„Schadensbericht“ – Bilanz der Angriffe von Nazis und Polizeiaktionen für Linke und alternative Projekte

Aufgrund der Vielzahl von Vorkommnissen und der entsprechenden Gerüchte dazu, haben wir uns die Zeit genommen, allen Vorfällen auf den Grund zu gehen und eine Auflistung darüber zu erstellen. Wir hoffen, damit die zahllosen Nachfragen zu diesen Themen beantworten zu können.

Darüberhinaus zeigt die Auflistung, mit welchen Mitteln die Nazis bereits vor dem 13. begonnen haben ihre Rache zu üben und gibt einen Ausblick auf die zu erwartenden weiteren Angriffe. Denn es ist zu befürchten, dass die Liste mit dem Brandanschlag in der Nacht zum 18.2. in Pirna nicht zu Ende sein wird.

Angriffe auf Linke und alternative Projekte im Zusammenhang mit dem 13. Februar 2010

Nacht zum 12.2.: linkes Hausprojekt Robert-Matzke-Str. in Dresden-Pieschen
Ein
Fenster in der zweiten Etage wurde mit einer leeren Bierflasche
komplett durchgeschossen. Zwei Schwarzkapuzen rannten weg und stiegen
an der nächsten Kreuzung in ein Auto mit zwei weiteren Nazis. Es wurde
Anzeige erstattet.

Nacht zum 13.2.: alternatives Kulturprojekt "Die Praxis" in Dresden-Löbtau
20-30
Nazis vermummt mit Schlagwerkzeugen, flankiert von 2 Autos mit
abgeschraubten Nummerschildern kommen auf "Die Praxis" zu.
Glücklicherweise wurden sie bemerkt und BewohnerInnen und Gäste rannten
ihnen trotz Unterzahl sofort entgegen, woraufhin die Nazis, wohl von
der Reaktion überrascht, "wie die Hasen gerannt sind". Niemand wurde verletzt.

Nacht zum 13.2.: Jugendhaus Roter Baum in Dresden-Pieschen
Ein Sprengkörper wurde aus einem Auto auf das Gelände geworfen.

13.2. früher Nachmittag: Chemiefabrik
Zwei
Reisebusse mit Nazis die auf der Hansastraße nicht zum Bahnhof
durchgekommen sind, steigen aus und laufen die Großenhainer Straße
zurück, drücken am Großenhainer Platz ein Tor mit einem Aufkleber der
Linken auf, gelangen so in das Gelände der Chemiefabrik und greifen auf
dem Hof, wo sich auch eine Vokü befindet, Leute an. Schlimmeres durch Gegenwehr und die
Polizei verhindert.

13.2. während der Blockaden: Äußere Neustadt und Hechtviertel mit AZ Conni
siehe Extra-Abschnitt

Am Abend des 13.2.: Pirna, Innenstadt
Nazispontandemo
mit mehreren hundert Nazis entglasen und verwüsten ein SPD-Büro, ein
Mitarbeiter war anwesend und konnte sich in den hinteren Bereich
zurückziehen.

Nacht zum 14.2.: alternatives Kulturprojekt "Die Praxis" in Dresden-Löbtau
Weiterer
Angriff von Nazis mit Steinen. Angreifer wurden nach kurzer
Auseinandersetzung in die Flucht geschlagen, keine Schäden an der
Praxis.

Nacht zum 17.2.: Pirna, Innenstadt
Ein Jugendlicher wird als "Zecke" beschimpft und von Nazis erheblich im Gesicht verletzt.

Nacht zum 18.2.: Pirna
Das
Auto eines bekannten Linken wird mit einem Stoffballen unterhalb des
Tankdeckels in Brand gesteckt und brennt vollständig aus. Es entstanden
7000 Euro Schaden. Bereits am 12.2. machte ein bekannter Nazis Fotos
von dem Auto und spionierte das Grundstück aus.
Quelle: www.lutz-richter.eu

Situation in der Äußeren Neustadt und im Hechtviertel am 13. Februar 2010

Die
beiden aktivsten Viertel, in denen sich das alternative Leben in
Dresden abspielt, sind die Äußere Neustadt und das Hechtviertel. Beide
Viertel befinden sich in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs Neustadt. Die
Strategie der Dresdner "Sicherheit"sbehörden, den Naziaufmarsch dort
beginnen zu lassen, lief also wissentlich darauf hinaus, genau die
Menschen und Projekte in diesen Vierteln zu gefährden. Und es kam wie
es kommen musste.

Durch die Blockade der Hansastraße /
Großenhainer Straße waren die großen Autobahnzubringer dicht. Die Nazis
stiegen am Wilden Mann aus den Bussen, es bildete sich mit der Zeit ein
2000er Nazimob, der zum Bahnhof geleitet werden sollte – doch wo
entlang?

Am Bischofsweg/Ecke Königsbrücker Straße (Schauburg)
befand sich zu diesem Zeitpunkt mit nur einigen hundert TeilnehmerInnen
die kleinste Blockade, die ohnehin bereits seit Mittag Stress mit
angreifenden Nazis hatte. Immer wieder gelangten Nazibusse direkt an
die Blockade, deren Insassen die Auseinandersetzung suchten,
beispielsweise drei fehlgeleitete Nazibusse aus Schmalkalden und
Brandis. Gezielt griffen die Nazis Menschen an, die auf der Straße
saßen oder dorthin wollten. Im Zuge der Verteidigung gegen die Nazis,
konnte der friedliche Aktionskonsens nicht weiter eingehalten werden.

Dennoch
bildete sich wieder ein harter Kern verketteter Sitzblockierer auf der
Kreuzung vor der Schauburg. Doch als nächstes wurde diese Blockade nun
von der Polizei angegriffen – mit Gewalt, Pfefferspray und schließlich
Wasserwerfern geräumt – bei Minusgraden! Die Lage eskalierte.
AnwohnerInnen, die den Nazis dennoch den Weg versperren wollten,
räumten ihre Mülltonnen auf die Straße, die teilweise Feuer fingen, die
Auseinandersetzungen mit der Polizei zogen sich bis weit in die Äußere
Neustadt hinein.

Dann kamen die 2000 Nazis die Hechtstraße
herunter – eine Parallelstraße entfernt vom Alternativen Zentrum.
Natürlich blieben die Nazis nicht zusammen, sondern kleinere und
größere Gruppen bewegten sich im Umfeld, immer wieder kam es zu
Zusammenstößen zwischen Nazis und Linken. Auch in der direkten Nähe des
AZ Conni kam es zu Auseinandersetzungen, Schaden am AZ selbst konnte
jedoch verhindert werden. Im Zusammenhang mit diesen Vorfällen kam es
auch zu Informationen über einen Schwerverletzten. Das ist darauf
zurückzuführen, dass eine Person durch einen Schlag auf den Kopf das
Bewusstsein verloren hatte und ins Krankenhaus gebracht werden musste.
Die Person wurde aber bald wieder entlassen.

BewohnerInnen des
Hechtviertels, darunter viele Hippies, aber auch linke AktivistInnen,
stellten sich immer wieder mit dem Mut der Verzweiflung gegen die
Nazis. Es wurden Parolen gerufen, Haushaltsgegenstände aus den Fenstern
geworfen, Aschekästen auf die Nazis entleert, etc.  Aber auch wenn sie
von den Nazigruppen zum Rückzug gezwungen wurden, kamen sie wieder –
"bekifft aber beharrlich" wie ein Anwohner beschrieb – nahmen, was
ihnen in die Finger kam, um zu verhindern, dass die Nazis ungehindert
in ihrem Viertel Menschen angreifen und zum alternativen Zentrum
ziehen.

Ja, es bot sich den Nazis, die durch das Hechtviertel
zogen ein Bild der Verwüstung, da es an etlichen Stellen brannte. Doch
wer hätte die Nazis sonst im Zaum gehalten? Ein Polizist, in dieser
Situation im Hechtviertel darauf angesprochen, wo die Polizeibegleitung
für die Nazis ist, antwortete nur: "Wer sich in die Hölle begibt, muss
damit rechnen, zu sterben."

Siehe auch Bericht von addn.me

Statistik vom Ermittlungsausschuss zum 13. Februar 2010

Der
EA hat sich um 24 Festnahmen/Gewahrsamsnahmen gekümmert. Darunter war
vereinzelt Körperverletzung, Landsfriedensbruch und Sachbeschädigung.

Statistik der Sani-Koordination

Am 13. Februar waren ca. 50 SanitäterInnen, darunter vier NotärztInnen im Einsatz.
Die Sanitätsdienste behandelten ca. 100 Personen. Der Behandlungsbedarf reichte von Ohnmachtsanfällen und Pfeffersprayschädigungen über Schürf-, Riss- und Schnittwunden bis hin zu Knochenbrüchen. Entgegen vorherschender Gerüchte über einen Schädelbasisbruch, kann von den Sanitätsdiensten nur ein Verdacht auf Schädelhirntrauma bestätigt werden. Insgesamt mussten mindestens vier mal Rettungswägen gerufen werden, welche zum Teil mit extremer Verspätung oder aus ‚Selbstschutz‘ gar nicht zum Rufort kamen.

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