Gestern abend stellte die Dresdner Historikerkommission ihren Abschlussbericht zu den Untersuchungen um den 13. Februar in Dresden vor. Die Kommission war 2004 vom damaligen Dresdner Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) einberufen worden, um angesichts der grassierenden Legenden um die Bombardierung Dresden am 13./14. Februar das Ganze auf eine wissenschaftlich fundierte Basis zu stellen.
Die Veranstaltung im Festsaal des Dresdner Rathaus vor etwa 200 Zuschauern brachte nicht viel Neues. Das Podium bestehend aus Mitgliedern der Historikerkommission Götz Bergander, Dr. Thomas Widera, Professor Rolf-Dieter Müller (Leiter der Kommission) und Matthias Neutzner sowie dem Kulturbürgermeister Ralf Lunau und Rathaussprecher Kai Schulz bestätigten im Wesentlichen die Ergebnisse des Zwischenberichts von Oktober 2008. Demnach sind 19.000 Bombentote namentlich nachgewiesen, insgesamt wird von maximal 25.000 Bombentoten ausgegangen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ausgeschlossen, dass Menschen im Feuersturm restlos verbrannt wären, ebenso liegen keine Tausende mehr verschüttet unter den Trümmern. Auch konnten Mythen wie eine von Flüchtlingen überfüllte Stadt, wie es noch im kurz vor dem 13. Februar durchgepeitschen neuen sächsischen Versammlungsgesetz heißt, nicht bestätigt werden. Trotz umfangreicher Nachforschungen gibt es nach wie vor keine Anhaltspunkte für die immer wieder erzählten Tieffliegergeschichten und diese werden von der Historikerkommission nahezu ausgeschlossen.
Tumulte unter den Zuschauern angesichts der Dekonstruktion des „singulären“ Ereignisses der Bombardierung hat es diesmal nicht gegeben. Man ist offensichtlich langsam bereit, die historischen Fakten in Dresden anzunehmen. Der Kommentator von der Sächsischen Zeitung Peter Ufer nutzt wieder die Gelegenheit, um die in Sachsen so beliebte Extremismusschiene zu bedienen. Mit den jetzt vorgestellten Fakten wäre eine Basis geschaffen, um die Interpretationen rechter und linker Demagogen nicht mehr zuzulassen. Es ist richtig, dass es auch in der DDR einzelne Politiker gab, die mit überhöhten Totenzahlen den Mythos bedienten, dennoch war es eine erste Historikerkommission der DDR bzw. SED gewesen, die 1946, worauf Peter Ufer auch eigentlich hinweist, die Opferzahl vorgelegt hatte, welche gestern im Wesentlichen bestätigt wurde. Letztendlich hat sich gerade das konservative Lager in Dresden nicht gerade bei der Dekonstruktion der Mythen um die Bombardierung Dresdens hervorgetan. Statt stumpfer, konservativer Propaganda wäre etwas Selbstkritik und das alte Sprichwort „Wer im Glashaus sitzt…“ sicher angebrachter gewesen.
Den Abschlussbericht und weitere Veröffentlichungen der Historikerkommission kann man sich auf der entsprechenden Unterseite der Stadt runterladen und durchlesen.
Anbei noch eine Dokumentation der Lokalpresse zum Thema
Donnerstag, 18. März 2010
(Sächsische Zeitung)
25.000 starben in der Dresdner Bombennacht
Von Thilo Alexe
Der Abschlussbericht der Historikerkommission verweist erstmals auf 20.000 namentlich bekannte Tote.
Dresden. Sechs Jahre nach Beginn ihrer Arbeit hat die Historikerkommission ihren Abschlussbericht zu den Luftangriffen auf Dresden vorgelegt. Das mit hochrangigen Wissenschaftlern besetzte Gremium kommt zu dem Schluss, dass bei den Bombardierungen zwischen dem 13. und dem 15. Februar bis zu 25000 Menschen aus 20 Nationen starben. Belege für von Augenzeugen geschilderte Tieffliegerangriffe fanden die Experten nicht.
Die 13 Mitglieder starke Kommission bestätigte damit die Ergebnisse eines zwei Jahre alten Zwischenberichts. Der Veröffentlichung war ein Jahrzehnte währender Streit um Opferzahlen vorausgegangen. Die Propaganda der Nazis hatte rund 200.000 Tote geltend gemacht. „Ich hoffe, dass der Bericht zu einer Versachlichung beiträgt“, sagte der Leiter der Kommission, Professor Rolf-Dieter Müller vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr in Potsdam.
Die Forscher recherchierten in rund 800 Archiven. Zudem wurden rund 1600 Erlebnis-Schilderungen von Zeitzeugen ausgewertet. Knapp 20000 Getötete können namentlich nachgewiesen werden. „Es geht darum, jeden einzelnen Fall dem Vergessen zu entreißen“, sagte Müller. Belege dafür, dass die Stadt voll mit Flüchtlingen war, fanden die Forscher nicht. Auch die Theorie von Zigtausenden Toten, die ohne Überreste im Feuersturm verbrannten, ließ sich nicht halten. In dem Inferno hätten maximal 800 Grad Celsius geherrscht. Selbst bei dieser Temperatur verbrenne ein Mensch nicht völlig, hieß es.
Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) hofft nun, „dass die Lügen der Demagogen keinen neuen Nährboden mehr finden“. Kulturbürgermeister Ralf Lunau warnte vor einer Instrumentalisierung des 13. Februar durch Rechtsextreme.
Donnerstag, 18. März 2010
(Sächsische Zeitung)
Dresden braucht ein Denkmal der Namen
Peter Ufer über die Ergebnisse der Historiker zum 13. Februar 1945.
Respekt. Die Historikerkommission hat zu den Opfern des 13.Februar 1945 empirisch geforscht. Gründlich, mit Primärquellen und ohne ideologische Zwänge. Das Ergebnis ihrer Arbeit ist wissenschaftlich fundiert und deshalb zu akzeptieren.
Die Historiker bestätigen damit übrigens jene Opferzahl, die erstmals bereits 1946 vorgelegen hat. Aber damals wurde ihre Glaubwürdigkeit angezweifelt, mit den Jahren wuchs der Zweifel. Deshalb waren sie frei für Interpretationen rechter und linker Demagogen. Die jetzt bestätigten Zahlen sind eine sichere Basis, um genau jene Interpretationen nicht mehr zuzulassen.
Aber es sind nur Zahlen, rationale Geschichtsaufarbeitung. Jeder Tote ist ein einzelnes Schicksal. Die eigene Trauer, die Erinnerungen bleiben. Zum Glück. Sie sind niemandem zu nehmen, sie sollen auch keinem genommen werden. Warum auch.
Deshalb ist es eine gute Idee, den Opfern ihre Namen zu geben. Sie zu veröffentlichen wird helfen, die Schicksale von vielen Menschen noch besser zu verstehen. Neben der Präsentation im Internet oder in einer Broschüre sollte sich das Rathaus entschließen, ein Denkmal der Namen zu bauen. Dresdner werden bereit sein, dafür zu spenden.
Es wird helfen, die Menschen in Erinnerung zu halten. Denn nicht mehr lange und die Zeitzeugen werden leider ausgestorben sein. Sie sind es, die ihre Erlebnisse erzählen, ihre Geschichten, ihre Hoffnungen. Diese sind genauso wichtig wie das Ergebnis der Historikerkommission.
Donnerstag, 18. März 2010
(Sächsische Zeitung)
Forscher finden keine Belege für Tiefflieger
Von Thilo Alexe
Die Historikerkommission zum 13. Februar 1945 legt ihren Abschlussbericht vor. Bei den Angriffen starben bis zu 25 000 Menschen aus 20 Nationen.
Die Luftangriffe vom 13. Februar haben sich ins Gedächtnis der Stadt eingeprägt. Weltweit gilt Dresden als Symbol für Kriegszerstörung. Um Missbrauch, Mythologisierung und Instrumentalisierung des Datums zu verhindern, hat die Stadt eine Historikerkommission mit der Untersuchung der Zahl der Toten beauftragt. Die SZ stellt die Ergebnisse vor.
Wie viele Menschen sind gestorben?
Zwischen 20000 und 25000. Knapp 20000 können namentlich nachgewiesen werden. Die Getöteten stammen aus 20 Nationen. Flüchtlinge und Vertriebene waren darunter. Jedes sechste Opfer war ein Kind. Da etliche Männer als Soldaten kämpften, ist der Anteil der weiblichen Toten höher.
Gab es Tiefflieger, die ein Blutbad angerichtet haben?
Die Kommission hat sich auch der viel debattierten Frage gewidmet, ob Tiefflieger gezielt fliehende Menschen beschossen. Das Ergebnis: Zwischen dem 13. und 15. Februar können „selbst einzelne Tieffliegerangriffe … nahezu ausgeschlossen werden“. Und: „Für einen massenhaften oder systematischen Angriff mit Bordwaffen … existiert kein Beleg.“
Wie ist die Kommission zu ihren Ergebnissen gekommen?
Die Wissenschaftler haben seit 2006 in rund 800 Archiven recherchiert. Selbst im Kriegschaos sind von der Nazi-Bürokratie pro Totem bis zu acht Dokumente gefertigt worden. Sie bilden den Kern für die Zahlenschätzung. Zudem trafen sie sich mit Zeitzeugen, werteten etwa 1600 Erlebnis-Schilderungen aus. Die Forscher suchten mithilfe des Kampfmitteldienstes unter anderem am Elbufer – vergeblich – nach Tieffliegermunition. Ferner arbeiteten sie mit Kriminaltechnikern und Archäologen zusammen. Ein Ergebnis: Die Theorie, wonach Zigtausende ohne Überrest verbrannten, lässt sich nicht halten. Im Feuerinferno herrschten todbringende Temperaturen zwischen 400 und 800 Grad Celsius. Doch selbst dabei verbrennt keine Leiche völlig.
Welche Konsequenzen hat der Abschlussbericht?
Ein Verdienst der Forscher ist es, dass die meistern Opfer nun Namen haben. „Wir haben uns um jeden Einzelnen gekümmert“, sagt Kommissionschef Professor Rolf-Dieter Müller vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr in Potsdam. Ob die Namen auf der Homepage der Stadt erscheinen, wo Karten und auch der Bericht veröffentlicht sind, ist aber noch unklar. Zudem leistet der Bericht womöglich einen Beitrag dazu, den Streit um Opferzahlen wenn nicht zu beenden, so doch zu begrenzen. Die NS-Propaganda hatte 200000 Tote geltend gemacht. Zudem widerspricht der Bericht Augenzeugenschilderungen von Angriffen aus Tieffliegern auf Fliehende. Möglicherweise seien sich bekämpfende deutsche und amerikanische Flugzeuge am 14. Februar als Tiefflieger wahrgenommen worden. Müller will mit der Arbeit zur Versachlichung beitragen. Doch auch er betont, dass nach heutigen Maßstäben der Angriff auf Dresden als Kriegsverbrechen bezeichnet werden kann. Kulturbürgermeister Ralf Lunau verweist zur Einordnung auf zerstörte Städte wie Coventry, Rotterdam und Hiroshima: „Dresden ist ein Name auf dieser langen Liste.“ Der Krieg sei von Deutschland ausgegangen.
In wessen Auftrag arbeitete die Kommission?
Der damalige Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) berief die Kommission 2004. Drei Jahre später legitimierte sie der Stadtrat und erweiterte ihren Auftrag. Geklärt werden sollte die Opferzahl sowie die Frage nach Tieffliegern. Zudem haben die Forscher umfangreiches Kartenmaterial, etwa zum Zerstörungsgrad der Stadt, erarbeitet. Ihr Budget betrug rund 100.000 Euro. Die 13 Wissenschaftler arbeiteten überwiegend unentgeltlich. Allerdings hatten sie ehrenamtliche Unterstützung, etwa bei Datenrecherchen und Transkription von Zeitzeugenschilderungen.
Donnerstag, 18. März 2010
(Dresdner Neueste Nachrichten)
Historiker legen Opferzahl für Luftangriffe fest
Dresden. Bei den Bombenangriffen britischer und amerikanischer Flieger im Februar 1945 auf Dresden sind Menschen aus fast 20 Nationen ums Leben gekommen. Unter den Opfern befanden sich auch Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, teilte die von der Stadt eingesetzte Historikerkommission am Mittwoch in Dresden mit. Bei der Zahl der Todesopfer mussten sich die Experten nicht revidieren. Wie bereits auf dem Deutschen Historikertag 2008 berichtet, wurden bei den Bombardements vom 13. bis 15. Februar 1945 bis zu 25.000 Menschen getötet. Die NS-Propaganda hatte damals 200.000 Tote geltend gemacht. Hinweise auf die von Augenzeugen geschilderten Tieffliegerangriffe fanden die Historiker nicht.
Dem Abschlussbericht der Kommission ging ein langer Streit um die Opferzahlen voraus. Vor allem Rechtsextremisten hatten die Angriffe auf Dresden immer wieder als beispiellos hingestellt und somit eine Relativierung deutscher Kriegsschuld versucht. „Ich hoffe, dass es gelingt, die Diskussionen zu versachlichen“, sagte der Kommissionschef und Militärhistoriker, Rolf-Dieter Müller. Bei den Recherchen wurden 60.000 Einzelangaben zu etwa 20.000 Menschen gefunden.
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