Gedenken am Heidefriedhof ohne Jüdische Gemeinde

In diesem Jahr blieb die Jüdische Gemeinde wie vorher angekündigt der offiziellen Gedenkveranstaltung am 13. Februar auf dem Heidefriedhof fern, und legte erst später am Tag ihren Kranz nieder. Die Oppositions-Parteien zogen dabei beschämenderweise nicht mit, sondern kamen einfach zu beiden Terminen. Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde und das Kulturbüro Sachsen schlugen vor, dass die Stadt sich mit einer Rede von den Nazis abgrenzen soll. Auch Matthias Neutzner, Vorsitzender der IG 13. Februar ist für eine Änderung des Rituals. Aushilfs-Oberbürgermeister Lutz Vogel äußert Verständnis für das Fernbleiben der Jüdischen Gemeinde, zeigt zunächst aber Hilflosigkeit bzw. Unfähigkeit das ritualisierte Protokoll zu durchbrechen. Erst nach der Nazigroßdemo am 16. Februar kommt langsam eine Debatte über die Umgestaltung des Heidefriedhof-Gedenkens in Gang.


Dresdner Neueste Nachrichten online
14. Februar 2008

Die Zerstörung Dresdens am 13. und 14. Februar 1945
Dresdner gedenken Bombenopfern – Jüdische Gemeinde für Gedenkrede

Dresden. Das Dresdner Gedenken an die Opfer der Bombardierung vor 63 Jahren hat am Mittwoch eine Diskussion über die traditionelle Kranzniederlegung auf dem Heidefriedhof entfacht. Mehrere hundert Menschen erinnerten den ganzen Tag über an die schätzungsweise 35 000 Toten der Angriffe von britischen und amerikanischen Bombern am 13. und 14. Februar 1945. Vertreter von Stadt und Land, Diplomaten aus Großbritannien und den USA sowie Dresdner Bürger legten Kränze und Blumen nieder. Als Rechtsextreme an die Gedenkmauer traten, verließen wie in den Vorjahren die anderen Trauernden den Ort des Erinnerns.

Die Jüdische Gemeinde zu Dresden hatte vorher ihre Teilnahme an der Kranzniederlegung abgesagt – mit Verweis auf eben jenes Gebaren der Rechtsextremen. Kurz darauf regte die Gemeindevorsitzende Nora Goldenbogen einen anderen Ablauf der Gedenkfeier an. Das bisher praktizierte stille Gedenken solle einer Rede weichen, in der Gründe des Erinnerns genannt werden. „Dann würden wir uns auch wieder einreihen.“ Zwar habe die Gemeinde am Vormittag nicht teilgenommen, am Nachmittag auf dem Friedhof aber ebenfalls einen Kranz niedergelegt.

Dresdens amtierender Oberbürgermeister Lutz Vogel (parteilos) bedauerte die Entscheidung, äußerte aber Verständnis. Besonders für jüdische Bürger sei es schwer verständlich, wenn an einem solchen Tag Mitglieder der NPD auftreten. „Ich kann mir leider nicht aussuchen, mit wem ich gedenke“, sagte er. Es dürfe nie vergessen werden, warum es zu diesem 13. Februar 1945 gekommen sei. Die meisten Besucher des Friedhofs trugen eine weiße Rose als Zeichen eines Erinnerns, das nicht ideologisch instrumentalisiert werden soll.

Im Vorfeld der Kranzniederlegung war es zu Rangeleien und einem Handgemenge zwischen Rechtsextremen und dutzenden Gegendemonstranten gekommen. Die Polizei ging dazwischen. Ein Beteiligter sei in Gewahrsam genommen worden, in 16 Fällen wurde ein Platzverweis ausgesprochen. Am 13. Februar treffen sich alljährlich Neonazis zu Aktionen in Dresden. Aber auch Linksautonome machen mobil, um gegen angeblichen Geschichtsrevisionismus zu demonstrieren. Sachsen hofft, künftig mit einer Änderung des Demonstrationsrechts vor allem Aufmärsche von Rechtsextremen an Gedenktagen einschränken zu können.

Für einen am Samstag in Dresden geplanten Aufmarsch rechnet die Jüdische Gemeinde mit rund 3000 europäischen Neonazis. Deren Route entlang der Synagoge am wöchentlichen jüdischen Feiertag Sabbat sei eine bewusste Provokation, hieß es in einer Mitteilung. Die Gemeinde lud die Bürger ein, am Samstag um 10.00 Uhr am Sabbat-Gottesdienst teilzunehmen. Bei großem Andrang werde die Andacht über Lautsprecher ins Freie übertragen, sagte Goldenbogen. Auch Vertreter der Kirchen hätten ihre Teilnahme zugesagt, um eine gemeinsame Position des friedlichen Protests zu formulieren.

Für den Mittwochabend war die Projektion einer 25 Meter hohen brennenden Kerze auf die Südfassade der Frauenkirche geplant – als Zeichen bürgerlichen Gedenkens und als Rückgriff auf die DDR- Friedensbewegung. Die Kirche wollte ihre Pforten für eine „Nacht der Stille“ öffnen, die Dresdner Orchester luden zu Gedenkkonzerten ein. Gegen 21.45 Uhr – dem Zeitpunkt der ersten Angriffswelle – sollten sich die Glocken aller Dresdner Kirchen zum Geläut vereinen.

dpa

Quelle: DNN-Online vom: Donnerstag, 14. Februar 2008


Dresdner Neueste Nachrichten online
14. Februar 2008

Aktuell

Stadt will Gespräche zu veränderter Gedenkfeier für Bombenopfer

Dresden. Die Stadt Dresden will Gespräche über eine andere Gedenkfeier für die Bombenopfer von Februar 1945 führen. Das Vorgehen müsse mit dem Stadtrat, dem Freistaat und den Abgeordneten des Landtags diskutiert werden, sagte Stadtsprecherin Heike Großmann am Donnerstag. Ein Gesprächstermin sei aber noch unklar. Die Jüdische Gemeinde zu Dresden hatte am Vortag angeregt, das bisherige stille Gedenken auf dem Heidefriedhof solle künftig einer Gedenkrede weichen. Damit könnte der Instrumentalisierung des Erinnerns durch Rechtsextreme begegnet werden. Die Gemeinde hatte mit dieser Begründung ihre Teilnahme an der Kranzniederlegung abgesagt.

Bei den Angriffen auf Dresden am 13. und 14. Februar 1945 waren schätzungsweise 35 000 Menschen ums Leben gekommen. Ihrer war am Mittwochmorgen mit einer offiziellen Kranzniederlegung auf dem Heidefriedhof gedacht worden. Vertreter von Stadt und Land, Diplomaten aus Großbritannien und den USA sowie Dresdner Bürger legten Kränze und Blumen nieder. Als Rechtsextreme an die Gedenkmauer traten, verließen wie in den Vorjahren die anderen den Ort des Erinnerns.

Die zahlreichen Gedenkfeiern am 63. Jahrestag der Bombardierung der Stadt waren am Mittwoch weitgehend friedlich verlaufen. Nach Polizeiangaben aus der Nacht zum Donnerstag nahmen an der Gedenkveranstaltung an der Frauenkirche rund 3000 Menschen teil. Bei einer Kundgebung von Rechtsextremen wurden ungefähr 750 Teilnehmer gezählt, bei der Gegenveranstaltung von Linksautonomen versammelten sich rund 150 Menschen. Die Polizei, die das Gedenken mit 1600 Polizisten absicherte, nahm insgesamt 20 Personen in Gewahrsam.

In zwei Fällen ermittelt die Dresdner Polizei wegen gefährlicher Körperverletzung. Ein Vermummter war aus seinem Auto gestiegen und hatten einen jungen Mann mit einem Schlagstock auf den Kopf geschlagen. Der Mann musste ins Krankenhaus gebracht werden. In einem anderen Fall griffen zehn Vermummte zwei Männer und eine Frau an. Dabei wurden zwei Menschen verletzt.

dpa

Quelle: DNN-Online vom: Donnerstag, 14. Februar 2008


taz, 16. Februar 2008

Dresden steckt im Gedenk-Dilemma

Michael Bartsch

Das Gedenken an die Zerstörung Dresdens zerreißt die Stadt. Heute prallen tausende Nazis und Autonome aufeinander

Die Demonstrationen am Mittwoch seien nur das Vorspiel gewesen, meint der Dresdner Staatsschutzchef Jürgen Schär. Am heutigen Samstag erst wird er richtig Arbeit bekommen.

Seit Jahren wird Dresden durch die Erinnerung an den Tag des alliierten Bombenangriffs vom 13. Februar 1945 zerrissen, bei dem das Zentrum der Stadt fast vollkommen zerstört wurde. An den Ritualen des Gedenkens stimmt vieles nicht mehr.

Um 13 Uhr beginnt am Samstag ein Nazi-Aufmarsch mit mindestens 5.000 erwarteten Teilnehmern. Um 15 Uhr darf die Antifa ihren Protest loswerden. Dazwischen liegt der Gedenkzug der Dresdner Bürger.

Was am Wochenende in Dresden los sein wird, lässt sich nach den Ereignissen vom vergangenen Mittwoch erahnen. Am Vormittag wurden die Teilnehmer der traditionellen Kranzniederlegung auf dem Heidefriedhof mit Plakaten wie „No tears for Krauts“ begrüßt. 150 Antifa-Anhänger demonstrierten unter dem Motto „Deutsche TäterInnen sind keine Opfer“.

Geschmacklosigkeiten hier, Unerträglichkeiten dort. Unter den Zug zur Gedenkstätte haben sich wie in den Jahren zuvor NPD-Funktionäre gemischt. Ehe sie ihre Kränze ablegen können, verlassen die Offiziellen mit Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) an der Spitze demonstrativ den Friedhof.

Nur noch etwa 300 Trauergäste sind gekommen, zumeist Amtsträger, kaum noch normale Dresdner. Auch die Jüdische Gemeinde ist in diesem Jahr erstmals nicht mehr erschienen. Die Vorgänge hätten sie darin bestätigt, „dass sich hier etwas ändern muss“, sagt die Vorsitzende Nora Goldenbogen später am Nachmittag bei einer eigenen Kranzniederlegung.

Dieser Meinung sind angesichts des zunehmenden Missbrauchs des Gedenktags durch Nationalkonservative und Neonazis inzwischen viele. Tausende Polizisten und deren Fahrzeuge bestimmen seit Jahren das Stadtbild. Lediglich die mehreren tausend Dresdner vor der Frauenkirche fanden am Mittwochabend eine würdige Form des Gedenkens.

„Das Ritual muss überdacht werden“, meint Matthias Neutzner, Vorsitzender der Interessengemeinschaft 13. Februar. Friedemann Bringt vom Kulturbüro Sachsen plädiert für eine Rede auf dem Friedhof, die auch die Vorgeschichte des Angriffs auf Dresden erwähnt. Das kann sich Ralf Lunau, der Vorsitzende der Linksfraktion im Stadtrat, an diesem Ort hingegen kaum vorstellen. Dezentrale Gedenkveranstaltungen und die verstärkte Einbeziehung von Schulen hält er für einen besseren Ausweg aus dem Dresdner Dilemma.

Geht es nach Sachsens Justizminister Geert Mackenroth (CDU), hätte die Stadt vom kommenden Jahr an seine Probleme am Gedenktag los. Das Kabinett hat ein neues Versammlungsgesetz auf den Weg gebracht, mit dem Versammlungen an heiklen Orten und Tagen verboten oder unter strenge Auflagen gestellt werden sollen.


21. Februar 2008
Jüdische Allgemeine Nr. 8/08
Gemeinden
Seite 19

Konsequent gegen Rechts
Dresdner Gemeinde zieht sich vom Gedenken zum 13. Februar zurück

Von Katrin Richter

Einen Tag vor dem 63. Jahrestag der Zerstörung Dresdens hat das sächsische Kabinett den Entwurf eines neuen Versammlungsgesetzes auf den Weg gebracht und damit eine klare Beschränkung für Neonazi-Aufmärsche beschlossen. Dieser Entschluss kommt für das Gedenken an die Bombardierung Dresdens in diesem Jahr zu spät.
Am vergangen Samstag zog die Junge Landsmannschaft Ostdeutschland durch Dresden. „Sie wäre beinahe gleichzeitig zu unserem Schabbatgottesdienst an der Synagoge vorbeimarschiert“, sagt Nora Goldenbogen, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Dresden. Der Gottesdienst, zu dem viele Dresdner gekommen waren, sollte ein Zeichen setzen gegen die schleichende Vereinnahmung des Gedenktages durch rechtsextreme Gruppen.
Die Demonstrationen der Neonazis beschäftigen die kleine Gemeinde jedes Jahr von Neuen:
Die Route, die von der Stadt mit schöner Regelmäßigkeit genehmigt wird, führt direkt an der Synagoge vorbei. Daran habe sich nichts ändern lassen, sagt die stellvertretende Pressesprecherin der Stadtverwaltung, Heike Großmann. Da vom ursprünglichen Demonstrationsantrag keine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausging, seinen der Stadt rechtlich die Hände gebunden.
Das „Bündnis für Demokratie“ organisierte eine Gegendemonstration mit dem Titel „Geh denken“. „Die Teilnehmer waren so couragiert, auf der Brücke stehen zu bleiben, so dass die Neonazis nicht weitermarschieren konnten.“, sagt Goldenbogen. Zivilcourage, die die Gemeindevorsitzende sehr beeindruckt hat. Auch die Jüdische Gemeinde wehrte sich und zog sich am 13. Februar vom gemeinsamen stillen Gedenken auf dem Heidefriedhof und der Kranzniederlegung zurück. „Es ist uns schon in den vergangenen Jahren schwer gefallen daran teilzunehmen“, sagt Goldenbogen. Das Problem: Neben der wachsenden Präsenz von Neonazis ist das stille Gedenken verschiede auslegbar. „So gedenken die einen dessen, was sie den alliierten Bobenholocaust nennen, und die anderen gedenken ihrer Angehörigen.“
Eine Situation, mit der Nora Goldenbogen höchst unzufrieden ist. Die Gemeinde legte deswegen ihren eigenen Kranz zum Gedenken der Opfer, unter denen auch Juden waren, nieder. Das wiederum hatte zur Folge, dass es E-Mails von rechtsgerichteten Gruppen mit dem Tenor gab, die Jüdische Gemeinde boykottiere das Gedenken.
Der erste Oberbürgermeister Dresdens Lutz Vogel sagt, der öffentliche Raum müsse verteidigt werden. Wie das genau geschehen soll, das wollen jetzt Goldenbogen und Vogel jetzt in einem Gespräch klären.


Freitag, 22. Februar 2008
(Sächsische Zeitung)

„Missbrauch des Erinnerns ausschließen“
Von Thilo Alexe
Um Rechtsextreme am 13. Februar auszugrenzen, wollen Parteien und Vereine das Gedenken auf dem Heidefriedhof umgestalten.

Gedachten der Toten: Landtagsvizepräsidentin Regina Schulz, Rathauschef Lutz Vogel und Ministerpräsident Georg Milbradt (hinten).Foto: Steffen Füssel

In der Dresdner Kommunalpolitik beginnt eine Debatte um das Gedenken an die Zerstörung der Stadt am 13. Februar 1945. Politiker linker Fraktionen wollen die Totenehrung auf dem Heidefriedhof anders gestalten. Ziel ist es, die Präsenz Rechtsextremer, die auch in diesem Jahr Kränze an der Gedenkmauer niederlegten, zu unterbinden.

„Es sollte verhindert werden, dass Rechtsextreme dort im Block aufmarschieren können“, sagte der Fraktionschef der Linken, André Schollbach. In Kürze will er einen Antrag seiner Fraktion der Öffentlichkeit vorstellen. Die Linken plädieren für „räumliche und zeitliche“ Änderungen bei den Ehrungen. Wie die genau aussehen sollen, lassen sie derzeit allerdings noch offen.

Distanzierung gefordert

Ähnlich die Grünen. „Wir müssen überlegen, auf welche Weise sich die Stadt von dem Missbrauch des Gedenktages durch rechtsextreme Kräfte eindeutig distanzieren kann. Bis zum Gedenken im nächsten Jahr sollte eine Form des Erinnerns gefunden werden, die nicht missbraucht werden kann“, betonte Fraktionschefin Eva Jähnigen. Viel konkreter wurde sie nicht und ergänzte lediglich: „Ein weiteres Thema, dem sich der Stadtrat stellen muss, ist eine grundsätzliche Neugestaltung des Gedenkortes auf dem städtischen Heidefriedhof.“

Die Zurückhaltung der Stadträte dürfte vor allem eine Ursache haben: Bei dem heiklen Thema will niemand vorpreschen und andere verprellen. Denn ein Streit der demokratischen Kräfte um die Gedenkfeier dürfte, darin sind sich alle einig, lediglich den Rechtsextremen nützen.

Gespräche mit dem Freistaat

Weniger diplomatisch gibt sich dagegen der Verein „Bürger Courage“. Der Vorsitzende des „Freundeskreises gegen rechtsextremes Denken“, Christian Demuth, kritisierte, „dass es sich Persönlichkeiten wie Ministerpräsident Georg Milbradt und Oberbürgermeister Lutz Vogel weitgehend wortlos bieten lassen, dass neben ihnen die NPD Kränze mit der Schleifenaufschrift ‚Bombenholocaust’ niederlegt“. Vogel selbst plant eine Veränderung des Gedenkens auf dem Friedhof und will dazu Kontakt mit dem Freistaat aufnehmen. Bis erste Gespräche gelaufen seien, werde er sich nicht äußern, sagte seine Sprecherin.

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