Grundlagenpapier des AK Antifa Dresden zum 13. Februar

Für die internen Debatten der Saison 2011 haben wir als AK Antifa Dresden bereits im Herbst 2010 ein Arbeitspapier geschrieben. Wir haben uns nun entschieden, es zu veröffentlichen.

1. Was ist für uns Gedenken und wie stehen wir dazu
2. Wie stehen wir zum aktuellen offiziellen Gedenken auf dem Heidefriedhof, zu Extremismus und zum historischen Ereignis
3. Was wollen wir erreichen

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Sonntagabenddesaster: 13. Februar-Naziaufmarsch erstmalig erheblich gestört

Sie alle wollten den Täterspuren-Mahngang besuchen - den die Stadt verhinderte

Das gab’s noch nicht in Dresden: Dass bereits der kleinere Aufmarsch der Nazis am 13. Februar, wenn dieser nicht auf einen Sonnabend fällt, mit Blockaden verkürzt und ordentlich Sound gestört wird. Schon 11 Uhr versammelten sich über 500 Menschen zum Täterspuren-Mahngang trotz Verbot am Comeniusplatz, kamen von dort jedoch nicht weiter, da die Gerichte sinnloserweise entschieden hatten, der Mahngang müsse komplett verlegt werde, unabhängig vom Wirkort des Gauleiters Mutschmann und anderer Stationen.

Blockade auf der Fritz-Löffler-Straße (Naziroute)

Die Aufmarschroute des ab 15 Uhr geplanten Nazimarsches war ohnehin schon unwürdig, da die Nazis es gewohnt waren, die schönen Teile der Altstadt oder zumindest in deren Sichtweite und auf belebten Plätzen demonstrieren zu dürfen. Aber dass durch eine entschlossene Blockade auf der Nazioute diese auch noch erheblich verkürzt wurde und nun nur noch die Hälfte der Fläche einschloss (von der Ackermannstraße gleich in die Reichenbachstraße statt auf den Zelleschen Weg)… Da hat sich die lange Wartezeit, bis alle Nazis endlich angereist und durch die Kontrollen durch waren sicher nicht gelohnt. Neu auch, dass über weite Strecken wütender Sound von GegendemonstrantInnen erschallte oder die Gebiete gänzlich ausgestorben waren.

Nach der Menschenkette strömten noch bis zu 2.000 Menschen zum Hauptbahnhof um von dort die Naziroute akustisch zu erreichen. Damit haben insgesamt etwa 3.000 Menschen direkt an den Nazis protestiert – doppelt so viele, wie Nazis da waren. Protest in Hör- und Sichtweite war zwar verboten, wurde damit aber durchgesetzt, anders gehts halt nicht!

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Miniaturen aus Dresden – Was vom 13. Februar 2010 in Erinnerung blieb

Nichts geht mehr: Anzeige am Bahnhof Dresden Neustadt am 13. Februar 2010

Im Vorfeld der Naziaufmärsche am 13. und 19. Februar 2011 hat die Website „Netz gegen Nazis“ eine hübsche Zusammenstellung von „Miniaturen“, also denkwürdigen kleinen Begebenheiten vom 13. Februar 2010, in einem Beitrag zusammengestellt.

Auch in diesem Jahr wird es wieder Massenblockaden geben, diesmal allerdings nicht am 13., sondern am 19. Februar. Der von den Nazis seit 2006 als kleinerer Zweitaufmarsch genutzte Aufmarsch am 13. Februar, der immer stattfindet, wenn der 13. nicht auf einen Sonnabend fällt, wird aber ebenso mit Störaktionen berücksichtigt.

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Leserbriefe: Ehrenmal für englische Bomberpiloten – gut vs. schlecht

Erst tat sich die Sächsische Zeitung groß damit hervor, das in London geplante Memorial für die toten englischen Luftkriegspiloten zu skandalisieren, dann wurde auch Helma Orosz in dieser Sache peinlich. In den Dresdner Neuesten Nachrichten wurde ein Beitrag von Alan Russell vermittelnd in die Debatte geworfen – der Engländer war schließlich mit daran beteiligt, Spendengelder für die Frauenkirche einzuwerben.

Nun endlich ist auch zu lesen, was der leserbriefschreibende Bürger dazu zu sagen hat. Im Wochenabstand veröffentlichten die Dresdner Neuesten Nachrichten insgesamt vier Leserbriefe, die sich aufeinander und den Beitrag von Alan Russell beziehen – eine Diskussion der Bürger quasi. Natürlich geht es um die Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 und daher ist dies wieder ein schönes kleines Schlaglicht auf die Auseinandersetzung der Bürger mit diesem Thema.

Eine Leserbriefdiskussion zu einem ähnlichen Thema gab es vor einem Jahr schon einmal: Dort ging es allerdings um ein neues Denkmal in Dresden („Zweimal auferstanden“), auf welches man sich nicht einigen konnte. Auch wenn die Sächsische Zeitung mal wieder noch so sehr Stimmung dafür machte – ihre Veranstaltung zum neuen Denkmal zog damals kaum Leute. Heute ist keine Rede mehr von diesem Denkmal.

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Striezelmarkt vs. Denkmal – Erinnerungskultur mit der SPD

Gestern lud der SPD-Ortsverein Dresden-Neustadt zu einer Podiumsdiskussion zum Thema Erinnerungskultur und Gedenkkultur in Dresden ins Herbert-Wehner-Bildungswerk auf der Kamenzer Straße. Benannt ist dieses übrigens nach dem bekannten Nachkriegs-SPD-Politiker, der in seiner Jugend im Dresden der Zwanziger und Dreißiger Jahr militant gegen Naziaufmärsche vorgegangen war.

Auf dem Podium saßen die Künstlerin und Denkmalforscherin Anke Binnewerg, die gerade ein Buch über die stadträumlichen Spuren Victor Klemperers in Dresden geschrieben hat; Martin Chidiac vom Amt für Kultur- und Denkmalschutz der Stadt Dresden und der Historiker, Mitglied der Historikerkommission und Mitbegründer der Interessengemeinschaft „13. Februar 1945“ Matthias Neutzner. Da die Veranstaltung neben interessanten Fakten und Details einen guten Einblick in die Verfasstheit des Gedenkdiskurses in der Stadt bot, gibt es hier einen Bericht.

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Jüdische Schicksale und der 13. Februar 1945 in Dresden, Teil 2: Victor Klemperers Tagebuch

Unglück und Hoffnung, Rettung und Tod – die Extreme liegen dicht beieinander, für die verbliebenen Dresdner Juden am 13. Februar 1945 in Dresden: Am Vormittag wird der Deportationsbescheid überbracht und am Abend fallen die Bomben.

Grab von Eva und Victor Klemperer auf dem Friedhof in Dresden-Dölzschen

Teil 2: Victor Klemperer beschreibt am Nachmittag des 13. Februar 1945 das Austragen der Deportationsbescheide an einige der verbliebenen Dresdner Juden in seinem Tagebuch. Er selbst sollte nicht am 16.2. deportiert werden, auch wenn dies oft so kolportiert wird. Über eine Woche später folgt nach zwischenzeitlichen weiteren Tagebucheinträgen, die Beschreibung der Bombennacht, die für einen Teil der verbliebenen Juden die Rettung vor der Deportation darstellte. Klemperer verliert beim zweiten nächtlichen Angriff in den brennenden Straßen seine Frau Eva – sie finden sich erst am Morgen wieder. Er trifft beim Herumirren einen Holländer der angibt, aus dem „PPD“ geflohen zu sein – das Polizeipräsidium Dresden befand sich schon damals in der Schießgasse. Der geflohene Häftling sagt zu ihm, dass die anderen Gefangenen verbrennen. So ging es auch den über 400 politischen Gefangenen in der Mathildenstraße.

Unter dem Titel „Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933-1945“ erschien dieser Teil Klemperers Tagebücher erst 1995 in Buchform und wurden als einzigartiges Zeugnis vom alltäglichen Terror der Nazizeit weithin bekannt. Geschrieben hatte er sie nicht nur unter Gefahr für das eigene Leben, sondern auch des Lebens seiner Frau Eva, sowie weiterer Personen, die an der Verwahrung der Manuskripte beteiligt waren, sowie der in diesen Texten zitierten Personen. Seine zweite Frau Hadwig entzifferte über Jahre hinweg die Aufzeichnungen und machte somit die Veröffentlichung erst möglich. Hadwig Klemperer starb am 22. September 2010 in Dresden, am 11. Februar 2010 hatte sie noch an der Feier zu Klemperers 50. Todestag in Dresden teilgenommen.

Victor Klemperer, Sohn eines Rabbiners, trat 1912 zur evangelischen Kirche über. Seine erste Ehe mit Eva Schlemmer und sein Status als Professor für Romanistik an der TU Dresden schützte ihn lange Zeit vor den schlimmsten Auswirkungen der Judenverfolgung. Neben seinen Tagebüchern wurde vor allem sein Buch „LTI“ über die Sprache des dritten Reiches berühmt.

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Kein Kriegs- sondern ein Friedensdenkmal

Gute drei Wochen nach der großen Aufregung um das geplante Memorial für die im Zweiten Weltkrieg gefallenen britischen Bomberpiloten (1, 2) haben sich die Dresdner Neuesten Nachrichten um eine britische Meinung zum Thema bemüht. Die wir der Vollständigkeit halber dokumentieren.

Auch das kann natürlich nicht vonstatten gehen ohne die beleidigte „Dresdner Seele“ zu miezeln. Deshalb wurde in einem Interview Sir Alan Russell von The Dresden Trust befragt. Die Organisation wurde 1993 in Großbritannien im Gedenken an die Toten der Luftangriffe des Zweiten Weltkriegs gegründet und hat in England über eine Million Euro Spendengelder für den Wiederaufbau der zerstörten Frauenkirche gesammelt sowie das Kuppelkreuz, des englischen Kunstschmieds Alan Smith, Sohn eines Bomberpiloten, finanziert. Seit 2002 setzt sich der Verein für die Förderung deutsch-britischer Beziehungen ein. Dementsprechend unkritisch äußert sich Sir Russell zum Gedenkkult um und in Dresden. Dennoch verteidigt auch er, trotz der vielen suggestiven Nachfragen, das geplante Memorial in London und liefert Einblicke in die Arbeit und die Denkweise von The Dresden Trust.
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Jüdische Schicksale und der 13. Februar 1945 in Dresden, Teil 1

Unglück und Hoffnung, Rettung und Tod – die Extreme liegen dicht beieinander, für die verbliebenen Dresdner Juden am 13. Februar 1945 in Dresden: Am Vormittag wird der Deportationsbescheid überbracht und am Abend fallen die Bomben. Ein Volltreffer geht auf eines der beiden letzten so genannten Judenhäuser – die Zeughausstraße 1 an der Frauenkirche. Die Luftschutzkeller sind für Juden verboten. Viele konnten sich verstecken und überlebten den Krieg und die Nazis, die noch immer nach ihnen suchten.

Teil 1: Einen Einstieg in das Thema gibt ein Ausschnitt aus dem Buch „Das rote Leuchten“: Es wird aufgeschlüsselt, was mit den 6000 Dresdner Jüdinnen und Juden passierte, die 1933 in Dresden erfasst wurden. Der letzte sächsische Deportationszug am 16. Februar ins KZ Theresienstadt geht ohne die Dresdner Juden. Die meisten Deportierten dieses Transports überlebten.

Henny Brenner im Dresdner Zwinger

Henny Brenner 1941 im Innenhof des Dresdner Zwinger

Im weiteren geht es um zwei Frauen, die sich in der Bombennacht durch die brennende Stadt retteten, den gelben Stern entfernten, untertauchten und überlebten: Henny Brenner und Brigitte Rothert, die Großkusine von Kurt Tucholsky. Beide haben jeweils ein Buch über ihre Erinnerungen verfasst. Henny Brenner („Das Lied ist aus“) zitiert ihren Vater mit dem dadurch bekannt gewordenen Spruch „Lieber eine Bombe auf den Kopf als Auschwitz“. Brigitte Rothert („Tucholskys Großkusine erinnert sich“) tritt das literarische und antimilitaristische Erbe ihres berühmten Großonkels an. Heute kommt Henny Brenner hin und wieder gern zurück in die Stadt ihrer Kindheit und Jugend. Der Gottesdienst mit Übergabe eines Nagelkreuzes aus Coventry am 13. Februar 2005 in der gerade wieder aufgebauten Frauenkirche empfand sie als positives Erlebnis, wie sie einige Tage später bei einer Lesung zu ihrem Buch erklärte. Ein Zeitungsartikel über Henny Brenner und ein Interview mit Brigitte Rothert geben Einblicke in ihr Erleben des 13. Februar 1945 in Dresden.

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Orosz „not amused“

Die Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) weilt zur Zeit in London, um am 6.9.2010 die Ausstellung „Under Attack“ im britischen „Transport Museum“ zu eröffnen. Die Ausstellung soll die Folgen der Luftangriffe für den Alltag der Menschen in Coventry, London und Dresden dokumentieren. Warum hier ausgerechnet Dresden ausgewählt wurde, lässt sich nur mit dem nach wie vor in der Welt überhöhten Symbol für den Bombenkrieg im Zweiten Weltkrieg erklären. So wird anschaulich vorgeführt, wie sich die Goebbelsche Propaganda nach wie vor in der Welt reproduziert. Die Menschen in den Städten des Ruhrgebiets oder Berlin, die gefühlt jede zweite Nacht im Luftschutzkeller verbracht haben, wo tatsächlich großflächig immer mehr Infrastruktur zerstört wurde, hatten im Alltag sicher viel einschneidendere und längere Erfahrungen mit den Folgen des Luftkriegs gemacht.

Viel aufregender für die lokale und die englische Presse ist aber nach wie vor das geplante Londoner Denkmal an die gefallenen Bomberpiloten. Nachdem Sächsische Zeitung und DNN schon versucht hatten einen Skandal zu beschwören, appellierte die Dresdner Lokalausgabe des Frontblatts des Deutschen Mobs, die BILD, gestern an die OB „Frau Orosz, please say NO!„. Eine Überlebende des 13. Februars nennt das Denkmal in dem Artikel makaber und geschmacklos und redet von Verherrlichung der Bombenangriffe. Holger Zastrow von der Dresdner FDP und Fraktionsvorsitzender im Sächsischen Landtag faselt von verletzten Dresdner Gefühlen und bezeichnet das Vorhaben als geschmacklos.

Die Sprecherin der Oberbürgermeisterin erklärte dann ebenfalls gestern, „Dieses Denkmal ist aus Dresdner Sicht schwer zu verstehen.“ Was aber wohl eher an der bornierten Ignoranz der Dresdner liegen dürfte. Dazu wird behauptet, dass doch in den letzten 50 Jahren eine gemeinsame Erinnerungs- und Versöhnungkultur mit Großbritannien gelebt worden wäre. Die Zahl 50 beruht vermutlich auf dem 50. Jahrestag der Städtepartnerschaft Dresden-Coventry. Sonst bestand diese Versöhnungs- und Erinnerungskultur eher darin, die Mythen und Legenden zu pflegen, was erst in den letzten Jahren unter anderem durch die Historikerkommission etwas aufgebrochen wurde. Zwar wird am Ende auch erwähnt, dass man den gesellschaftlichen Diskurs in Großbritannien nicht bewerten wolle, widerspricht damit aber letztendlich dem kompletten eigenen statement.

Insgesamt zeigt dieser Vorgang, zum einen wie wenig man sich mit den Intentionen des geplanten Denkmals auseinander gesetzt hat und zum anderen was für eine selbstgerechte „Erinnerungskultur“ in Dresden und Sachsen unter anderem von konservativen Vertretern der Stadt und des Landes gepflegt wird, und wie diese dabei von nahezu allen Abteilungen der lokalen Presse sekundiert werden. Um nochmal klar zu stellen, was der Gegenstand der öffentlichen Ereiferung ist. Es geht um nichts weiter als das Gedenken in England an die Gefallenen eines alliierten Truppenverbandes, der im Zuge der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus von allen britischen Kampfverbänden den höchsten Blutzoll gezahlt hat.

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Denkmal für die Gefallenen des Bomber Commands in England geplant

Im Londoner Green Park ist jetzt ein Memorial für die im Zweiten Weltkrieg gefallenen Bomberpiloten der Royal Airforce (RAF) geplant. Die Verbände des Bomber Commands hatten im Zweiten Weltkrieg von allen britischen Einheiten den höchsten Blutzoll zu zahlen. Mehr als 55 000 von 125 000 Freiwilligen starben im Kampfeinsatz. Angesichts der Brutalität des Krieges, welche sich auch in der Zerstörung deutscher Innenstädte mit Tausenden von toten Zivilisten manifestiert, ist es nachvollziehbar, wenn in England vor allem aus pazifistischer und antimilitaristischer Sicht solche Vorhaben kritisch gesehen werden. Aus antifaschistischer Sicht kommt man natürlich nicht an der Erkenntnis vorbei, dass Nazideutschland damals militärisch besiegt werden musste. Daher ist es selbstverständlich, wenn in den Ländern der Anti-Hitler-Koalition den Männern und Frauen gedacht wird, die dafür ihr Leben gaben.

das geplante Memorial im Londoner Green Park

das geplante Memorial im Londoner Green Park

Für die Sächsische Zeitung scheint es dagegen doch ein Aufreger zu sein. So widmete man dem Thema in der heutigen Ausgabe gleich den zentralen Teil der Titelseite, den Leitartikel und den Hauptartikel im Kulturteil. Zwar behauptet Peter Ufer im Leitartikel, dass das Thema kein Grund für hektische Aufregung ist, die Aufmachung sagt aber etwas ganz anderes. So springt einem auf der Titelseite gleich in großen Lettern „Briten wollen Piloten des 13. Februars ehren“ entgegen und der Leitartikel bekundet in der Überschrift „Der Versöhnung hilft das nicht“. Im Kulturteil ist dann von den „vergessenen Helden“ in Anführungszeichen die Rede. Gleichzeitig wird noch mal die Behauptung kolportiert, dass Dresden wohl am meisten unter den Flächenbombardements der Briten gelitten hätte. Zweifelsohne steht fest, dass der Angriff auf Dresden der schlimmste Einzelangriff auf eine Stadt gewesen ist. Am meisten gelitten hat Dresden jedoch sicher nicht. Vor allem aber ging es den Initiatoren des Denkmals nicht explizit um die Verbände, die Dresden bombardierten. Hier schwingt ganz offensichtlich immer noch die Überhöhung Dresdens im Bombenkrieg infolge der Goebbelschen Propaganda mit. Motivation des Denkmals war die Ehrung der Gefallenen in der sogenannten „Battle of Britain“. Diese wurde mangels Alternativen vor allem in der Luft ausgetragen. Dabei waren es die Deutschen die als Erste, wie in Rotterdam, Coventry und London geschehen, auch zivile Ziele angriffen. Dass Nazideutschland den Krieg verlor und damit der Krieg irgendwann auf Deutschland zurückschlug, kann man den Gegnern Nazideutschlands schwerlich vorwerfen.

Wie dieses Denkmal irgendeine Versöhnung tangieren sollte, bleibt das Geheimnis von Kommentator Peter Ufer. Wenn sich jemand um Versöhnung bemühen sollte, dann sicher nicht die ehemaligen militärischen Gegner Nazideutschlands. Noch lächerlicher wird das Ganze, wenn man sich vor Augen hält, dass in Deutschland inzwischen in jedem zweiten Kaff irgendwelche Kriegerdenkmäler stehen, in denen selbstverständlich auch den Toten des Zweiten Weltkriegs gedacht werden. Erst letztens berichtete die Sächsische Zeitung über so ein Denkmal in Rennersdorf-Neudörfel. Dass 1985 ein deutscher Bundeskanzler in Bitburg öffentlich den Angehörigen der Waffen-SS gedachte, hebt einen Peter Ufer genauso wenig an, wie das alljährliche Kriegsverbrechertreffen im bayrischen Mittenwald. Für jemanden der in Nazis vor allem ein extremistisches Imageproblem für die Stadt sieht, ist das aber auch nicht wirklich verwunderlich.

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Was wussten die Dresdner vom Bombenkrieg?

Ein wichtiges Buch das bisher in unserer Materialrubrik fehlte, trägt den Titel „Dresden im Luftkrieg“ geschrieben von Götz Bergander. Dieses Buch beschreibt sehr ausführlich und umfassend die Bombenangriffe auf Dresden, bezieht dabei aber auch die Vor- und Nachgeschichte ein. Bemerkenswert an diesem Buch, dessen erste Auflage bereits 1977 in der BRD erschien – allerdings auch in der DDR als Bückware geschätzt war – und seitdem mehrfach neu aufgelegt wurde, dass sich hier bereits sehr kritisch mit vielen Mythen und Legenden um den Bombenangriff auf Dresden beschäftigt wurde. So war Götz Bergander einer der ersten die nachwiesen, dass es weder Tieffliegerangriffe noch Phosphorbombenangriffe auf Dresden gegeben hatte und legte dar, warum die meisten Zahlen der Bombentoten von Dresden viel zu hoch angesetzt waren. Dabei kommt ihm die eigene Erfahrung zu Gute, da er als Junge mit eigenen Augen gesehen hatte, dass die Stadt keineswegs mit Hundertausenden von Flüchtlingen überfüllt war. War das Buch vor 1990 in der DDR verboten, erschien es nach dem politischen Umbruch in Ostdeutschland in einer gründlich überarbeiteten und erweiterten Ausgabe und war so auch den Dresdnern direkt zugänglich. Jedoch wurde das Buch, das aufgrund seiner Beliebtheit 2006 nochmals in einer Sonderausgabe erschien, im öffentlichen Diskurs kaum wahrgenommen. Dennoch ist es nicht zuletzt auch Götz Bergander zu verdanken, dass der Diskurs in Dresden sich nach und nach gewandelt hat. Folgerichtig wurde Bergander auch in die Dresdener Historikerkommission zum 13. Februar berufen.

Da das Buch machmal sehr ins Detail geht, was bei so einem hoch emotional diskutierten Thema aber auch notwendig ist, liest es sich nicht immer ganz einfach. Angesichts der Tatsache, dass so viele Halbwahrheiten über die Luftangriffe aus Dresden grassieren, gehört dieses Buch unserer Meinung nach zur Pflichtlektüre für alle, die sich zu Dresden am 13. Februar auslassen wollen.

Der folgende Auszug aus dem Kapitel „Was wusste die Bevölkerung vom Luftkrieg?“ beschreibt die Stimmung in der Stadt während der ersten Kriegsjahre, als der Bombenkrieg der Deutschen in Kino und Rundfunk für die Bevölkerung erlebbar war und macht klar, dass die Dresdner ziemlich gut hätten wissen müssen, was da eines Tages auf sie zu kommen konnte und dann auch kam:

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Historikerkommission stellte Abschlussbericht vor

Gestern abend stellte die Dresdner Historikerkommission ihren Abschlussbericht zu den Untersuchungen um den 13. Februar in Dresden vor. Die Kommission war 2004 vom damaligen Dresdner Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) einberufen worden, um angesichts der grassierenden Legenden um die Bombardierung Dresden am 13./14. Februar das Ganze auf eine wissenschaftlich fundierte Basis zu stellen.

Die Veranstaltung im Festsaal des Dresdner Rathaus vor etwa 200 Zuschauern brachte nicht viel Neues. Das Podium bestehend aus Mitgliedern der Historikerkommission Götz Bergander, Dr. Thomas Widera, Professor Rolf-Dieter Müller (Leiter der Kommission) und Matthias Neutzner sowie dem Kulturbürgermeister Ralf Lunau und Rathaussprecher Kai Schulz bestätigten im Wesentlichen die Ergebnisse des Zwischenberichts von Oktober 2008. Demnach sind 19.000 Bombentote namentlich nachgewiesen, insgesamt wird von maximal 25.000 Bombentoten ausgegangen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ausgeschlossen, dass Menschen im Feuersturm restlos verbrannt wären, ebenso liegen keine Tausende mehr verschüttet unter den Trümmern. Auch konnten Mythen wie eine von Flüchtlingen überfüllte Stadt, wie es noch im kurz vor dem 13. Februar durchgepeitschen neuen sächsischen Versammlungsgesetz heißt, nicht bestätigt werden. Trotz umfangreicher Nachforschungen gibt es nach wie vor keine Anhaltspunkte für die immer wieder erzählten Tieffliegergeschichten und diese werden von der Historikerkommission nahezu ausgeschlossen.

Tumulte unter den Zuschauern angesichts der Dekonstruktion des „singulären“ Ereignisses der Bombardierung hat es diesmal nicht gegeben. Man ist offensichtlich langsam bereit, die historischen Fakten in Dresden anzunehmen. Der Kommentator von der Sächsischen Zeitung Peter Ufer nutzt wieder die Gelegenheit, um die in Sachsen so beliebte Extremismusschiene zu bedienen. Mit den jetzt vorgestellten Fakten wäre eine Basis geschaffen, um die Interpretationen rechter und linker Demagogen nicht mehr zuzulassen. Es ist richtig, dass es auch in der DDR einzelne Politiker gab, die mit überhöhten Totenzahlen den Mythos bedienten, dennoch war es eine erste Historikerkommission der DDR bzw. SED gewesen, die 1946, worauf Peter Ufer auch eigentlich hinweist, die Opferzahl vorgelegt hatte, welche gestern im Wesentlichen bestätigt wurde. Letztendlich hat sich gerade das konservative Lager in Dresden nicht gerade bei der Dekonstruktion der Mythen um die Bombardierung Dresdens hervorgetan. Statt stumpfer, konservativer Propaganda wäre etwas Selbstkritik und das alte Sprichwort „Wer im Glashaus sitzt…“ sicher angebrachter gewesen.

Den Abschlussbericht und weitere Veröffentlichungen der Historikerkommission kann man sich auf der entsprechenden Unterseite der Stadt runterladen und durchlesen.

Anbei noch eine Dokumentation der Lokalpresse zum Thema
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Dresdens Untergang 1945 – Warum gerade bei uns?

Die aktuelle Kampagne des VVN-BdA gegen den Naziaufmarsch in Dresden findet ihre Fortsetzung in zwei Artikeln in der aktuellen Ausgabe der „antifa„. Im ersten Artikel entlarvt der Historiker Kurt Pätzold beispielhaft eine verbreitete Scheinheiligkeit und Selbstgerechtigkeit im Umgang mit der Bombardierung in Dresden. Im zweiten Artikel beleuchtet der stellvertretende Vorsitzende der Linken im sächsischen Landtag Klaus Bartl den Anteil der Sächsischen Landesregierung bei der Etablierung der Großaufmärsche der Nazis zum 13. Februar in Dresden.

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Das Tabu existierte nie – ein literarischer Streifzug

Am 13. Mai 2009 erschien auf dem Portal literaturkritik.de eine Rezension über den Umgang und die Verarbeitung der Bombardierung deutscher Städte in der deutschen und internationalen Literatur. Ausgangspunkt ist die Aussage des verstorbenen deutschen Literaturwissenschaftlers W.G. Sebald von 1999, dass die Zerstörung deutscher Städte in der deutschen Nachkriegsliteratur nur unzureichend behandelt bzw. gar verdrängt wurde. Der Autor des Artikels widerlegt diese Behauptung und zeichnet exemplarisch die Entwicklung im literarischen Diskurs nach. Dabei werden auch Parallelen zur Propaganda zwischen Josef Goebbels und der Berichterstattung zur Begründung des Kosovokriegs 1999 gezogen. Allein schon wegen der Literaturhinweise, in der besonders die Hinweise auf Sichtweisen von Augenzeugen aus dem Ausland zu nennen sind, machen diesen Artikel zur Pflichtlektüre.

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Die Totenzahlen von Dresden – eine (un)endliche Geschichte?

Eines der wichtigsten Bestandteile des internationalen Opfermythos um Dresden sind die Totenzahlen. Kurz nach dem Angriff geisterten bereits Zahlen bis zu einigen Hunderttausend Toten weltweit durch die Presse. Goebbels Propagandaministerium startete damit eine Propagandakampagne, fälschte ein paar Dokumente und schon war der Mythos verfestigt und hat sich teilweise weltweit bis heute gehalten. Eines der bekanntesten gefälschten Dokumente war der Tagesbefehl Nr. 47 der Dresdner Ordnungspolizei. Erst 1965, als das echte Dokument auftauchte, wurde klar, dass dort einfach eine Null angehangen worden war.

Die hinter verschlossenen Türen arbeitende Kommission zur Ermittlung der Totenzahlen in der DDR 1946 trug das ihrige zur Mythenbildung bei, da die von der Kommission ermittelte Zahl von 35.000, oft als willkürlich „von oben“ festgelegt abgetan wurde. Die Zahl 35.000 wurde jedoch auch nach 1990 von den meisten Historikern und den Dresdner Stadtoffiziellen verwendet. Im 1995 vom Dresdner Stadtmuseum herausgegebenen Buch „Verbrannt bis zur Unkenntlichkeit“ wurde bereits eine detaillierte Aufschlüsselung veröffentlicht, derzufolge nur noch 25.000 Tote festgestellt werden konnten. Da dieses Ergebnis weitgehend ignoriert oder angezweifelt wurde, und auf einige Theorien, die zu höheren Totenzahlen führen, keine Antworten liefern konnte, berief im Jahr 2004 der damalige Dresdner Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP) eine Historikerkommission ein. Diese sollte die bisherigen Ergebnisse wissenschaftlich überprüfen und alternativen Theorien zur Schätzung der Totenzahlen nachgehen, um sie bestätigen oder widerlegen zu können.

Auf dem Historikertag 2008 veröffentliche die Kommission einen Zwischenbericht. Für viele überraschend konnten bisher nur 18.000 Tote festgestellt werden. Die Arbeiten sind weitestgehend abgeschlossen, und die Kommission geht davon aus, dass die Zahl im Abschlußbericht 2009 maximal 25.000 betragen wird. Wir dokumentieren hier die Erklärung der Historikerkommission auf dem Historikertag 2008 in Dresden und einige Berichte in der Presse zum Thema. In einem Artikel auf indymedia wird die Brisanz des Ortes der Veröffentlichung der neuen Ergebnisse zum Thema gemacht. Die Veranstaltung der Historikerkommission wurde in dem nach einem ehemaligen Waffen-SSler benannten Otto-Beisheimsaal der TU Dresden durchgeführt.

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Zur Rezeptionsgeschichte des 13. Februar 1945 in Dresden

In dem 1994 vom Direktor des Stadtmuseum Dresdens herausgegebenen Buch Verbrannt bis zur Unkenntlichkeit – Die Zerstörung Dresdens 1945 beschreibt Friedrich Reichert, wie es zur Legendenbildung, lokal und international, um die Bombardierung Dresdens noch während der Zeit des Nationalsozialismus kam. Weiter geht er kritisch auf den Umgang mit dem 13. Februar in der DDR ein.
Zum Geschehen ab 1990 ist leider kaum noch eine kritische Analyse heraus zu lesen. Beispielsweise wird die Veranstaltung mit dem Holocaustleugner David Irving vor etwa 500 Dresdenern, der einen großen Anteil an der Verbreitung des Mythos Dresden um die Welt hatte, ohne einen Kommentar unkritisch aufgezählt. Dennoch sind die Abschnitte zur Zeit des NS und der DDR lesenwert. Wer sich über die aktuelle Rezeptionsgeschichte nach 1990 informieren will, sollte die Beiträge von Matthias Neutzner lesen, die man auf unserer Seite einsehen kann.

Zusätzlich stellen wir einen Auszug aus dem Buch Inferno Dresden vom ehemaligen Dresdener Oberbürgermeister Walter Weidauer zur Verfügung. Obwohl auch er in seinen Büchern es mit der Wahrheit nicht so genau nahm und nicht frei von antiwestlicher Polemik war (siehe auch Textauszug von Friedrich Reichert), zeigt es, dass Irving bereits vor 1966 über die falschen Zahlen und wie diese zum internationalen Opfermythos Dresdens beitrugen, informiert war. Trotz seiner damals geäußerten Selbstkritik verbreitet er bis heute seine, mittlerweile wissenschaftlich widerlegten, Falschinformationen über die Bombardierung Dresdens.

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Dresdens Untergang – eine Lehre die bezahlt werden musste

Der zweite Teil der Überschrift stammt von Thomas Mann und bezieht sich auf die Bombardierung Lübecks. Professor Reiner Pommerin Inhaber des Lehrstuhls für
„Neuere und Neueste Geschichte“ an der TU Dresden wählte dieses Zitat als Abschluss des Kapitels über die Bombardierung Dresdens in dem von ihm herausgegebenen Buch „Dresden unterm Hakenkreuz“.
Der englische Historiker Frederick Taylor setzte sich in dem 2004 auf deutsch erschienen Buch Dresden, Dienstag, 13. Februar 1945Militärische Logik oder blanker Terror? ebenfalls mit der moralischen Frage der Bombardierung Dresdens auseinander. Sein Fazit ist Nie wieder Krieg und Intoleranz.
Matthias Gretzschel beschreibt in seinem 2004 veröffentlichten Buch Als Dresden im Feuersturm versank wie die Bombardierung Dresdener Juden und politischen Gefangenen das Leben rettete.

Die entsprechenden Abschnitte stellen wir hier zum Nachlesen und als Leseempfehlung für diese und weitere Bücher bereit. Die Totenzahlen in den Büchern orientieren sich an den offiziell bekannten Zahlen der Jahre der Veröffentlichung, und sind demtentsprechend noch etwas höher als die von der Historikerkommision im Oktober 2008 veröffentlichen Zahlen. Aktuell wird von 18.000 – 20.000 Toten ausgegangen.

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„Das rote Leuchten – Dresden und der Bombenkrieg“

Im Februar 2005 erschien das Buch „Das rote Leuchten – Dresden und der Bombenkrieg“. Dabei handelt es sich um eine nüchterne und sachliche Bestandsaufnahme um den 13. Februar 1945 in Dresden unter Einbeziehung des aktuellen Stands der historischen Forschung. Das Buch ist ein Beispiel für die Bemühungen die Legenden um den 13. Februar auf den Boden der Tatsachen zu holen. Einer der Herausgeber, der Historiker Matthias Neutzner, ist gleichzeitig Mitglied der Interessengemeinschaft „13. Februar 1945“ die sich zur Aufgabe gemacht hat, die Geschichte Dresdens im 2. Weltkrieg zu erforschen.

Hier präsentieren wir als Leseempfehlung einige Kapitel, die für das Verständnis der Debatte in Dresden und wie es zu der ausgepägten Art des Mythos Dresden in aller Welt kommen konnte, von großem Wert sind.

Blick vom Rathausturm über die Prager Straße in Richtung Hauptbahnhof 1947, 1955, 1961, 1969 – Erläuterung ganz unten im Text von Wolfgang Hesse

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