Schlecht gespielt und trotzdem gewonnen – Einschätzung und Kritik zum 13. Februar 2008

Ein Beitrag aus der Diskussion über die Gegenaktivitäten zum 13. und 16. Februar in Dresden im Gründungsjahr von No pasarán:

Dresden: Schlecht gespielt und trotzdem gewonnen

ra0105 et al. 17.02.2008, de.indymedia.org/2008/02/208205.shtml

So könnte das Fazit zum diesjährigen Nazigroßaufmarsch lauten. Der selbsternannte ‚Nationaler Widerstand‘ musste die wohl bisher kürzeste Route laufen. Und dies ist auch ein Ergebnis antifaschistischen Engagement. Aber nicht immer ist alles Gold was glänzt – eine kritische Nachbetrachtung…
Obwohl die Stadt sich alle Mühe gab antifaschistischen Protest aus der Innenstadt herauszuhalten, gelang es etwa 1000 Antifaschisten durch die Dresdener City zu ziehen.

Wie in jedem Jahr konnte auch wieder das Infoteam in Dresden überzeugen. Informationen erreichten die Interessierten schnell und zuverlässig. Erneut hat sich vor allem das Konzept des Wap-Tickers bewährt.
Der Verlauf des Tages muss aber nachdenklich stimmen. Anders als in der ansonsten lesenswerten Einschätzung kann man nicht zum Schluss kommen, dass das Mobilisierungspotential der Antifa als konstant zu betrachten ist. Es ist sicher richtig, dass die Zahl der Teilnehmer auf Vorjahresniveau lagen. Nur handelte es sich damals um einen Wochentag. Insofern muss man ehrlicherweise einräumen, dass die Teilnehmerzahlen eine herbe Enttäuschung sind. Was sonst noch an diesem Tag zu kritisieren wäre liegt ursächlich an der zu geringen Teilnehmerzahl.

Man braucht sich nichts vorzumachen, wenn die Polizei alles darauf angelegt hätte, wäre ein Durchbruch am Wiener Platz nicht gelungen. Sicher war die Situation für die Polizei nicht unkritisch. Einige Beamte standen mit dem Rücken zu einer metertiefen Baugrube, vielleicht hat deswegen die Polizei den Druck nachgegeben. Wahrscheinlicher aber, dass die Polizei den Protest in einer Spontandemonstration kanalisieren wollte. Denn während der gesamten Dauer der Demonstration waren die Antifaschisten unter Kontrolle der Polizei. Schlicht mangels Masse war es nicht möglich nach eigenemGutdünken zu agieren. Der kläglich gescheiterter Ausbruchsversuch von der Petersburger Straße in Richtung Wilsdruffer Straße spricht dort Bände.

So leicht wie man auf den Dr.-Külz-Ring gelangen konnte, muss als sicher gelten, dass dieser nicht mehr zu Naziroute gehören sollte. Wahrscheinlicher ist, dass die Nazis eher in die Wilsdruffer Straße ( eine Paralellstraße weiter in Richtung Elbe) zurück Richtung Postplatz marschieren sollten. Aufgrund der Situation auf der Carolabrücke war diese Route aber bereits auch schon ad acta gelegt.
Warum die bürgerlichen Demonstranten anstatt auf die Augustusbrücke auszuweichen eine zu diesem Zeitpunkt völlig sinnlose Blockade aufrechterhalten haben, wird wohl auf ewig ihr Geheimnis bleiben.Der Vorwurf man habe hier lediglich Symbolpolitik betreiben wollen, ist sicher nicht von der Hand zu weisen.

Aber auch die Antifademo hat sich nicht immer mit Ruhm bekleckert. Im Bereich Dr.-Külz-Ring / Prager Straße, hatte man wohl hunderte von Zuhörern. Allein an dieser Stelle also weit mehr als der Naziaufmarschwährend seiner gesamten Route. Doch anstatt die Zeit zu nutzen einige Redebeiträge zu halten wurde lieber zum wiederholten Male ’10 German Bombers‘ gespielt. Allerdings muss hier angemerkt werden, dass zu diesem Zeitpunk die Lage äußerst hektisch und zeitweise unübersichtlich war.

Auf der anderen Seite war allgemein festzustellen, dass es keine große Auswahl an Redebeiträgen gab. Wer bereits am 13. Februar am Heidefriedhof und abends auf der Kundgebung war, konnte diese schon langsam singen.
Dies sind jedoch Kleinigkeiten, die sicher schnell abgestellt werden können. Problematischer ist jedoch die Frage, warum der Zuspruch zu den Antifaschistischen Protesten so gering ausfiel.
Dabei drängen sich im wesentlichen zwei mögliche Ursachen in den Vordergrund.

Zum einen muss (intern!) sicher hinterfragt werden, ob alle Arbeitsprozesse optimal gelaufen sind. Wo gearbeitet wird passieren Fehler und es wäre sicher unfair die Schuld einzelne Gruppen zuzuschieben. Im Gegenteil sind in der Zukunft mehr Personen aufgerufen sich an den Vorbereitungen zu beteiligen.

Die eigentliche Ursache dürfte aber wohl woanders liegen, erklärt aber auch die Bereitschaft oder Nichbereitschaft sich in die Vorbereitung einzubringen oder an dem Tag zu kommen. Reden wir nicht länger um den heißen Brei herum, es ist die ‚Antideutsche‘ Ausrichtung der Antifademo. Wobei das Problem wohl weniger die Ausrichtung an sich als Problem angesehen werden dürfte, als vielmehr die Art und Weise wie es vertreten wird. Generell sind die Proteste gegen das Gedenken in Dresden vor allem durch Provokationen geprägt, bei denen man sich zurecht den Vorwurf der Verhöhnung der Opfer gefallen lassen muss. Hier findet eine ebensolche Nivellierung der Täter und Opfer statt, wie man es von dem bürgerlichen Gedenken behauptet. Als Begründung warum man das so macht, wurde öffentlich erklärt, dass es bei den Provokationen darum geht Öffentlichkeit zu schaffen.

Allerdings sollte man sich die Frage stellen, inwiefern Nutzen und Kosten hier noch stimmen, und nicht überflüssigerweise Menschen verschreckt werden, oder befürchten dafür instrumentalisiert zu werden. Ebenso sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Diskussion im bürgerlichen Lager angekommen ist. Das heißt die Öffentlichkeit ist da, jetzt kann mensch langsam mal anfangen zu versuchen, die eigenen Inhalte zu vermitteln, wenn nicht der Eindruck entstehen soll, dass die Provokationen der eigentliche Inhalt sind. Ein positiver Ansatz wären möglicherweise solche Aktionen, wie das Gedenken an der Mathildenstraße, wo den 400, bei der Bombardierung Dresdens umgekommen, eingesperrten , tschechischen und deutschen Widerstandskämpferinnen und auch jüdischen Dresdenern gedacht wird.

Nicht zuletzt sollte bei aller berechtigten Kritik an der Art und Weise des bürgerlichen Gedenkens – der größte Naziaufmarsch der Bundesrepublik sollte dabei nicht aus dem Fokus geraten. Will man also gegen diesen Naziaufmarsch mobilisieren, muss dieser auch im Aufruf die Hauptrolle spielen oder einen eigenen Aufruf bekommen. Tatsächlich kam dieser nur am Rande vor.
Die Situation in Dresden ist ja an sich nicht so kompliziert. Es gibt einen Naziaufmarsch, der sowohl Spektrums- und Alters- sowie auch Landesübergreifend mobilisiert. Aufgrund der weiträumigen und breiten Straßen kann ein Naziaufmarsch schlicht nur durch Masse gestoppt werden.
Dazu sei nüchtern konstatiert:

a) Die Aufrufe erreichen eher das antideutsche Spektrum der deutschen Linken.
b) Dieses Spektrum ist bisher nicht in der Lage gewesen, ausreichend Personen auf die Straße zu bringen.

Schlussfolgerung: Will man den Naziaufmarsch verhindern, so ist entweder das eigene (‚antideutsche‘) Mobilisierungspotential weiter auszuschöpfen oder sich inhaltlich so weit zu öffnen, dass es auch anderen Spektren ermöglicht an den Gegenveranstaltungen teilzunehmen.
Genau an dieser Stelle muss aber auch festgehalten werden, dass es schlicht unbegreiflich ist, warum nicht auch andere über den eigenen Schatten springen können. Ist es denn wirklich so tragisch, wenn man an einem Tag im Jahr auch mal neben jemanden aus dem AntiD – Spektrum laufen muss?
364 Tage im Jahr kann ja jeder seine Affinität zum jeweiligen Spektrum fröhnen, aber zum größten Naziaufmarsch wird man das ja wohl vergessen können.
Sollte alle Seiten ein wenig mehr auf einander zugehen, sollte es möglich sein, ohne die Schüzuenhilfe von Polizei und Bürger den Naziaufmarsch zu verhindern.

Quelle:
de.indymedia.org/2008/02/208205.shtml

Unter dem Link sind Kommentare zu finden, die die Darstellung des Artikel vervollständigen bzw. die jährliche Diskussion wiederspiegeln.

Comments are closed.