OB Orosz bekommt Pfeffer: Mehr Engagement in Sachen Naziaufmärsche und Gedenken gefordert

Keine zwei Wochen mehr, bis zum kleineren der zwei Nazigroßaufmärsche im Februar 2011 in Dresden. In der letzten Woche ging es daher wieder einmal hoch her in der Tagespresse – Helma Orosz legte ihren Aufruf für die Menschenkette am 13.2. vor bzw. kürzte ihn um eine unbequeme Passagen zur Zukunft des Gedenkens; hielt anschließend, am 26.2. eine Pressekonferenz ab, um ihre Pläne vorzustellen; musste Kritik einstecken, was ihre Aktion tatsächlich gegen die Naziaufmärsche bewirkt, zumal am 19.2. Woraufhin anscheinend CDU und FDP mit einem Aufruf reagierten, sich am 19.2. an der Synagoge zu versammeln, um diese zu schützen. Bisher waren am 19.2., zum größeren Nazigroßaufmarsch, von Seiten der Stadt nur dutzende Mahnwachen vor Kirchen geplant, als könne man Nazis wegbeten.

Das Schöne daran: Die Kritik an den Dresdner Konservativen und ihren rein symbolischen und bloß-nicht-aktionistischen Plänen sowie dem Versuch am reinen stillen Gedenken festzuhalten und ja-nichts-Neues zu entwickeln kommt aus der Tagespresse selbst, nicht nur in den Kommentaren, auch in den Artikeln – so wie es bereits bei den Verlautbarungen der Konservativen Mitte Januar 2011 gewesen war.


Sächsische Zeitung, 26. Januar 2011

Kein Nachdenken über das Gedenken

OB Orosz streicht aus ihrem Aufruf zum 13. Februar alle Passagen, die mehr Engagement fordern als eine Menschenkette.

Von Oliver Reinhard

Fast alle Reden politischer Amtsinhaber entstehen in sachkundigen Ausschüssen. Zunächst werden deren Rede-Entwürfe diskutiert und dann überarbeitet, bis die endgültige Version feststeht. Erst sie gelangt schließlich durch den Mund des Politikers an die Öffentlichkeit. So geschah es auch mit dem Aufruf von Helma Orosz (CDU), den die Oberbürgermeisterin heute unter dem Titel „Erinnern und Handeln“ präsentiert.

Er beinhaltet ihre Einladung an die Bürger, auch an diesem 13. Februar eine Menschenkette zu bilden. Diese soll die Innenstadt „wie ein lebendiger Schutz umschließen und damit vor dem Eindringen Rechtsextremer schützen“. Damit will die OB das gleiche „Zeichen für verantwortliches Erinnern“ setzen wie im vergangenen Jahr.

Ursprünglich sollte der Aufruf allerdings darüber hinausgehen: Der Originaltext forderte die Dresdner obendrein dazu auf, sich gemeinsam Gedanken zu machen nicht nur um die Gegenwart, sondern auch um die Zukunft des Erinnerns an den 13. Februar. Doch diese Passage hat Frau Orosz ersatzlos streichen lassen. Sie lautete:

„Der 13. Februar soll in diesem Jahr Auftakt für ein intensives Nachdenken über unser Verhältnis zu Geschichte und Engagement für die Zukunft sein. Der runde Tisch wird in den kommenden Monaten Vorträge und Diskussionen zur Dresdner Erinnerungskultur anbieten. Das Einander-Zuhören und Miteinander-Nachdenken sollen helfen, die Überzeugungen der demokratischen Stadtöffentlichkeit zu festigen und gemeinsam Aktivitäten zu entwickeln.“

Konzipiert hatte den Aufruf der Ausschuss des „Runden Tisches“ zum 13.Februar. Dabei handelt es sich um ein Bürger-Gremium, das Orosz 2009 selbst initiiert hatte. Der „Runde Tisch“ sollte sich unter anderem mit der Frage befassen, inwieweit schweigendes Erinnern und traditionelles Friedensmahnen allein heute noch genügen.

Zeit nicht zum Handeln genutzt

Schließlich haben sich in den letzten Jahren die Rahmenbedingungen des 13.Februars stark verändert. Vor allem durch den alljährlichen Missbrauchs des Gedenkens durch Rechtsextremisten sowie durch die Gegenproteste.

Aus dem Rathaus war zu vernehmen, die Streichung der entsprechenden Aufruf-Passage habe lediglich organisatorische Gründe. Man wolle sich zunächst auf den diesjährigen 13. Februar konzentrieren und alles Weitere erst im Anschluss angehen, hieß es.

Das erklärt jedoch nicht, warum seit Gründung des „Runden Tisches“ über ein Jahr ungenutzt verstrichen ist, ohne dass man sich vonseiten der Stadt auch über die Zukunft des Erinnerns Gedanken gemacht hätte. Gemessen am Willen dazu, den Frau Orosz selbst mit der Initiierung des „Runden Tisches“ bekundet hat, ist der bloße Aufruf zur wiederholten Menschenkette ein Minimalergebnis. Dafür passt er umso besser in den aktuellen politischen Streit ums Thema: Teile von CDU und FDP wollen ebenfalls nur an den traditionellen Formen des Gedenkens plus Menschenkette festhalten.

Das Problem, mit welchen Maßnahmen und Aktivitäten sich ein Missbrauch des 13.Februar wirklich wirksam verhindern lässt, bleibt daher weiterhin bestehen.


Sächsische Zeitung, 29. Januar 2011

AUF EIN WORT

Symbolpolitik reicht nicht gegen Nazis

Denni Klein zum Aufruf von CDU und FDP zum 19. Februar

Das kann man prinzipiell unterstützen: Dresdner, stellt euch um die Synagoge, schützt sie und setzt Zeichen gegen Antisemitismus, Rassismus und Gewalt. „Wir wollen keine rechtsextremistischen Aufmärsche in unserer Stadt. Sie gehören nicht zu uns“, schreiben die Chefs von CDU und FDP, Lars Rohwer und Johannes Lohmeyer, in ihrem Aufruf. Stimmt.

Dennoch muss die Frage erlaubt sein: Was kann die Mahnwache bewirken? Die Nazis kommen nicht an der Synagoge vorbei. Das sichert das neue Versammlungsrecht. Danach kann die Stadt rechte Aufmärsche dort verbieten. Das weiß Lars Rohwer. Er hat es im Landtag mit beschlossen. Seine Mahnwache bietet daher vor allem starke Bilder für die Abendnachrichten. Bilder mit Symbolkraft. Wichtige Bilder. Doch diese Bilder werden nicht allein stehen. Es folgen Bilder von Tausenden Nazis, die Europas größten Aufmarsch in Dresden abhalten. Daran ändert die Mahnwache nichts. Gegen Nazis reicht die Symbolpolitik von CDU und FDP nicht aus.

Lars Rohwer sollte mit allen Demokraten im Landtag gemeinsam dumpfe, rechte Parolen öffentlich entlarven. Er sollte zusammen mit Johannes Lohmeyer und anderen Spitzenpolitikern in Schulen gehen und Jugendliche aufklären. Bildungs- und Jugendpolitik sollte so ausgerichtet sein, dass Nazis keinen Zulauf mehr bekommen. Dann könnte man uneingeschränkt sagen: Gut gemacht, meine Herren.


Sächsische Zeitung, 27. Januar 2011

Von einer, die auszog, eine Menschenkette zu bilden

Von Thilo Alexe

Die Rathauschefin appelliert an die Dresdner, am13. Februar wieder eine Menschenkette zu bilden. Viele werden ihr wohl folgen. Andere wollen aber Neonazis lieber blockieren, als geduldig Hände zu halten.

Es läuft gut, eigentlich. Alle sind gekommen in den dunkel getäfelten Rathaus-Pressesaal: Kamerateams, Radiomacher, Zeitungsjournalisten. Sie jagen die Nachricht in die Welt: „Neonazis bekommen in Dresden den Fuß immer schwerer in die Tür.“ Helma Orosz sagt solche Sätze mit entschlossener Stimme. Die Oberbürgermeisterin gibt sich kämpferisch bei ihrer Pressekonferenz zum 13. Februar. Ihre Botschaft: Die Stadt, die seit Jahren den größten Aufmarsch von Rechtsextremisten in Europa aushalten muss, wehrt sich. Mit einer Menschenkette, die sich erstmals auch auf der Neustädter Seite erstrecken soll.

Orosz wirkt entschlossen, neben ihr sitzen zwei ihrer einflussreichen Unterstützer, Handwerkskammerpräsident Claus Dittrich und Hochschulrektor Hans Müller-Steinhagen. Auch sie machen mobil für die Kette. Mindestens 10000 sollen kommen, so wie im Vorjahr. „Mich erfüllt heute noch ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit für dieses Miteinander der Bürgerschaft“, sagt Orosz. Alle ziehen an einem Strang. Dresden kriegt was hin. Einerseits.

Andererseits sind da die bohrenden Fragen. Wie ist das eigentlich, will ein Reporter wissen, wenn sich die Menschenkette um 14 Uhr unter Kirchenglockengeläut und begleitet von Tee-Ausschenkern für fünf Minuten schließt, die Neonazis aber erst um 15 Uhr vom Hauptbahnhof aus den scheinheiligen Trauermarsch mit Bomberjacke und morbiden Parolen beginnen? Dann sind doch die Guten schon wieder in der warmen Stube.

Orosz bleibt geduldig. Sie wiederholt ihre Formel vom „Erinnern und Handeln“. Die Menschenkette soll beides vereinen, das Gedenken an Tote, Bombardierung der Stadt, Krieg und Leid, aber auch den Protest gegen Neonazis, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt. Je mehr mitmachen, desto deutlicher. Desto stärker wird das Zeichen. Und dann, hofft die Rathauschefin, spielt es kaum noch eine Rolle, ob Nazis um drei, vier oder fünf durch die Straßen ziehen. Die Guten hätten dann gesiegt.

Aufmarsch blockieren

In Dresden sehen das viele so, aber manche eben auch noch anders. Zum Beispiel André Schollbach. Der Vorsitzende der starken Stadtratslinken teilt unmittelbar nach Orosz‘ gestrigem Auftritt mit: „Wir unterstützen alle friedlichen Aktionen, die gegen die Aufmärsche von alten und neuen Nazis gerichtet sind. Wir werden uns daher sowohl an der symbolischen Menschenkette als auch an den Blockaden zur Verhinderung dieser Aufmärsche beteiligen.“ Da ist es, das Stichwort. Blockade.

Dresden müht sich seit Jahren an der Frage ab, wie der Jahrestag der Zerstörung gestaltet werden soll. Ist er eher lauter Protest gegen Nazis oder stilles Gedenken an die rund 25000 Menschen, die nach den Erkenntnissen einer prominent besetzten Historikerkommission bei den Angriffen qualvoll starben?

Vor drei Jahren kamen – obwohl nie offiziell bestätigt – wohl weniger Gegendemonstranten als Neonazis. Orosz‘ Vorgänger Lutz Vogel hatte damals die Dresdner gescholten, „die hinter der Gardine blieben“. Vor zwei Jahren weigerte sich die Dresdner CDU, bei der von einem breiten Bündnis getragenen Gegenkundgebung „Geh denken“ mitzutun. Die Christdemokraten hatten Probleme, mit Galionsfiguren der Linken auf einer Bühne zu stehen. Das überregionale Echo war – gelinde gesagt – suboptimal.

Für das vergangene Jahre hatte Orosz mit ihren Beratern die Idee der Menschenkette entwickelt – mit Erfolg. Die Dresdner strömten, sogar das zunächst nicht geplante Schließen der Kette wurde möglich. Doch bereits damals gab sich das Bündnis „Dresden nazifrei“, das Politiker von Grünen, Linken und SPD, aber auch Künstler wie der „Ärzte“-Schlagzeuger Bela B unterstützen, nicht mit Händchenhalten zufrieden. Nur die Blockade, so die These, vertreibt die Braunen. Städte wie Leipzig und Jena haben das erfolgreich vorgemacht.

Orosz selbst sagt dazu nur: „Ich begrüße alle friedlichen Aktionen.“ Zur Blockade will sie als Verwaltungschefin nicht aufrufen. Erst in der vergangenen Woche hatte das Dresdner Verwaltungsgericht mit einem spektakulären Urteil die Rechtswidrigkeit solcher Aktionen betont.

Dennoch: Die 57-Jährige, das bescheinigen auch ihre Kritiker, hat sich dem Problem offensiv gestellt. Sie sucht Verbündete, nimmt das Thema ernst. Orosz hat die fast unlösbare Aufgabe, den sperrigen 13. Februar irgendwie zu meistern. Dazu zählt es, Gefühle von traumatisierten Überlebenden zu respektieren, die sich vor Polizei und Krawall fürchten. Es geht um knallharte Politik und die Tricks der Nazis. Die wollen auch am 19. Februar kommen. Orosz will dagegen beten. Bei Mahnwachen, die alle Dresdner Kirchen veranstalten. „Ich hoffe auf klare Aktionen der Bürgerschaft“, sagt sie. Eine Menschenkette gibt es dann nicht. Wohl aber Blockaden.


Sächsische Zeitung, 26. Januar 2011

Wieder Ärger um den 13. Februar

Von Thilo Alexe

Soll nur der Toten gedacht oder auch gegen Nazis demonstriert werden? Dresden tut sich schwer mit dem Jahrestag der Zerstörung. Parteien streiten und haben ihre Klientel im Blick.

Dresdner Parteien streiten um den Umgang mit dem 13. Februar. Während CDU und FDP eine eher zurückhaltende Dresdner Gedenkkultur fordern, sprechen sich vor allem Linke und Grüne für ein offensives Auftreten gegen Neonazis aus. Der Konflikt hat mittlerweile eine Schärfe erreicht, der den demokratischen Konsens – ein einheitliches Vorgehen gegen Rechtsextremismus – gefährdet. So droht Dresden wie 2009 eine Blamage.

Damals verweigerte sich die CDU dem breiten Bündnis „Geh denken“, das eine Gegendemonstration zu den Aufmärschen der Extremisten organisiert hatte. Stattdessen favorisierte die Partei samt der damals neuen Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) stilles Gedenken auf dem Altmarkt. Überregional entstand der Eindruck, Dresden trete Neonazis nur zögerlich entgegen. In diesem Jahr könnte sich das wiederholen. Der alte Streit bricht wieder auf. „Auf den Besuch von Demonstrationstouristen, die darauf aus sind, die gewaltsame Konfrontation mit der Polizei zu suchen und auf Krawalle spekulieren, können wir verzichten“, betonen die Chefs von CDU und FDP, Lars Rohwer und Johannes Lohmeyer.

Allerdings: Die Wortmeldung ist keine Reaktion auf einen Aufruf militanter Linksautonomer, sondern auf einen eher gut gemeinten Appell der Berliner SPD. Die hatte in einer Erklärung lediglich zur Teilnahme an Demonstrationen gegen Neonazis in Sachsens Landeshauptstadt aufgerufen. Überschrift: „Berliner SPD unterstützt friedliche Proteste in Dresden.“ CDU und FDP befürchten jedoch, dass sich Berliner Autonome unter die friedlichen Demonstranten mischen und zuschlagen. Die drastischen Worte von Lohmeyer und Rohwer erzürnen wiederum die Linke. „Stilles Gedenken allein reicht nicht“, sagt Stadtchef Hans-Jürgen Muskulus.

Hinter dem Konflikt, der stellenweise auch die Züge eines Zickenkriegs trägt, stehen knallharte Interessen. Einerseits versuchen Parteien, mit dem 13. Februar bei ihrer Klientel zu punkten. Zudem geht es um die Deutungshoheit des Tages.

Denn eine in Dresden vor allem bei Zeitzeugen weit verbreitete Haltung ist es, am Jahrestag der Bombardierung 1945 vor allem der Toten und des Leides durch Krieg und Zerstörung zu gedenken. Das Interesse dieser Menschen konzentriert sich – durchaus verständlich – eher aufs Erinnern als auf den Kampf gegen Rechtsextreme. Union und Liberale geben sich als Wortführer dieser Stimmung. Das Gedenken dürfe von keiner Seite politisch vereinnahmt werden. Die Menschenkette, zu der OB Helma Orosz (CDU) auch in diesem Jahr aufruft, sei eindrucksvolle Erinnerung an „alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“.

Linke und Grüne unterstützen zwar die Menschenkette, setzen aber auch auf Blockaden der Nazis. Beide haben dabei – neben glaubhaftem Engagement gegen Rechts – auch potenzielle Wähler im Blick: Studenten etwa und antifaschistisch sozialisierte ältere Dresdner.

Letztlich geht es auch darum, ob der Protest gegen Nazis oder Gedenken an Opfer, aber auch an Kriegsschuld den Tag dominieren sollen. Die Rechtsextremen nutzen die Uneinigkeit unter Demokraten aus. Sie mobilisieren für einen sogenannten Trauerzug am 13. Februar und wollen eine Woche später wiederkommen. Dann ist keine Menschenkette geplant.


Dresdner Neueste Nachrichten, 29. Januar 2011

13. Februar
Politiker rufen zu Mahnwache am 19. Februar vor der Synagoge auf

Christoph Stephan

Gegen den am 19. Februar geplanten Aufmarsch tausender Neonazis in Dresden formiert sich immer mehr Protest. Die Kreisvorsitzenden von CDU und FDP, Lars Rohwer und Johannes Lohmeyer, riefen am Freitag gemeinsam zu einer Mahnwache vor der Synagoge auf. „Dies ist ein starkes und wichtiges Zeichen gegen Antisemitismus, Rassismus und Gewalt“, erklärte Rohwer. „Der Schutz der Dresdner Synagoge durch die Bürger ist ein deutliches und unmissverständliches Zeichen, mit uns für Versöhnung, Frieden und Weltoffenheit in unserer Stadt einzustehen“, ergänzte Lohmeyer.

Seit einigen Jahren missbrauchen Rechte das Gedenken an die Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg und relativieren die deutsche Verantwortung an Krieg, Holocaust und Völkermord. Nach Angaben der Stadtverwaltung haben Neonazis für den 12. und 13. Februar so genannte „Trauermärsche“ angekündigt. Der größte werde jedoch für den darauffolgenden Sonnabend erwartet. Deshalb plant das Bündnis „Nazifrei! – Dresden stellt sich quer“ am 19. Februar wieder Massenblockaden.

„Aus dem ganzen Bundesgebiet haben sich bis jetzt schon mehr als 140 Busse angemeldet – und ein Ende ist nicht absehbar“, sagt Bündnissprecherin Franziska Radtke. „Auch aus Dänemark, Schweden, Frankreich, Österreich, Italien, Polen und Tschechien erwarten wir Blockadeteilnehmer, die fest entschlossen sind, Europas größten Naziaufmarsch zu verhindern.“

Mehr als 7000 Sympathisanten würden die aktuellen Nachrichten des Bündnisses auf Facebook verfolgen, 50.000 Plakate hängen in ganz Deutschland, 100.000 Exemplare einer Massenzeitung und noch einmal so viele Flyer mit dem Aufruf, nach Dresden zu kommen, wurden verteilt.

Auch Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) rief für den 19. Februar zu friedlichen Aktionen auf. Von den Massenblockaden distanzierte sie sich allerdings. Sie wolle sich an den Mahnwachen der Kirchen gegen Rassismus beteiligen.

Christian Demuth von der Initiative „Bürger.Courage“ fordert von Orosz ein aktiveres Vorgehen. „Ohne das Bündnis ‚Dresden stellt sich quer‘ würde die Stadt dem Naziaufmarsch recht hilflos gegenüberstehen“, meint Demuth. Diese dürfe nicht hinter ihrem Anspruch von 2010, den Rechten keine Chance zu geben, zurückfallen, nur weil der Großaufmarsch der Nazis diesmal nicht am symbolträchtigen 13. Februar stattfinden soll.


Sächsische Zeitung, 29. Januar 2011

CDU und FDP wollen Synagoge vor Nazis schützen

Die Dresdner Initiative „Bürger Courage“ fordert von OB Helma Orosz (CDU) mehr Engagement gegen Neonazis. Sprecher Christian Demuth lobte zwar den Aufruf der Rathauschefin zur Menschenkette am 13. Februar. Doch Orosz müsse aktiver gegen den zweiten Aufmarsch der Rechtsextremisten am 19. Februar vorgehen: „Eine starke und selbstbewusste Demokratie kennt keinen Terminkalender.“ Das Bündnis „Dresden nazifrei“ plant für den Tag Blockadeaktionen. Orosz hatte angekündigt, sich an Gebeten und Mahnwachen vor Dresdner Kirchen zu beteiligen. Derweil riefen CDU und FDP die Dresdner dazu auf, sich am 19. Februar vor der Synagoge zu versammeln und so das Gebäude zu schützen. Das sei ein klares Zeichen für Versöhnung und Weltoffenheit, sagten die Parteichefs Lars Rohwer und Johannes Lohmeyer. (SZ/ale)


Sächsische Zeitung, 25. Januar 2011

Beten gegen Neonazis
Dresdner Christen wollen mit Mahnwachen gegen die Aufmärsche von Rechtsextremisten protestieren.

Von Thilo Alexe

Dresdner Kirchgemeinden formieren sich gegen Neonazis. Dem Rechtsextremisten-Aufmarsch am 19.Februar wollen sie Mahnwachen entgegensetzen. Unter dem Motto „Raum für Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe – Mahnen und Beten für unsere Stadt“ sind Aktionen vor Kirchen und Gemeindehäusern geplant.

„Wenn ewig Gestrige die Verbrechen des Nationalsozialismus leugnend ihre Hass-Parolen durch die Stadt tragen, sind wir als Christen herausgefordert“, sagt Superintendent und Kreuzkirchenpfarrer Peter Meis.

Beteiligt sind alle katholischen und evangelischen Gemeinden in der Stadt. Menschen sollen zwischen elf und 18 Uhr vor den Gotteshäusern mit Kerzen stehen, gemeinsam beten und singen. Und womöglich auch einfach miteinander reden. „Die Form ist offen“, sagt Elisabeth Naendorf vom ökumenischen Informationszentrum.

Die Mahnwachen sollen das ganze Stadtgebiet überziehen. Das dürfte Neonazis zwar nicht von ihrem gespenstischen Trauermarsch abschrecken. Doch ist der leise Protest ein geschickter Zug der Kirchen. Sie organisieren Widerstand gegen den zweiten Naziaufzug binnen einer Woche. Denn in diesem Jahr wollen die Rechtsextremen am symbolstarken 13. Februar und eben am Wochenende darauf durch Dresden strömen. Möglicherweise hoffen sie so, Einschränkungen durch das sächsische Versammlungsgesetz zu umgehen, die nur an historisch relevanten Daten wie eben dem 13. Februar gelten.

Für diesen Tag hat Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) zusammen mit demokratischen Parteien, Kirchen sowie Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft zu einer Menschenkette aufgerufen. Zudem will ein linkes Bündnis den Naziaufmarsch blockieren.


Sächsische Zeitung, 24. Januar 2011

Streit nutzt nur Rechtsextremisten

Thilo Alexe über die Vorbereitung der Stadt auf den 13. Februar

Der 13. Februar ist eine Herausforderung. Für Politik, Polizei, die Stadt. Wie mit etwas umgehen, was so sperrig, schwierig und aufgeladen ist? Das Gedenken an Zehntausende Tote und der Protest gegen Neonazis verschränken sich. Jedes Jahr neu und jedes Jahr mit neuen Spannungen.

2011 haben sich bereits mehrere demokratische Parteien darum gestritten, wie weit der Jahrestag der Bombardierung 1945 in die Tagespolitik gehört. Konservative wollen einen Dresdner Weg, der eher stilles Gedenken und weniger Protest ist. Linke sehen das anders. Dazu kommt, dass das Dresdner Verwaltungsgericht den Polizeieinsatz 2010 kritisierte. Die Beamten hätten den Rechtsextremisten den von Blockierern versperrten Weg frei machen müssen. Die Demonstrationsfreiheit stufen die Juristen damit als ein sehr hohes Gut ein.

Wichtig ist jetzt, dass Demokraten an einem Strang ziehen, zumal Neonazis an zwei Wochenenden Dresden aufsuchen wollen. Man kann nur hoffen, dass es Oberbürgermeisterin Helma Orosz gelingt, den Parteienstreit, den die CDU mit entfacht hat, einzudämmen. Alles andere nutzt nur den Neonazis.

2 comments

  1. Auch wenn Frau Orosz die Mahnwachen unterstützt (und wahrscheinlich froh ist, sich für den 19. dadurch aus der Pflicht nehmen zu können) – es handelt sich um eine Initiative der Kirchen und nicht der Stadt. (Wer sich näher drüber informieren möchte:
    http://www.kirche-fuer-demokratie.de/cms/website.php?id=/de/aktionen/mahnwachen.htm)
    Was sie bewirken, wird sich zeigen. Ich wage mal eine optimistische Prognose:
    – eine breitflächige Auseinandersetzung mit „Rechtsextremismus“ in den Gemeiden
    – Präsenz von Positionen gegen die Naziaufmärsche in der ganzen Stadt
    – einen (indirekten, gesetzestreuen) Beitrag zur Verhinderung der Naziaufmärsche
    Es gibt da so’n Aktionskonsens bzgl. Solidarität mit allen, die sich den Neonazis und ihren geschichtsrevisionistischen Thesen entgegen stellen – kann ja jeder für sich selber prüfen, ob das auf die Mahnwachen zutrifft …