Indymedia: 13./14. Februar 2009 – Überblick

Ein Indymedia-Artikel fasst die Ereignisse zusammen:
Am 13.2. das offizielle Gedenken am späten Vormittag auf dem Heidefriedhof, noch immer mit den Nazis; der Fackelmarsch der Nazis am Abend und die Gegenkundgebung mit 700 Antifas.
Dann der 14.2. mit dem Naziaufmarsch und der No pasarán-Demo mit 4.000 Antifas und dem von der Polizei provozierten Ende der Demo unweit der Nazidemo, und die Ereignisse im Nachgang; Geh Denken, Polizeiübergriffe und Verletzte sowie Pressehetze.

13./14. Februar Dresden – Überblick

Dresden wurde am 13. und 14 Februar wiederholt zum Aufmarschort von
Neonazis. Anlass war die Bombardierung Dresdens und das Gedenken daran.
Hier der Versuch eines Überblicks über das 2tägige Spektakel.

 

13. Februar – Heidefriedhof

Im Vorfeld wurde viel darüber berichtet.
Da im letzten Jahr die jüdische Gemeinde nicht mehr mit den Nazis
zusammen am Heidefriedhof stehen wollte, sollten in diesem Jahr
deswegen Änderungen am Protokoll vorgenommen werden, die allerdings bis
zum Schluß nicht eindeutig in die Öffentlichkeit kommuniziert wurden.

Am
Morgen des 13. Februar boten sich dann zum Teil groteske Szenen. Die
Nazis hatten extra einen Reisebus organisiert, der zum Gedenken am
Heidefriedhof fuhr. Als der Bus eintraf, wurde die Stadträtin Brigitte
Lauterbach vom NPD-nahen Nationalen Bündnis wie selbstverständlich
persönlich von der Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) mit Handschlag
begrüßt. In den Zeitungen konnte man danach nur lesen, dass die
Oberbürgermeisterin eine Rede gegen den Mißbrauch des Gedenkens von
rechts gehalten hat. Als nach der Rede das Absperrband fiel, lieferten
sich Stadtrat Lars Rohwer (CDU) und der Vorsitzender der sächsischen
NPD Holger Apfel ein regelrechtes Wettrennen darum, wer zuerst seinen
Kranz niederlegt. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, das Lars
Rohwer mit einer Kranzlänge Vorsprung knapp gewann.

Als
Verbesserung der Situation auf dem Heidefriedhof kann das nicht
bezeichnet werden. Kritische Journalisten wurden sogar tätlich
angegriffen und mussten den Heidefriedhof vorzeitig verlassen.

Bericht und Bilder von Recherche Ost.

 

13. Februar – Der Abend

Wichtigster Anlaufpunkt für Antifas war die Kundgebung am Dr.-Külz-Ring/Altmarktgalerie. Dort hatte der Vorbereitungskreis Keine Versöhnung mit Deutschland
ein Konzert mit Egotronic und Frittenbude organisiert. Die Musik trug
zu einer Auflockerung der Athmosphäre in der Stadt bei, wovon sich die
etwa 50 Teilnehmer einer Gedenkveranstaltung von Pax Christi auf dem
Altmarkt mit Kerzen jedoch nicht stören ließen. An der
Gedenkveranstaltung auf dem Altmarkt nahmen auch Überlebende des 13.
Februar in Dresden teil, die sich gegen den Naziaufmarsch aussprachen.

Das
Konzert der Antifa wurde von vielen Passanten aufgrund der
musikalischen Kulisse interessiert zur Kenntnis genommen. Letztendlich
dürfte aber für Viele erst durch die massive Polizeipräsenz deutlich
geworden sein, dass es sich hier um eine politische Veranstaltung
handelt. Immerhin waren etwa 700 Antifas zu dem Konzert gekommen,
welche die Kundgebung jedoch nicht mehr ohne Personalienkontrolle und
Platzverweis verlassen durften. Fadenscheinige Begründung des Ganzen
war, dass Glasflaschen und Fahnenstangen auf der Kundgebung aufgetaucht
waren. Dazu muss man wissen, dass die Polizei keine Vorkontrollen
durchführte und die Aufstellung der Ordner für die Kundgebung stark
verzögerte, da Ordner einfach abgelehnt und von anderen über eine
Stunde lang die Personalien überprüft wurden. Während dieser Zeit hatte
der Veranstalter natürlich keine Handhabe um Auflagen durchzusetzen.
Man kann davon ausgehen, dass es der Polizei auch nicht um Einhaltung
der Auflagen ging, was sie selbst durch Vorkontrollen hätte sicher
stellen können, sondern darum die Menschen auf der Kundgebung zu
binden, damit diese nichts gegen den gleichzeitig stattfindenden
Naziaufmarsch unternehmen konnten. Nachdem der Naziaufmarsch um 21:00
Uhr vorbei war, wurde auch die Kundgebung beendet, und der Großteil der
Teilnehmer zog geschlossen und ohne Personalienkontrolle in einer
Spontandemo in die Neustadt.

An der Nazidemonstration nahmen
etwa 1100 Nazis teil. Der Ablauf war der Übliche. Viel aufgetragene
Betroffenheit, geschichtsverdrehende Parolen auf den Transparenten und
Fackeln. Beim Anblick einiger Skelettkostüme tragender Nazis konnte man
als Zuschauer den Eindruck erhalten, dass es sich um eine
Comedyveranstaltung handelte. Ihre Route ging diesmal nicht wie sonst
durch die barocke Innenstadt sondern durch die Plattenbauten der
westlichen Innenstadt und war nach 2 Stunden (um 21:00 Uhr) schon
wieder beendet. Nur wenige Gegendemonstranten gelang es bis an die
Route zu kommen um ihren Unmut über die Nazidemonstration Luft zu
machen.

Bericht und Bilder von Recherche Ost

Gegen
21:30 Uhr fanden sich einige Tausend Dresdner an der Frauenkirche ein
um 21:45 Uhr den Toten der Bombardierung Dresdens zu gedenken. Dabei
wurde sich ebenfalls von den Nazis distanziert und Frieden und
Versöhnung angemahnt.

14. Februar

Erwartet wurden Tausende
Neonazis aber auch viele Gegendemonstranten aus dem linken und dem
bürgerlichen Lager. Bereits in den Morgenstunden wurden Gruppen von
Gegendemonstranten von der Polizei am Betreten der Innenstadt
gehindert. Diese sollten sich alle zum Albertplatz begeben, wohin das
Ordnungsamt den Startpunkt der antifaschistischen Bündnisdemonstration No pasarán
verlegt hatte. Auch während der Anreise von auswärtigen Antifaschisten
kam es bereits zu Schikanen. In Berlin wurde die Abreise von der
Polizei verzögert und dutzende Antifaschisten am Betreten des Zuges
gehindert. In Elsterwerda mussten wiederum etwa Hundert Antifaschisten
auf den nächsten Zug warten, da die Polizei sie am weiterfahren
hinderte. Der Start der Antifademo verzögerte sich dadurch um
anderthalb Stunden, weil man auf die Ankunft der Genossen aus Berlin
warten wollte. Bei Chemnitz wurden 7 Antifaschisten auf einem
Autobahnrastplatz von über 60 Nazis angegriffen und verletzt.
Die angreifenden Nazis konnten jedoch auch nicht mehr an der
Nazidemonstration teilnehmen, da diese daraufhin von der Polizei
gestoppt wurden.

Als die Berliner Antifaschisten dann
schließlich eintrafen, ging die Antifademo mit etwa 3000 Teilnehmern
los. Bis zum Ende der Demonstration sollte die Zahl der Teilnehmer noch
auf 4000 anwachsen. Die Stimmung war gut und man ging geschlossen und
zügig über die Albertbrücke auf die Altstädter Seite.

 

Antifademo überquert Albertbrücke
Antifademo überquert Albertbrücke

Von
der im Vorfeld viel beschworenen Spaltung war nichts zu merken, die
unterschiedlichsten Spektren waren auf der Demonstration vertreten. Auf
der Höhe der Ziegelstraße gab es eine Rede zum jüdischen Kommunisten
und Widerstandskämpfer Hans Dankner,
der dort mit seinen Eltern und 4 Geschwistern gewohnt hatte. Im
Anschluß hielt ein Großcousin Hans Dankners spontan eine bewegende
Grußrede an die Demonstration. Ursprünglich war eine Kundgebung zur
Erinnerung an Hans Dankner auf der nach ihm benannten Straße in der
Nähe des Hauptbahnhofs geplant gewesen. Trotz Erstanmeldung von No
pasarán verlegte das Dresdner Ordnungsamt stattdessen den Startpunkt
der Nazis zum Hauptbahnhof. Auf der Pillnitzerstraße angekommen wurde
an das Gefängnis in der Mathildentraße
erinnert, in dem deutsche und tschechische Widerstandskämpfer
eingesperrt waren, von denen mehr als 400 bei der Bombardierung
Dresdens ums Leben kamen. Die Polizei wurde jetzt immer nervöser je
näher die Demonstration der Altstadt kam, und das Spalier wurde immer
dichter um die Demonstration und die ersten Wasserwerfer wurden in
Stellung gebracht, aber die Demonstranten liefen geordnet und in
Ketten, und lieferten der Polizei keinen Anlass die Demonstration
aufzulösen. In der Wilsdrufferstraße stoppte die Polizei die
Demonstration mehrmals und unterbrach immer wieder mit Ausrufungen der
Anmelderin den gerade laufenden Redebeitrag zu Farid Guendoul, der vor
10 Jahren am 13. Februar in Guben von Neonazis in den Tod gehetzt
wurde. Währenddessen zogen bereits die Nazis nur wenige hundert Meter
entfernt parallel zur Antifademonstration über den Dr.-Külz-Ring.
Zwischenzeitlich erwog die Polizei die Route der Nazis zu verkürzen und
über die Ferdinandsstraße zum Hauptbahnhof zurück zu schicken. Am Ende
wurde sich dann aber doch für den Aufmarsch der Nazis und gegen die
Antifademonstration entschieden.

In der Schloßstraße machte
die Polizei die Route dann endgültig dicht. Obwohl es bis zum Endpunkt
der Demonstration auf dem Theaterplatz nur noch wenige hundert Meter
waren. Die Antifademonstration befand sich dabei die ganze Zeit auf der
vom Ordnungsamt zugewiesenen Route, laut der es über die Schloßstraße
zum Theaterplatz gehen sollte. Als die Demonstration von der Polizei
auf der Schloßstraße neben dem Kulturpalast gestoppt wurde, griffen
Prügeltrupps der Polizei mit Holzknüppeln die Demonstrationsteilnehmer
an. In Folge dieser Angriffe eskalierte die Situation und die
Demonstration musste für aufgelöst erklärt werden. Die
Auseinandersetzungen verlagerten sich vom Kulturpalast über den
Neumarkt bis zur Frauenkirche. Infolge der Polizeiangriffe wurden viele
Demonstrationsteilnehmer durch Schlagstöcke und Pfefferspray verletzt.
Die Demosanitäter mussten 100 verletzte Gegendemonstranten versorgen.
Dabei auch einen Schwerverletzten in der Schloßstraße, der das Opfer
einer ungekennzeichneten Polizeieinheit mit Bambusschlagstöcken wurde.

vom Staat bezahlte vermummte Chaoten mit Bambusschlagstöcken
vom Staat bezahlte vermummte Chaoten mit Bambusschlagstöcken

Das Bündnis No pasarán Dresden und Alternative Dresden News rufen dazu auf, sich bei ihnen zu melden, wenn man Opfer oder Zeuge von Polizeiübergriffen geworden ist. Ein Video des britischen Nachrichtensenders BBC zeigt deutlich Ursache und Wirkung.

von der Polizei gestoppte Demonstration in der Schloßstraße
von der Polizei gestoppte Demonstration in der Schloßstraße neben dem Kulturpalast (rechts)

Trotz
der massiven Polizeiangriffe wurde der größere Teil der Demonstranten
nicht verstreut, sondern verharrte neben dem Kulturpalast. In mehreren
Anläufen wurde die Polizeikette schließlich in die Straße Taschenberg
und dort immer weiter in Richtung Theaterplatz geschoben. Irgendwann
gab die Polizei die Absperrung dann doch noch auf, nachdem die Nazis
bereits am Postplatz vorbei zogen und beschränkte sich auf die
Absperrung des Postplatzes.

Die Nazidemonstration begann gegen
13:30 Uhr und wurde kurz von einer kleinen Sitzblockade aufgehalten,
die aufgrund der zahlreich anwesenden Presse von der Polizei etwas
behutsamer aufgelöst werden musste. Etwa 6000 Nazis hatten sich zu
ihrem Aufmarsch eingefunden und liefen im Gegensatz zu den letzten
Jahren eine eher unspektakuläre Route bei der die barocke Innenstadt
nur kurz in Sichtweite kam. Die Polizei war offensichtlich mit den
meisten Kräften an der Antifademonstration. Die Nazis konnten dagegen
so gut wie ohne Polizeibegleitung marschieren
und sich dabei auch wie selbstverständlich vermummen, ohne
polizeiliches Eingreifen fürchten zu müssen. Gegen 16:00 Uhr war der
Spuk diesmal schon vorbei und die Nazis traten die Heimreise an.

Bericht und Bilder vom Naziaufmarsch bei Recherche Ost

nach dem Naziaufmarsch

Um
die Auseinandersetzungen zwischen abreisenden Kleingruppen von Nazis
und Antifaschisten zu verhindern, hatte sich die Polizei diesmal
überlegt, einfach alle Antifaschisten, die nicht auf dem Theaterplatz
waren, auf die Neustädter Seite zu drängen. Dabei kam es zu schweren
Übergriffen von Seiten der Polizei auf Antifaschisten. Nachdem bekannt
wurde, dass sich mehrere Nazigruppen die St.-Petersburgerstraße hinauf
in Richtung Synagoge bewegten, versammelten sich ein paar hundert
Antifas auf der Kundgebung an der Synagoge, wo gleichzeitig auch ein
Treffpunkt für Busse mit auswärtigen Antifas war. Anstatt aber die
Nazis aufzuhalten, drängte die Polizei plötzlich die Antifaschisten vor
der Synagoge auf die Carolabrücke. Dort prügelte die Polizei auf
Antifaschisten ein, die auf der anderen Seite der Brücke von einer
Polizeikette am Verlassen der Brücke gehindert wurden. Einige Menschen
sprangen dabei in Panik über das Brückengeländer. Einer Person, die
noch am Brückengeländer hing, wurde mit einem Polizeiknüppel auf die
Hände gehauen. An dieser Stelle auch nochmal der Hinweis auf den Aufruf
von No pasarán Dresden und Alternative Dresden News.
Laut dem EA Dresden wurden 70-80 Menschen in Gewahrsam oder vorläufig
fest genommen. 2 Personen wurden am Sonntag dem Haftrichter vorgeführt.
Beide wurden anwaltlich betreut und sind wieder raus. Dennoch werden da
auf einige Leute Verfahren zu kommen, und man sollte sich auf
Soliarbeit vorbereiten. Teilweise wurden Menschen wegen Sachen wie
Spucken auf den Boden mitgenommen, es gab aber auch Vorwürfe wie
besonders schwerer Landfriedensbruch, Widerstand, gef. KV, Verstösse
gegen das Versammlungsrecht. Eine Person wurde direkt nach der
Festnahme in die Notaufnahme gebracht, eine andere Person musste direkt
nach der Entlassung aus der Gefangenensammelstelle (GeSa) ins
Krankenhaus.

An den bürgerlichen Demonstrationen von Bündnis Geh Denken
nahmen insgesamt etwa 7000 Menschen teil. Von drei verschiedenen
Punkten aus liefen die Demonstrationen mit prominenter Begleitung zum
Theaterplatz, wo die Abschlußkundgebung mit Konzert stattfand. Die
Mobilisierung hat mit dazu beigetragen, dass die Nazis diesmal nicht am
Zwingerteich starten und nicht eine Route über die Elbbrücken und durch
die barocke Innenstadt laufen konnten. Von den angekündigten 15.000
Teilnehmern war jedoch gerade mal die Hälfte gekommen. Auf dem Heimweg
wurden Mitglieder von der Linkspartei, die in einem DGB-Bus reisten,
auf einer Raststätte bei Jena von Nazis angegriffen und verletzt.

Im
Nachgang wurde von der Presse oftmals die Falschmeldung der Polizei
kolportiert, dass die Polizei von Teilnehmern der Antifademonstration
angegriffen wurde, in der Sächsichen Zeitung ist gar von rotbraunen,
pseudolinken Provokateuren die Rede, als diese die Absperrung zu den
Nazis überwinden wollten. Das soll jetzt keine Entsolidarisierung für
den Fall sein, dass es wirklich so gewesen wäre. Die Realität war aber,
dass sich alle Demonstranten bis zum Schluß defensiv verhalten haben,
und lediglich ihre angemeldete Route durchsetzen wollten. An der
Synagoge war es ähnlich, die Antifaschisten hatten sich auf einer
angemeldeten Kundgebung versammelt. Gleichzeitig haben dort
Antifaschisten auf ihre Busse gewartet. Die Situation eskalierte in
beiden Fällen erst, als die Polizei obwohl im Unrecht, auf die
Antifaschisten los ging. Positiv zu vermerken ist, dass auch das
Bündnis Geh Denken in einer Pressemitteilung den Polizeieinsatz kritisierte.

Die
antifaschistische Bewegung hat dieses Jahr in Dresden deutlich Flagge
gezeigt und viele Erfahrungen gesammelt. Es ist zu erwarten, dass im
Jahr 2010 dem 65. Jahrestag der Bombardierung Dresdens einiges anders
laufen dürfte.

Antifa zeigt Flagge in Dresden
die Antifa zeigt Flagge in Dresden (im Hintergrund die Frauenkirche)

Einige der Bilder stammen von iguerilla.

Quelle:
de.indymedia.org/2009/02/242066.shtml

 

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