Dokumentation der Polizeiübergriffe an der Synagoge und auf der Carolabrücke am 14. Februar 2009

In Ergänzung zur Zusammenfassung des Polizeieinsatzes, einer der Hotspots der Polizeiübergriffe im Detail, zu dem es bisher keine große Öffentlichkeit gab, oder irgendwelche Konsequenzen für die Polizei im Nachhinein (siehe parlamentarisches Nachspiel des Polizeieinsatzes): Die gewaltsame Räumung einer Kundgebung am späten Nachmittag vor der Synagoge. Die Polizei trieb hunderte DemonstrantInnen nach einer rüden Ansage mit Tränengasgeschossen und Knüppelschlägen über die Carolabrücke, auf deren Neustädter Ende ebenfalls Polizei mit Knüppeln auf die Leute losging. In Panik sprangen die Leute zum Teil das letzte Stück über das Brückengeländer, oder hielten sich daran fest, und die Polizei schlug mit Knüppeln auf die Hände.

Leider sind dazu keine Bilder oder Videos bekannt (sonst bitte melden, danke!), daher dokumentieren wir das Ganze hier mit dem Livebericht über Telefon beim Aktionsradio von ColoRadio und mittels eines Gedächtnisprotokolls. Die beim Radio anfangs erwähnte Nazispontandemo ist ein Gerücht gewesen, welches entstand, nachdem eine größere Gruppe Nazis vom Hauptbahnhof aus in Richtung Synagoge aufgebrochen war.

Aktionsradio von ColoRadio, live und vor Ort, ca. 16.43 Uhr, am Ende sind die ersten Tränengasgeschosse zu hören:

Nach einer kurzen Unterbrechung der Telefonverbindung folgt Teil 2, ca. 16.49 Uhr

Gedächtnisprotokoll

Etwa gegen 17:00 Uhr auf dem Platz angekommen, forderte uns ein etwas älterer Herr durch ein Megaphon dazu auf, zu der nahe gelegenen Synagoge zu gehen, um diese zu schützen, weil sich dort angeblich Nazis versammeln wollten. Also machten wir und ein sehr großer Teil der Demonstrantinnen auf den Weg, aber als wir ankamen fanden wir keine Nazis vor, sondern – nach ein paar Minuten – ein sehr großes Polizeiaufgebot, das uns durch Lautsprecher aufforderte, den Platz umgehend zu räumen. Die einzige Möglichkeit, den Platz zu verlassen, war der Weg über die Carolabrücke, da die anderen Fluchtwege von der Polizei versperrt wurden, deswegen konnten die ca. 400-500 (geschätzt) Demonstrantinnen nur nacheinander langsam den Platz verlassen. Den Bulln ging es allen Anschein nach zu langsam, deswegen zogen sie ohne ersichtlichen Grund plötzlich ihre Knüppel und rannten auf uns zu. Ich konnte das alles genau beobachten, da ich ziemlich nah bei den grünen Holzköppen stand. Dann brach erstmal Panik aus – alle rannten – versuchten sich über die enge Brücke zu retten – doch jedesmal wenn ich mich umdrehte, sah ich Leute stolpern und zu Boden gehen, die dann von den Bulln überrannt wurden – Leute wollten ihnen aufhelfen – bääähhmm – und bekamen selber einen in die Fresse – sogar eine Gruppe von Leuten, die bunt angezogen waren und wahrscheinlich die Anspannung etwas lockern und vermitteln wollten, wurden niedergeknüppelt. Einige Demonstrantinnen warfen mit Steinen, die auf der Eisenbahnschiene in der Mitte der Brücke lagen, aber das war nur die Reaktion auf Angst, Ungerechtigkeit & Hilflosigkeit.

Nachdem uns die Polizisten über die halbe Brücke gehetzt und schon eine Menge Schläge verteilt hatten, konnte ich am Ende der Brücke sehen, wie Flüchtende versuchten an der Stelle, an der die Brücke nurnoch etwa 2 Meter hoch war, vom Geländer zu springen, weil uns die Polizisten jetzt auch von vorne einzukesseln drohten. Das verstärkte die Panik nun noch mehr. Ich sah wie eine junge Frau, die auf dem Brückengeländer stand von einem heraneilenden Bulln mit dem Schlagstock einen Hieb in den Rücken versetzt bekam und wie die etwa 20 Personen, die von der Brücke gesprungen waren jetzt am Ufer von ein paar Bulln weiter gehetzt wurden. Weiterhin sah ich, wie ein Polizist einem sich an der Brücke festhaltendem Demonstranten auf die Hände schlug. Ich sah die Panik in allen Gesichtern und auch ich hatte panische Angst, denn die Polizisten gingen willkürlich und brutal vor – am Ende der Brücke wurde ich dann auch von einem Knüppelschlag an der Schulter getroffen, aber zum Glück nur leicht.

Später wurde mein Freund festgenommen und dem Haftrichter vorgeführt, wobei wir sofort die Rote Hilfe verständigten, die es schaffte ihn wieder rauszuholen (ich finds wahnsinnig toll,das es so eine Organisation gibt! – Danke). Ich hoffe das irgendjemand Filmaufnahmen oder wenigstens Fotos parat hat, um diese zu veröffentlichen und hoffe dass wir irgendwas gegen Polizeiwillkür & -gewalt tun können. A.C.A.B.



Frage an die Sächsische Staatsregierung:

Ist es richtig, dass es am Ende des jüdischen Feiertages Sabbat gegen 16:30 Uhr direkt vor der Dresdner Synagoge zu Anwendung polizeilicher Gewalt mit unmittelbarem Zwang gegen Personen einschließlich Pfefferspray- und Schlagstockeinsatz kam?

Antwort des Innenministeriums:
Dazu liegen keine Erkenntnisse vor.
Ausschnitt aus der Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfragen von Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Polizeieinsatz am 14. Februar 2009 an der Synagoge / Carolabrücke
Die vollständige Anfrage, sowie weitere Anfragen hier:
dresden1302.noblogs.org/post/2009/04/14/antworten-der-staatsregierung-auf-die-kleinen-anfragen-von-abgeordneten-zum-13.-14.2.2009

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