Neues Deutschland: Das „sprachlose Gedenken“ hat ausgedient

In einem guten Artikel vom 13.2.2008 beleuchtet das Neue Deutschland aktuelle Kritik am Gedenken zum 13. Februar in Dresden. Leider sind dennoch einige Ungenauigkeiten enthalten: Wenn es etwa heißt, der „Rahmen für das Erinnern“ werde von der Stadt ignoriert, was auch inhaltlich so nicht in Gänze stimmen kann, da das Insistieren auf die Vorgeschichte mittlerweile offizieller Bestandteil des Gedenkens ist; so fehlt die leicht zu recherchierende Information, dass die Initiative damals von Oberbürgermeister Roßberg unterstützt, das Ergebnis im Rathaus vorgestellt und nicht zuletzt ausführlich auf der Homepage der Stadt dokumentiert wurde.

Desweiteren wird behauptet, Nazis können sich mit dem Stelenkreis auf dem Heidefriedhof „identifizieren“. Das darf getrost bezweifelt werden, hieße es doch, die Nazis würden das Rondell, welches 1965 „zum Gedenken gegen ‚Krieg und Faschismus'“ geschaffen wurde dafür schätzen, dass hier nicht nur an Dresden gedacht, sondern gleichermaßen an sieben Konzentrationslager und sechs von Deutschen zerbombte Städte – Dresden also nur ein sehr kleiner Teil der Schrecken des 2. Weltkriegs ist.


Neues Deutschland
Inland 13.02.2008

Das „sprachlose Gedenken“ hat ausgedient
Zum 63. Jahrestag der Zerstörung verstärkt sich in Dresden die Kritik an überholten Formen des Erinnerns

Von Hendrik Lasch, Dresden

Dresden gedenkt heute der Zerstörung der Stadt am 13. Februar 1945. Die Weise, in der das geschieht, ist jedoch überholt, sagen Initiativen – nicht zuletzt, weil sie Rechtsextreme einlädt.

Das Erschrecken war um so größer, weil niemand mit dem Eklat gerechnet hatte. Am Wochenende besuchten Teilnehmer eines Kolloquiums zur Erinnerungskultur, unter ihnen auch Holocaust-Überlebende, den Dresdner Heidefriedhof. Ein Mitarbeiter des Friedhofsamtes zeigte den Ehrenhain, in dem viele Opfer der Bombardements vom 13./14. Februar 1945 bestattet sind. Hier, sagte der städtische Angestellte, werde somit des ‚Bombenholocaust‘ gedacht.

Da war er, der Begriff, mit dem Rechtsextreme seit Jahren das Erinnern an Zerstörung und Tod in Dresden zu vereinnahmen suchen, indem sie es mit der planmäßigen Vernichtung von Millionen Juden durch das NS-Regime gleichsetzen. Der ebenso griffige wie verheerende Begriff fällt, das zeigt der Vorfall, auf fruchtbaren Boden: Benutzt wurde er nicht von einem NPD-Funktionär, sondern einem gewöhnlichen Friedhofsführer.

Eine Ursache dafür, dass die Formel vom ‚Bombenholocaust‘ auch außerhalb rechtsextremer Kreise Anklang findet, liegt nach Ansicht von Kritikern nicht zuletzt in der Haltung vieler Dresdner zu den Zerstörungen vom Februar 1945. Noch immer, heißt es, werde der Mythos von der Kulturstadt gepflegt, die samt ihrer Einwohner unverschuldet zum Kriegsopfer wurde. Falsch, sagt Nora Goldenbogen, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde: Am 13. Februar sei der von Deutschland ausgegangene Krieg „hierher zurückgekehrt“: Erst, sagt sie, „brannte die Synagoge, dann die Stadt“.

Dass dieser Zusammenhang in Dresden noch immer nicht deutlich genug benannt wird, zeigen auch Formen des offiziellen Gedenkens. So findet auch am heutigen Vormittag das alljährliche stille Gedenken auf dem Heidefriedhof statt. Teilnehmen werden nicht nur Landespolitiker und die Botschafter der alliierten Siegermächte, sondern auch viele Rechtsextreme. Mit der schweigenden Ehrung der Kriegstoten können sich diese ebenso mühelos identifizieren wie mit der Architektur des Mahnmals: In einem Stelenrondell, das an zerstörte Städte und KZ erinnert, wird Dresden in einer Reihe mit Auschwitz genannt; ein auf der Gedenkmauer eingemeißeltes Zitat von Max Zimmering beginnt: „Wieviele starben? Wer kennt ihre Zahl?“ Beides ist historisch begründet, kommt den Rechtsextremen aber entgegen: Sie halten auch die offizielle Zahl von 25 000 Opfern für deutlich zu niedrig.

Die Architektur des Hains stellen Kritiker nicht zur Disposition, die Form des Gedenkens aber sehr wohl. Mindestens solle in einer Gedenkrede auf die Vorgeschichte der Zerstörung hingewiesen werden, sagt Friedemann Bringt vom ‚Kulturbüro Sachsen‘: „Kein Protokoll verbietet eine solche Rede, die es den Rechtsextremen sehr ungemütlich macht.“

Geboten sind Korrekturen nicht zuletzt, weil die Anwesenheit etwa von prominenten NPD-Abgeordneten aus dem sächsischen Landtag immer mehr Überlebende und deren Nachfahren abschreckt. „Der Gang zum Friedhof wird uns immer schwerer“, sagt Goldenbogen, die es „nicht mehr erträglich“ findet, der Kriegstoten in solcher Gesellschaft zu gedenken. Das ‚Ritual‘ auf dem Heidefriedhof sei „komplett überholt“, meint auch Matthias Neutzner, Sprecher der ‚Interessengemeinschaft 13. Februar‘, in der viele Überlebende der Bombardements mitarbeiten. Er kritisiert, dass „keine Botschaft formuliert“ werde: „Es handelt sich nicht um ein stilles, sondern um ein sprachloses Gedenken.“

Der Druck auf die Stadt, die als Ausrichter fungiert, wächst indes nicht nur in dieser Beziehung. Viele Initiativen drängen sie auch, endlich eine klare Stellungnahme zur Bedeutung des 13. Februar abzugeben, ähnlich wie Nürnberg, das einst Stadt der NS-Reichsparteitage war und heute ein Leitbild als „Stadt des Friedens und der Menschenrechte“ hat. Im Gegensatz dazu habe sich „die Lokalpolitik in Dresden dem Thema bislang überhaupt nicht gestellt“, kritisiert Neutzner. Dabei liegt ein Entwurf längst vor: Schon 2004 erarbeiteten Initiativen und Vereine einen „Rahmen für das Erinnern“. Den ignoriert die Stadt bislang ebenso wie Versuche, Grundlagen für eine neue Erinnerungspolitik zu erarbeiten: Zum eingangs erwähnten, von Vereinen und Stiftungen organisierten Kolloquium kamen zwar Teilnehmer aus 20 Ländern, aber kein offizieller Vertreter der Stadt.

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