Indymedia-Feature: 13./14.2.2009 – Werden sie durchkommen?

Das diesjährige Indymedia-Feature von uns erscheint mit einem umfassenden Text zur Geschichte des 13. Februar, insbesondere der Geschichte des Gedenkens, der Naziaufmärsche und der Gegenaktivitäten.


Dresden: 13./14. Februar 2009 – Werden sie durchkommen?

Tausende Neonazis wollen auch diese Jahr wieder durch Dresden marschieren. Wie in jedem Jahr sollen damit die alliierten Luftangriffe auf eine Stufe mit der Shoa gestellt werden.
Der 13. Februar 1945, ein einschneidendes Ereignis in der Stadtgeschichte und auch darüber hinaus weltweit rezipiert, ist auch Jahrzehnte nach dem Krieg in Dresden ein großes Thema. Eine Historikerkommission musste einberufen werden, um den zahlreichen Mythen zu begegnen.
Langsam aber sicher tut sich in Dresden was, das Gedenken in der Stadt verändert sich und während man sich bereits in den letzten Jahren immer deutlicher von den Nazis zu distanzieren suchte, ist in diesem Jahr auch mit einem wirksamen und breiten Protest von Bürgern zu rechnen. Auch Antifaschisten mobilisieren wesentlich intensiver zu Protesten. Eines steht fest, noch nie waren die Chancen den Naziaufmarsch zu verhindern so groß wie in diesem Jahr.

links: Mobivideo | Demotraining in Dresden (9.2.) | Ostsachsen mobilisiert nach Dresden (9.2.) | aus dem Auflagenbescheid (5.2.) | 13./14. Februar – der aktuelle Stand (3.2.) | Übersicht zum 13. Februar (1.2.) | Mit einem Handy und ein bisschen Mut… (21.1.) | Feature vom letzten Jahr mit links zu den Jahren zuvor

Technix: Treffpunkte und Infos für den 13./14. Februar | Infoveranstaltungen und Anreiseinfos | Karte für den 14.2.

Hinweis: Aufgrund der noch laufenden Klagen werden die endgültigen Treffpunkte vermutlich erst am Freitagabend feststehen. Nutzt WAP-Ticker und Aktionsradio.

Vorbereitungsbündnisse: No pasarán – bundesweite Antifademonstration 14.2 | Keine Versöhnung mit Deutschland – Kundgebung | Geh Denken – bürgerliche Gegendemonstrationen

Hintergrund – Was war passiert?

Am 13. und 14. Februar bombardierten britische Luftstreitkräfte in zwei Angriffswellen die Dresdner Innenstadt. Dabei wurde ein Großteil der Innenstadt zerstört und 18.000 – 25.000 Menschen kamen ums Leben. Damit gehört diese Bombardierung zu den schwerwiegendsten Luftangriffen während des zweiten Weltkrieges. Der Luftangriff erfolgte nach der area bombing directive der British Royal Airforce und war Teil der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und den Alliierten während des zweiten Weltkrieges. Dresden war zu dieser Zeit der wichtigste Verschiebebahnhof für die näher rückende Ostfront und militärische Industriestadt mit großen Rüstungsbetrieben und Kasernen in den Vorstädten aber gleichzeitig auch Lazarettstadt. Obwohl die US-amerikanischen Luftstreitkräfte in einer dritten Angriffswelle gezielt dern Verladebahnhof Friedrichstadt angriffen, rollte nur wenige Tage nach den Bombardierungen der Zugverkehr wieder durch Dresden.

Von Beginn an entstand der Mythos von einer einzigartigen und unschuldigen Stadt, die plötzlich vernichtet wurde. Rasch verbreiteten sich mit eifrigem Zutun der Goebbelschen Propagandamaschinerie Zahlen von mehreren Hunderttausend Toten um die Welt und Dresden wurde neben Hiroshima zum Symbol für eine einzigartige Katastrophe in der Geschichte des zweiten Weltkrieges. (mehr) Nach der Bombardierung war das öffentliche Leben in Dresden zusammen gebrochen und für die Bevölkerung war das Ereignis ein Schock, der wesentlich zur Ernüchterung und zur Senkung der Moral beitrug.
Durch die Bombardierung starben auch etwa 400 deutsche und tschechische Widerstandskämpfer im Gefängnis in der Mathildenstraße sowie 40 Jüdinnen und Juden als das Judenhaus nahe der Frauenkirche getroffen wurde. Gleichzeitig war die Bombardierung aber auch die Rettung für einige politische Gefangene als das Gestapo-Gefängnis am Münchener Platz getroffen wurde und auch viele der noch lebenden Juden konnten in den Wirren der Bombardierung untertauchen und so der bevor stehenden Deportation entgehen. Bekannteste Beispiele sind Viktor Klemperer, Henny Brenner und die Großkusine Kurt Tucholskys Brigitte Rothert.

Das Gedenken

Aufgrund der Vielschichtigkeit dieses Ereignisses war das Gedenken von Anfang an umstritten und wurde bzw. wird politisch unterschiedlich gedeutet und instrumentalisiert. Vor dem Ende des Krieges wurde Dresden als Anklage gegen die Kriegsführung der Alliierten genutzt, die auch in neutralen Ländern Anklang fand und die Alliierten moralisch unter Druck setzte. In den ersten Jahren nach dem Krieg wurden dahingehende öffentliche Bekundungen durch die Rote Armee unterbunden. Dagegen herrschte in den öffentlichen Verlautbarungen durch die neue kommunistische Stadtverwaltung eine antifaschistische Deutung des Geschehens vor, in der die Nazis für die Katastrophe verantwortlich gemacht wurden.

Im Zuge des sich verschärfenden Ost-West-Konflikts wurde die Bombardierung von der DDR-Führung zum Symbol für den angloamerikanischen Luftterror erklärt und mit dem Korea- und später dem Vietnamkrieg in Zusammenhang gestellt. In einem am 13. Februar 1960 veröffentlichten Appell der Bevölkerung Dresdens an die friedliebenden Menschen der Welt wurden nun als schuldig an der Zerstörung Dresdens die westdeutschen Militaristen benannt. Es hieß in diesem Appell: „Die zehntausenden Toten unserer Stadt, Millionen Kriegsopfer aller Länder mahnen uns: Nicht zum dritten Mal darf es den westdeutschen Militaristen gelingen, das Leben von vielen Millionen Menschen zu vernichten.“ (Quelle)
Gleichzeitig wurde auch nach wie vor der Deutsche Faschismus für die Bombardierung verantwortlich gemacht, dessen Kontinuität man in westdeutschen Regierung ausmachte. Obwohl bereits 1946 eine vom sowjetischen Stadtkommandanten einberufene Kommission unter dem damaligen Dresdner Oberbürgermeister Walter Weidauer eine Totenzahl von 35.000 feststellte und diese Zahl auch offiziell bis zum Ende der DDR galt, wurden immer wieder auch von DDR-Offiziellen übertriebene in die Hunderttausende gehende Opferzahlen verbreitet und trugen so zur Verfestigung des Mythos Dresden bei.

Im Westen gab es konkurrierende Deutungen der Bombardierung Dresdens. Während Götz Bergander 1977 seine relativ sachliche Monografie „Dresden im Luftkrieg“ veröffentlichte, prägte, der inzwischen als Holocaustleugner bekannt gewordene, englische Laienhistoriker David Irving die Geschichtsschreibung. Letzterer ging aufgrund der gefälschten Dokumente aus dem Goebbelsschen Propagandaministerium von mehreren Hunderttausend Toten aus, und revidierte auch nach dem Nachweis der Fälschung der Dokumente bis heute nicht seine Meinung.
Auch in die deutsche Linke fand seine Darstellung eingang, wie ein Artikel von Ulrike Meinhof in der konkret aus dem Jahr 1965 zeigt. In dem unkritisch die hohe Totenzahl übernommen wurde, um daraus ebenso wie im öffentlichen Diskurs in der DDR eine Anklage der westlichen Alliierten zu konstruieren. Nazis berufen sich deshalb auch immer wieder gern auf diesen Artikel um sich in ein moralisch besseres Licht zu rücken.

Im Zuge der Entspannung zwischen Ost und West fanden ab der 70er Jahre in der DDR keine Großkundgebungen anlässlich der Bombardierung mehr statt und auf dem Heidefriedhof (auf dem sich die zentrale Gedenkstätte für die Opfer der Bombardierung befindet) wurde das stille Gedenken eingeführt. In den 80er Jahren belebte die oppositionelle Friedensbewegung in der DDR die Großkundgebungen in wieder. Diesmal wurde Dresden als Mahnmal gegen Krieg und Zerstörung und für Frieden begriffen. Zentrales Symbol war dabei die Ruine der Frauenkirche, an der bis heute auch nach dem Wiederaufbau 2005 die offizielle Gedenkveranstaltung der Stadt und der Kirchen am 13. Februar in Dresden stattfindet. Daraus ging die bis heute vor allem in kirchlichen Kreisen währende Tradition im offiziellen Gedenken in Dresden hervor, dass der 13. Februar im Zeichen des Friedens und der Versöhnung begangen wird.
1985 fand sich ein Kreis interessierter Bürger zusammen, der sich mit der Geschichte genauer beschäftigen wollte und anfangs vor allem Augenzeugenberichte sammelte. Aus dieser ging die Interessengemeinschaft 13. Februar 1945 hervor, die bis heute maßgeblich den offiziellen Diskurs um das Gedenken in der Stadt bestimmt.

Nach dem Fall der Mauer wurden die vorher oppositionell geprägten Veranstaltungen zu Massenveranstaltungen. Am 13. Februar 1990 versammelten sich Zehntausende Dresdner vor der Frauenkirche um an die Bombardierung der Stadt zu erinnern. Während die offiziellen Veranstalter allen voran die Kirchen versuchten das Gedenken in den historischen Kontext einzuordnen und auf die Verbrechen Nazideutschlands hinwiesen und weiterhin an Frieden und Versöhnung als Thema festhielten, tauchte immer wieder Forderungen auf wie „Die Verbrecher am deutschen Volk gehören auf die Anklagebank“. Die Katastrophe der einzigartigen Stadt gewann im öffentlichen Diskurs schnell die Oberhand und wurde verstärkt Teil nationaler und internationaler Diskurse. Im Kulturpalast wurde der Holocaustleugner David Irving für sein krudes Geschichtsbild von ca. 500 Dresdnern mit standing ovations gefeiert. Da er als vorgeblicher Historiker den Mythos Dresden scheinbar fundiert untermauerte.

Zum 50. Jahrestag 1995 wurde Dresden zum nationalen Gedenkort. Während der zentralen Gedenkstunde hielt auch der damalige Bundespräsident Roman Herzog eine Gedenkrede. Die Eröffnung wurde damals von Antifaschisten mit „Nie wieder Deutschland“-Rufen und einer Transparentaktion gestört. Im selben Jahr fanden anlässlich des Jahrestag der Bombardierung die Dresdner Musikfestspiele unter dem Motto „Apokalypse“ statt, was exemplarisch deutlich macht, wie stark der Mythos Dresden in der Öffentlichkeit verankert war. Im Programmheft schreibt der Intendant dazu: „1995 jährt sich zum fünfzigsten Mal das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Zerstörung Dresdens, jenes apokalyptische Ereignis, das wie kein zweites zum Symbol des Untergangs, des Grauens und des Leidens wurde, das jener Krieg über die Menschheit brachte.“ (Quelle)

Nach 1995 begann das Geschichtsbild sich durch fundierte Erkenntnisse aus der geschichtlichen Forschung zu differenzieren. Bereits 1994 erschien das Buch „Verbrannt bis zur Unkenntlichkeit – Die Zerstörung Dresdens 1945“. Im vom Museum für Stadtgeschichte heraus gegebenen Buch war bereits die Rede von maximal 25.000 Opfer der Bombardierung und es gab auch eine kritische Aufarbeitung der Rezeption der Bombardierung während des Dritten Reich und in der DDR. 1998 erschien das Buch „Dresden unterm Hakenkreuz“ von Reiner Pommerin, der damals eine Geschichtsprofessur an der TU Dresden inne hatte. Darin fand sich neben der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit auch ein Artikel zur Bombardierung Dresden, welches dieser mit einem Zitat des vor den Nazis aus Deutschland geflüchteten Thomas Mann bezüglich der Bombardierung Lübecks abschloss:
„Beim jüngsten britischen Raid über Hitlerdeutschland hat das alte Lübeck zu leiden gehabt. Das geht mich an, es ist meine Vaterstadt. Die Angriffe galten dem Hafen, den kriegsindustriellen Anlagen, aber es hat Brände gegeben in der Stadt, und lieb ist es mir nicht, zu denken, daß die Marienkirche, das herrliche Renaissance-Rathaus oder das Haus der Schiffergesellschaft sollten Schaden genommen haben. Aber ich denke an Coventry – und habe nichts einzuwenden gegen die Lehre, dass alles bezahlt werden muss.“

Im selben Jahr wurde auch das Buch von Götz Bergander von 1977 neu aufgelegt. In den öffentlichen Diskurs fand das alles nur nach und nach Eingang. Erst im Zuge der immer größer werdenden Naziaufmärsche und dem damit verbundenen Bedürfnis nach Abgrenzung zu denselben, gab es wahrnehmbare Veränderungen im bürgerlichen Gedenken. Im Jahr 2000 wurde der Historiker Helmut Schnatz, der nachwies, dass es keine Tiefflieger gegeben haben kann, auf seiner Buchvorstellung von empörten Dresdner Bürgern kritisiert, die sich vor allem dagegen verwahren wollten, dass irgendwelche Auswärtigen, die nicht den bisherigen Diskurs bestätigen, sich in die Stadtgeschichte einmischen.

Im Jahr 2004 wurde dann jedoch auch Helmut Schnatz vom damaligen Oberbürgermeister Ingo Roßberg mit einigen weiteren Historikern in die Historikerkommission einberufen, die sich endgültig und offiziell mit den Geschehnissen am 13./14. Februar in Dresden auseinandersetzen sollte. Im Zuge dessen wurden viele Legenden die sich um die Bombardierung Dresdens wissenschaftlich widerlegt. Insbesondere die Opferzahlen, um die lokal, national und international am meisten gestritten wurde, sind jetzt auf mindestens 18.000 und maximal 25.000 bestimmt worden. Im Jahr 2005 erschien dann von Matthias Neutzner, der gleichzeitig der Vorsitzende der Interessengemeinschaft 13. Februar ist, das anerkannte Buch Das rote Leuchten – Dresden und der Bombenkrieg. In dem Buch wurde ebenfalls die Rezeption des Gedenkens kritisch beleuchtet und der Mythos Dresden widerlegt.

Vor und während des Supergedenkjahrs 2004/2005 60 Jahre nach dem Kriegsende und der Befreiung von Auschwitz geriet auch Dresden und die Bombardierung deutscher Städte verstärkt in den Fokus der nationalen Öffentlichkeit. Bereits 2002 erschien das Buch „Der Brand“ von Jörg Friedrich, das auf der einen Seite eine der umfassendsten Monografien zum alliierten Bombenkrieg gegen Deutschland ist, aber auf der anderen Seite im Sprachgebrauch die Bombardierungen in die Nähe der Shoa rückt und allgemein die Opferzahlen großzügig nach oben gerundet angibt. Im Zuge dessen wurde der vermeintliche Tabubruch inszeniert, dass man jetzt auch mal über die deutschen Opfer reden müsste. Obwohl man am Beispiel Dresdens sehen kann, dass von Beginn an den Opfern der Bombardierung gedacht wurde.

Ein anderes widerlegendes Beispiel ist die Gedenkkultur in Hamburg, welches exemplarisch für den Umgang mit der Bombardierung in Westdeutschland steht. In derselben Zeit erschienen auch große Dokumentationen über Flucht und Vertreibung der Deutschen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, während gleichzeitig auch die Erinnerung an die Verbrechen der Deutschen unter anderem mit der Chiffre Auschwitz unter Kanzler Schröder Staatsraison wurden. Kritiker beanstandeten, dass die Opfer der Bombardierung Dresdens wurden als deutsche Opfer Teil eines offiziellen Diskurses um den Zweiten Weltkrieg und die Shoa in dem allen – Tätern wie Opfern – gleichermaßen Leid widerfahren sei. Wiederum andere gehen auf die zunehmend differenzierten Opfer-Täter-Diskurs ein und sehen darin die Entwicklung einer neuen deutschen Identität, in der auch der offizielle kritische Umgang mit der eigenen Geschichte zur kollektiven Identität des Staates beitragen kann.

In den letzten Jahren hat sich in Dresden im lokalen Gedenken wieder der kirchliche Diskurs aus den 80er Jahren durchgesetzt. Alle öffentlichen Protagonisten betonen das Thema Frieden und Versöhnung und auch der historische Kontext und die Erinnerung an die Verbrechen der Deutschen werden wieder stärker im Gedenkdiskurs betont. In diesem Jahr wurde der von der Interessengemeinschaft 13. Februar erarbeitete Rahmen für das Erinnern auf Antrag der Partei die Linke vom Stadtrat als verbindlich für die Stadt beschlossen. Dass der Stadtrat gezwungen war zu handeln, lag nicht zuletzt am stillen Gedenken auf dem Heidefriedhof. Dort findet seit den 50er Jahren die offizielle Gedenkveranstaltung der Stadt mit Kranzniederlegung und ab den 70er Jahren mit stillem Gedenken statt.

Seitdem nun das nationale Bündnis 2004 in den Stadtrat und die NPD in das Landesparlament gewählt wurde, nahmen diese hochoffiziell am Gedenken auf dem Heidefriedhof teil. Seit 2006 gab es deshalb regelmäßig Proteste von Antifaschisten vor dem Heidefriedhof. 2008 beschloss die jüdische Gemeinde nicht mehr an der offiziellen Veranstaltung auf dem Heidefriedhof teilzunehmen und legte erst am Nachmittag einen Kranz ab. In diesem Jahr wird es kein offizielles Gedenken mehr mit den Nazis am Heidefriedhof geben. Vermutlich wird das Protokoll so geändert, dass nur noch Landesregierung, Oberbürgermeister und geladende Gäste am Gedenken teilnehmen dürfen. Beim bürgerlichen Anti-Nazi-Bündnis Geh Denken gibt es Überlegungen sich stattdessen einer Veranstaltung der Evangelischen Kirche und des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. anzuschließen. (Quelle)

Naziaktivitäten

Im Zusammenhang mit dem 13. Februar traten die Nazis erstmals 1998 in Erscheinung. Damals versuchten 30 bis 40 Nazis unangemeldet zur Frauenkirche zu marschieren, wurden aber von der Polizei abgefangen und stundenlang eingekesselt. Im folgenden Jahr wurde von der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen ein Fackelmarsch in den Abendstunden des 13. Februar angemeldet an dem sich etwa 200 Nazis beteiligten. Bis 2003 blieb es dabei, dass die JLO am 13. Februar einen Aufmarsch anmeldete, an dem jedes Jahr mehr Nazis teilnahmen. 2003 waren es bereits 1000 Nazis. 2004 wurde der Aufmarsch erstmals nicht am 13. Februar sondern am 11.02. dem Sonnabend davor durchgeführt, damit auch Nazis mit längeren Anreisewegen daran teilnehmen konnten. Das Konzept ging auf und 2100 Nazis zogen, von einem schwachen Polizeiaufgebot begleitet, durch die Stadt.

Anlässlich des 60. Jahrestages der Bombardierung am 13. Februar 2005, der zufällig auf einen Sonnabend fiel, erreichte die Mobilisierung der Nazs ihren bisherigen Höhepunkt und etwa 6500 Nazis folgten dem Aufruf zum Großaufmarsch. Nachdem 2006 ein ähnlicher Aufmarsch mit etwas geringerer Teilnehmerzahl durchgeführt wurde, kam es 2007 zum Bruch. Einige Nazis aus dem Umfeld der lokalen Freien Kameradschaften kritisierten, dass der Großaufmarsch inzwischen zu einer NPD-Wahlkampfveranstaltung verkommen wäre und mit dem wahren Gedenken nicht mehr viel zu tun hätte. Dazu muss man wissen, dass anfangs der Naziaufmarsch in der Stadt bestenfalls ignoriert wurde und sich im Gegenteil auch einige der Bürger den Nazidemonstrationen anschlossen.

Noch 2002 konnte man in einer großen Dresdner Tageszeitung über den Naziaufmarsch lesen, dass 800 Bürger eine Gedenkdemonstration anlässlich der Bombardierung Dresdens durchgeführt hätten. Mit der zunehmenden Abgrenzung von Seiten der Bürger und der Stadt blieben die Nazis immer mehr unter sich. Die Neonazis erhofften sich durch einen Aufmarsch am Abend 13. Februar der unter der Woche stattfand, ohne Rücksicht auf Nazis von weiter weg, wieder eine größere Nähe zum bürgerlichen Gedenken und einen ungestörteren Aufmarsch. Die Affinität zu Fackelaufmärschen in den dunklen Abendstunden, dürfte auch eine Rolle gespielt haben. Diese Rechnungen gingen aber weitgehend nicht auf. Auch die seit 2007 jedes Jahr stattfindende Aktionswoche der Neonazis, die aus Schnipselwerfen, Die-in, Kerzenflößen und Saalveranstaltung stattfindet, fand wenig Anklang in der Öffentlichkeit.

Im Jahr 2008 gab man sich versöhnlich und veranstaltet zwei Aufmärsche. Einen am 13. Februar unter der Woche, der von ca. 1000 Nazis besucht wurde und einen am Sonnabend danach an dem etwa 4500 Nazis teilnahmen. In diesem Jahr wird das gleiche Konzept gefahren, am Freitag dem 13. Februar gibt es einen Naziaufmarsch organisiert von Freien Kräften und am Sonnabend der vor allem von der NPD getragene Großaufmarsch der JLO. Es ist zu erwarten, dass bereits am Freitag etwa 2000 Nazis aufmarschieren werden. Für den Sonnabend erwarten die Nazis, anscheinend angespornt durch die antifaschistischen Gegenmobilisierungen, mehr als 10.000 zu werden. Beobachter rechnen aber nicht mit mehr als 8000 anreisdenden Nazis.

Inhaltlich ist die Mobilisierung der Nazis dadurch geprägt, dass man der deutschen Opfer gedenken will, an die angeblich sonst niemand denkt. Die Zahlen werden bewußt hochgespielt um einen angeblichen Massenmord am deutschen Volk zu beweisen und fordern Rache und Vergeltung für Dresden. Gleichzeitig soll damit die Shoa relativiert werden, indem Begriffe wie „Bombenholocaust“ verwendet werden und öffentlich als Tabubruch von der NPD im sächsischen Landtag inszeniert wurden. Geprägt sind die Naziaufmärsche von einer immer zunehmenderen Gewaltbereitschaft vor, nach und während der Aufmärsche. In diesem Jahr gab es im Vorfeld im Internet soviel Gewaltaufruf gegen Antifaschisten, wie nie zuvor. Bereits seit Jahren ist der Tag für ausländische Studenten und Migranten ein Tag dem man das Haus besser nicht verlässt. (siehe Interview mit einer ausländischen Studentin auf Coloradio)

Gegenaktivitäten

Die Gegenaktivitäten waren anfangs marginal und in der Stadt isoliert. Zum einen gab es Friedensdemonstrationen, die sich als antifaschistisch verstanden und gegen Krieg im Allgemeinen standen. Zu denen aber nie mehr als 200 Teilnehmer kamen. Daneben gab es eher dezentrale Aktionen gegen den Naziaufmarsch mit kleineren Blockaden, die von der Polizei oft mit großer Brutalität aufgelöst wurden. Von Seiten der Stadt und der Bürgerschaft wurden die Nazis weitgehend ignoriert, wenn man nicht gar insgeheim mit ihnen sympathisierte.

Bundesweit vor allem ausgehend von Leipzig stand lange die Mobilisierung gegen das Gedenken im Vordergrund, wenn auch mit wenig Resonanz und Erfolg. Eine organisierte Mobilisierung gegen den Naziaufmarsch in Dresden gab es erstmal 2004 unter dem Motto „Nazitränen satt“. Dabei standen einige Hundert Antifas einer Übermacht von 2100 Nazis gegenüber und wurden von der Polizei weitgehdend von den Nazis abgeschirmt. Weitab vom Geschehen gab es auch erstmal eine bürgerliche Gegendemonstration gegen den Naziaufmarsch mit mehreren Hundert Teilnehmern.

2005 fand eine bundesweite Mobilisierung von antideutschen Gruppen unter dem Motto „No Tears for Krauts“ statt. Das Hauptziel war die Störung des Gedenkens, allerdings wurden die wenigen Versuche, das Ziel in die Praxis umzusetzen, erfolgreich von der Polizei verhindert. Der Großteil der etwa 1000 nach Dresden angereisten Antifas konzentrierten sich auf den Naziaufmarsch. Allerdings hatte auch hier die Polizei das Gebiet des Naziaufmarschs weiträumig abgeriegelt und dezentrale Konzepte gingen teilweise auch mangels Entschlossenheit nicht auf. In der Innenstadt kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Antifaschisten und an- und abreisenden Neonazis.
Als der Naziaufmarsch beendet war, verlor die Polizei völlig die Kontrolle und Antifaschisten mussten die Synagoge vor marodierenden Nazigruppen schützen, die in Gruppen von bis 150 Nazis durch die Stadt zogen. Dabei kam es auch zu solchen Szenen, dass ein dunkelhäutiger Mensch vor den Augen der Polizei angegriffen wurde, an anderer Stelle wurde ein Stand der JuSos von Nazis zerstört. Am selben Tag fand auch eine bürgerliche Gegendemonstration unter dem Motto „Geh Denken“ mit einigen Tausend Teilnehmern statt. Diese begann erst nach dem Naziaufmarsch und wurde von der Polizei vor den nach wie vor umherziehenden Nazigruppen abgeschirmt.

In den folgenden Jahren gab es bundesweite Mobilisierungen gegen den Naziaufmarsch, wo im Zuge dessen nach wie vor auch Kritik am Gedenken in Dresden geübt wurde, aber eine breitere Mobilisierung mit zentraler Demonstration gegen den Naziaufmarsch im Vordergrund stand. Dezentrale Konzepte in Dresden wurden nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre als zu wirkungslos und gefährlich eingeschätzt. 2006 konnten mehr als Tausend Antifas erfolgreich die Augustusbrücke und die Carolabrücke blockieren, so dass die Nazis umdrehen mussten und zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrten. 2007 folgten etwa 1500 Antifas und Jugendliche aus der Region einer breiten Mobilisierung, obwohl der Naziaufmarsch in der Woche stattfand, und konnten die Strecke des Naziaufmarschs durch Blockaden um die Hälfte verkürzen. Bürgerliche Gegenaktivitäten waren eine sogenannte Meile der Demokratie, die von nur wenigen Hundert Dresdnern besucht wurde.

2008 verlegte ein Teil des bisher die Gegenaktivitäten organisierenden Antifaspektrums seinen Fokus in der Mobilisierung wieder verstärkt auf verbalradikale Mobilisierung gegen das Gedenken. Gleichzeitig gab es eine größere bürgerliche Mobilisierung gegen den Naziaufmarsch dem sich in Dresden nahezu das gesamte Spektrum der Zivilgesellschaft bis auf die CDU anschloss. Die Antifaschistische Demonstration war im Vorfeld aus der Innenstadt in die Neustadt verlegt worden, aber es konnte eine Verdikundgebung am Hauptbahnhof als Treffpunkt genutzt werden. Letztendlich fanden sich am Hauptbahnhof etwa 1000 Antifas ein, die eine kurze Spontandemonstration in die Innenstadt durchführten. Die etwa 3000 Teilnehmer der bürgerlichen Gegendemonstration blockierten die Carolabrücke, so dass die Nazis nicht an der Synagoge vorbei ziehen konnten, sondern eine leicht verkürzte Route laufen mussten. (mehr siehe Feature vom letzten Jahr)

In diesem Jahr hat sich ausgehend vom Zusammenschluß „No Pasarán Dresden“ ein bundesweites Bündnis zusammengefunden um gegen den Naziaufmarsch eine antifaschistische Großdemonstration am 14. Februar zu organisieren. Dem Aufruf haben sich mittlerweile über Hundert antifaschistische Organisationen angeschlossen, auch europaweit gab es erstmals große Resonanz auf die Antifamobilisierung. Für den 13. Februar wird zu einer Kundgebung auf dem bisherigen Platz der Abschlusskundgebung der Nazis an der Trümmerfrau vorm Rathaus aufgerufen.

Ein weiterer Vorbereitungskreis mobilisiert unter dem Motto „Keine Versöhnung mit Deutschland“ zu einer Kundgebung am Abend des 13. Februar mit Auftritten der Bands egotronic und Frittenbude, sowie zu einer Kundgebung am 14. Februar.

„No Pasarán Dresden“ hat sich in diesem Jahr gegründet um eine explizit antinationale und antimilitaristische Mobilisierung zu organisieren und spricht sich gegen das Abfeiern von Kriegstoten aus. Man betont dabei aber auch, dass man Kritik an der bisherigen Ausrichtung des Gedenkens hat und spricht sich ebenso wie der Vorbereitungskreis „Keine Versöhnung mit Deutschland“ gegen eine Verdrehung von Tätern und Opfern aus. Ein Unterschied scheint sich vor allem darin zu manifestieren, dass man bei „No Pasarán Dresden“ ein Gedenken für möglich hält, bei dem keine Täter-Opfer-Verdrehung stattfindet, während für „Keine Versöhnung mit Deutschland“ jedes Gedenken an die Opfer der Bombardierung Dresdens geschichtsrevisionistisch ist. Daneben gibt es Kritik an beiden Mobilisierungen, dabei geht es vor allem darum, dass die Analyse des Zusammenhangs von Kapitalismus, bürgerlicher Gesellschaft und kollektiver Identität in Bezug auf das Gedenken bisher nicht geleistet wurde.

Das bürgerliche Bündnis gegen den Naziaufmarsch „Geh Denken“ will dieses Jahr ebenfalls bundesweit gegen den Naziaufmarsch mobilisieren. Knapp Tausend Personen aus Politik und Kultur sowie Organisationen unterstützen jetzt den Aufruf. Die Aufrufer rechnen mit etwa 15.000 Teilnehmern an ihren Gegenaktivitäten. Es werden zeitgleich mehrere Großdemonstrationen stattfinden um so viel wie möglich Leute auf die Straße zu bringen. Nachdem anfangs die CDU noch quer geschossen hatte, wurde sich jetzt darauf geeinigt, dass man sich keine Konkurrenz machen will. Die CDU setzt auf stilles Gedenken als Protest, will aber die Veranstaltungen beenden, bevor die Aktionen von Geh Denken beginnen. Neu aufgelegt wird das im Jahr 2005 erfundene Symobl der Weißen Rose welches für wahrhaftiges Erinnern und gegen Rechts- und Linksextremismus stehen soll. Eine ausführliche Kritik gibt es hier

Das Ordnungsamt versucht in diesem Jahr allen einen Teil der Innenstadt zu genehmigen. Im Rahmen dessen wurde der Naziaufmarsch an den Hauptbahnhof verlegt, während die Antifademonstration am 14. Februar am Jorge-Gomondai-Platz am Bahnhof Neustadt starten und von dort in die Innenstadt ziehen soll. Die Kundgebung des Vorbereitungskreis „Keine Versöhnung mit Deutschland“ wurde am 14. Februar an den Albertplatz in der Neustadt verlegt und soll völlig fern ab des Geschehens stattfinden. Beide Antifabündnisse haben Klage gegen diese Entscheidungen eingereicht. Mit endgültigen Entscheidungen ist erst kurz vorher zu rechnen.

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