zur Kundgebung auf. „Nazis versuchen zunehmend, demokratische Themen und historische Daten für ihre Zwecke zu besetzen“, sagt Stadträtin Margot Gaitzsch, Anmelderin der Gegenkundgebung. Ähnlich wie beim 13. Februar deuten Nazis die Geschichte um. Den „Kampf der Arbeiter“ von 1953 setzen sie dabei gleich mit einem Kampf der angeblich „national und sozial unterdrückten Deutschen“.
Nach der Kundgebung ziehen die Rechtsextremisten geschützt von 450 Polizisten durch die Dresdner Innenstadt. „Vorbei an wichtigen Punkten“, freut sich der NPD-Kreisvorstand, Holger Szymanski. Die Polizei verhindert die Blockaden der Route durch die Gegendemonstranten. „So kurzfristig kann man nicht 1000 Leute zum Blockieren heran holen. Trotzdem ist es gut, dass heute viele hier sind“, sagt ein Teilnehmer. Später folgten viele Gegendemonstranten dem Nazi-Aufmarsch und störten die Durchsagen mit Rufen und Gesängen. So konnten die Nazis nicht ungehindert ihre Parolen durch die Dresdner Innenstadt schallen lassen.
Die Polizei zeigte sich zufrieden. Sie habe ihr Ziel erreicht, die beiden Gruppen voneinander getrennt zu halten. Bis auf kleinere „Scharmützel“ habe es keine Probleme gegeben. Bei diesen Scharmützeln ging die Polizei jedoch hart gegen einzelne Gegendemonstranten vor. Unter anderen wurde Ralf Hron vom DGB Sachsen von einem Beamten im Gesicht gepackt und gegen einen Wagen gedrückt. An anderer Stelle gab ein Polizist einem Teilnehmer eine Ohrfeige.
“Das Verhalten von Ordnungsamt und Polizei war, gelinde gesagt, eine Katastrophe”, sagte Stadträtin Gaitzsch dem Störungsmelder. “Der Protest wurde unverhältnismäßig von der Nazi-Kundgebung fern gehalten. Bis zuletzt blieben Ordnugsamt und Polizei bei ihrer Aussage, das keine Demonstrationsroute für die Nazis genehmigt sei. Holger Apfel, ob seiner rassistischen und völkerverhetzenden Äußerungen des Landtages verwiesen, erhielt am heutigen Tage ein Podium. Die Regierenden in Stadt und Land müssen sich fragen lassen, auf welcher Seite sie stehen.”
Zwar blieben Naziaufmarsch und Gegendemonstranten getrennt, aber sie kamen sich näher, als von der Polizei geplant. Die Gegenkundgebung riegelte die Polizei durch eine „Wagenmauer“ ab. Jedoch verließen die Teilnehmer nach und nach ihren Platz am Rande des Postplatzes und stellten sich direkt vor die Nazikundgebung. „Jetzt hört und sieht man uns wenigsten“, freute sich eine Demonstrantin. Alles in allem, trotz der kurzfristigen Mobilisierung ein kleiner Erfolg für die Nazigegner in Dresden.
Leipziger Volkszeitung
450 Polizisten schützen Neonazi-Aufzug vor Gegendemonstranten am Postplatz
ast / jap / dpa
Dresden. Es waren nur rund 120 Neonazis, die am Donnerstagabend durch Dresden marschierten, doch ihre Anwesenheit zog die doppelte Menge an Gegendemonstranten und rund 450 Polizisten an den Postplatz. Sie lieferten sich ein mehrstündiges Katz- und Maus-Spiel mit der Polizei, die erfolgreich den Zug der Rechten abschirmte.
Zu dem Treffen der Neonazis hatte ein rechtes Aktionsbündnis aufgerufen, hinter dem laut sächsischem Verfassungsschutz Mitglieder der Dresdner NPD und der sogenannten freien Kräfte Dresdens stehen. 150 Teilnehmer waren angemeldet, laut Polizei erschienen 120. Und sie durften marschieren.