Die Nazis und der 13. und 19. Februar 2011

Update 10.2.2011: Die Informationslage zum Naziaufmarsch am 13. Februar verdichtet sich: Es handelt sich um einen sehr viel weniger priorisierten und daher auch viel weniger gut besuchten Naziaufmarsch, im Vergleich zum 19. Februar! Start ist nach wie vor hinter dem Hauptbahnhof.

Maik Müller (links) bei einer Nazi-'Infoveranstaltung' zum 19.2.2011 - im Internet ist er das Sprachrohr der "freien Kräfte" zu Dresden - unter dem Pseudonym Max Braun

Die Frage bewegt noch immer die Gemüter der in den Startlöchern stehenden AktivistInnen, die darauf brennen, wieder in Dresden auf die Straße zu gehen, um die Nazis zu stoppen: Was hat es mit den zwei Terminen der Nazis auf sich und was ist dagegen zu tun? Die zweite Frage ist schnell beantwortet: Wer kann, kommt an beiden Tagen. Wem das nicht möglich ist, der kommt am 19. Februar zum Großevent mit Massenblockaden. Die Frage was die Nazis vorhaben, sei an dieser Stelle etwas ausführlicher beantwortet.

Seit 2008 gibt es in Dresden immer dann zwei Aufmärsche, wenn der 13. Februar nicht auf einen Sonnabend fällt. So finden also zwei Nazigroßaufmärsche in Dresden statt, der kleinere am 13. in den Abendstunden, als Fackelmarsch, bisher jeweils nahezu ungestört. Für 2011 sieht es also nach einem ähnlichen Szenario aus: Am Sonntagabend, den 13. Februar ein Aufmarsch mit ca. 1500 Nazis, am darauffolgenden Sonnabend, den 19. Februar mit ca. 5000 Nazis. Und doch ist die Situation dieses Jahr anders.

Die Nazis haben einen Vorteil: Sie wissen, dass die schwächere antifaschistische Mobilisierung auf den 13. Februar fällt und dieser wiederum auf einen Sonntag fällt. Bis zum letzten Moment hat Dresden-Nazifrei das Verkünden des Hauptmobilisierungstermins (19.2.) heraus gezögert, doch Mitte Januar musste er raus. Und seitdem rückt der Veranstaltungsbeginn der Nazis am 13.2. schrittweise nach vorn. War erst von einem Aufmarsch in den Abendstunden die Rede, änderte sich der Treff von 16 Uhr auf 15 Uhr und wenn man Gerüchten aus bestinformierten Kreisen glauben darf, wollen sie sich inzwischen noch eher treffen.

Die Taktik der Nazis ist klar erkennbar: Je früher sie am Sonntag, den 13. Februar beginnen, desto mehr Nazis wird es möglich sein, am Aufmarsch teilzunehmen, da Anreisen von weiter weg machbarer sind. Einziger Nachteil am 13. Februar: Teile der Innenstadt sind durch die Allgemeinverfügung zum Schutze des Gedenkens für Demonstrationen nicht passierbar und zusätzlich bis 15 Uhr durch die Menschenkette der Oberbürgermeisterin abgeriegelt. Als Naziroute für diesen Tag durchgesickert ist ein Auftaktort direkt hinter dem Hauptbahnhof und eine Route durch die Vorstädte bis kurz vor das Plattenbauviertel Prohlis – sehr unattraktiv, aber enorm lang. Von Gorbitz ist dagegen keine Rede mehr.

Die Nazis versprechen sich damit zwei Erfolge auf einmal: Am 13. Februar, dem symbolischen Datum, einen Großaufmarsch mit 2000+ Teilnehmern, genüsslich lang ausgeweitet und ohne die Gefahr von Massenblockaden. Und am 19. Februar, mit deutlich mehr Nazis, rechnen sie sich Chancen aus, in die besten Teilen der Innenstadt zu gelangen – mittels Aufteilung in drei „voneinander unabhängige“ Veranstaltungen, juristischer Hexerei (ermutigt durch das Urteil des Verwaltungsgerichts) und, da sie diesen Mitteln selbst nicht trauen, mittels koordinierter Anreise mit Reisebussen.

Denn interessanterweise sind alle Reisebusse der Nazis auf den 19. Februar gebucht. Offenbar hat ihnen zu denken gegeben, dass am 13. Februar 2010 nur deswegen ein Teil von ihnen in Bewegung war, weil sie mit ihren Reisebussen an der Autobahnabfahrt Wilder Mann strandeten, nachdem Blockaden nicht nur mögliche Nazirouten sondern gleichzeitig auch die Hauptverkehrsadern in die Stadt lahmgelegt hatten. Am Wilden Mann war ein Sammeln möglich und der glorreiche von der Polizei durchgeprügelte Weg in den Sammelkessel am Bahnhof Neustadt.

Nachdem die Strategie, mit kleineren Grüppchen Minispontis auf der Anreise hinzulegen im Oktober in Leipzig gescheitert ist, könnte dies für die Nazis eine Option sein: Hauptsache hingelangen zum Treffpunkt. Wo die drei Treffpunkte der „unabhängig voneinander“ geplanten Aufmärsche sein werden ist bisher offiziell nicht bekannt, aber es kann davon ausgegangen werden, dass es sich um Sahnestückchen in der Altstadt handeln wird – das was ihnen am 13.2. verwehrt bleibt. Traditionell ist dies beispielsweise am Zwingerteich, hinter der Semperoper.

Die „freien“ Nazis veranstalten derzeit „Info- und Mobilisierungsveranstaltungen“ und „Demotrainings“ und brüsten sich mit „Gesprächen“ zu ganz neuen, geheimen Strategien. Ganze drei dieser Veranstaltungen haben mittlerweile stattgefunden, alle werden ohne konkreten Ort beworben und in Thüringen war diese Veranstaltung auch zahlreich durch offen auftretende Polizeibeamte besucht, was den Wert der informellen Weitergabe von Infos etwas schmälerte. Dennoch ist zu befürchten, dass kleinere Nazigruppen in der Stadt Ärger machen werden.

Was zu tun bleibt? Nach wie vor: Massenblockaden am 19. Februar und wirkungsvolle Störaktionen am 13. Februar. Seid dabei, denn beide Termine sind wichtig!


Der folgende Artikel suggeriert, es wäre eine falsche Entscheidung gewesen, die größere Gegenmobilisierung auf den 19. Februar 2011 zu legen, das hat das Bündnis Dresden-Nazifrei jedoch bereits scharf zurückgewiesen. Der 19. Februar 2011 ist definitiv der größere Naziaufmarsch!

endstation-rechts.de
31. Januar 2011

Dresden 2011: Die große Verarsche?
Verfasst von Mathias Brodkorb

Für rechts wie links wird auch im Jahr 2011 das größte politische Spektakel im Februar in Dresden veranstaltet. Die unübersichtliche Lage könnte diesmal jedoch von rechts für ein taktisches Manöver genutzt werden.
reloaded

Im Jahr 2010 war die Lage überschaubar. Europaweit mobilisierten Rechtsextremisten zum Trauermarsch der „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“ (JLO), der am 13. Februar in Dresden stattfinden sollte. Für die Gegendemonstranten, die sich in großer Zahl dazu entschlossen hatten, den Aufmarsch mittels Massenblockaden zu verhindern, war die Ausgangslage somit klar: Es mussten für denselben Tag lediglich so viele Gegendemonstranten mobilisiert werden, dass die Polizei die Blockaden nicht räumen konnte.

Im Jahr 2011 ist die Lage deutlich anders. Die JLO mobilisiert zusammen mit anderen Organisationen zu zwei Terminen. Am 13. Februar soll es in den Abendstunden zu einem Trauermarsch kommen. Angekündigt ist dieser für „hauptsächlich regionale Gruppen aus dem mitteldeutschen Raum“. Für den 19. Februar hingegen ist eine große Demonstration geplant, um das „Recht auf Gedenken und Versammlungsfreiheit“ mit einer neuen Veranstaltungsstrategie durchzusetzen.

Die Organisatoren vom Bündnis „Dresden Nazifrei“ haben sich auf diese veränderte Ausgangslage bereits eingestellt. Sie mobilisieren für den 13. Februar die Gegner des Trauermarsches ebenfalls lediglich regional und für den 19. Februar bundesweit. „Es hat sich abgezeichnet, dass die Nazis an diesem Tag ihr zentrales Event veranstalten wollen, was es für uns auf jeden Fall zu verhindern gilt!“, heißt es auf einer Informationsseite. Was aber, wenn genau das eine deutliche Fehleinschätzung ist?

Für die Anmelder des Trauermarsches wie für die deutsche rechte Szene insgesamt geht es mit den Demonstrationen im Februar um nicht wenig. Die Ereignisse des Februar 2010 kamen einer politischen Demütigung bisher unbekannten Ausmaßes gleich. Gelingt es den Veranstaltern des Trauermarsches in absehbarer Zeit nicht, ihr grundgesetzlich verbürgtes Demonstrationsrecht in Dresden erfolgreich durchzusetzen, wird dies nicht nur erhebliche Auseinandersetzungen innerhalb der rechten Szene über den Sinn der politischen Strategie der Gewaltlosigkeit auslösen, sondern vor allem bundesweit auf linker Seite Nachahmungseffekte verstärken. Am Ende könnte dies faktisch auf eine tendenzielle Aushebelung der Demonstrationsfreiheit des rechten politischen Spektrums hinauslaufen.

Die JLO ist daher zum Erfolg verdammt. Die Tatsache, dass die Organisatoren der Massenblockaden alle Kraft auf den 19. Februar konzentrieren, könnte die Veranstalter des Trauermarsches dazu veranlassen, aus taktischen Gründen umzudisponieren – sofern dies nicht in Wahrheit von Anfang an die Strategie der JLO war: In der Öffentlichkeit den 13. Februar 2011 in seiner Bedeutung herunterspielen, um den politischen Gegner in einem Ablenkungsmanöver auf den 19. Februar zu orientieren. Würde es dann gelingen, einen gegebenenfalls auch kleiner ausfallenden Trauermarsch am Abend des 13. Februar 2011 erfolgreich durchzuführen, könnte die JLO die für den 19. Februar geplante Veranstaltung getrost absagen und hätte so zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: ihre eigene Veranstaltung erfolgreich durchgesetzt sowie zugleich den politischen Gegner ins Leere laufen gelassen und sich so für die Demütigung von 2010 revanchiert.

Wahrscheinlicher wird ein solches Vorgehen durch ein jüngst ergangenes Gerichtsurteil. Am 20. Januar 2011 informierte das Verwaltungsgericht Dresden die Öffentlichkeit darüber, dass der Freistaat Sachsen im Jahre 2010 hätte das Demonstrationsrecht der Teilnehmer des Trauermarsches durchsetzen müssen. In einer Pressemitteilung heißt es hierzu: „Es wird festgestellt, dass der Beklagte (d. i. der Freistaat Sachsen) es rechtswidrig unterlassen hat, durch Einsatz geeigneter polizeilicher Mittel den Aufzug des Klägers (d. i. die JLO) am 13.2.2010 zu gewährleisten.“ Die Polizei kann angesichts eines solches Urteils gar nicht anders als sehr viel entschlossener und massiver als im Jahre 2010 das Demonstrationsrecht der Trauermarsch-Anhänger durchzusetzen. Zugleich wird die Polizei am 13. Februar auf deutlich weniger Blockierer treffen als noch im Jahr zuvor. Und die Frage, ob eine Blockade durch die Polizei aufgehoben werden kann oder nicht, hängt nicht vom Kräfteverhältnis zwischen Rechten und Linken, sondern vom Kräfteverhältnis zwischen Polizei und Gegendemonstranten ab.


Dresden-nazifrei.com, 2.1.2011

Klare Linien für den 13. und 19. Februar
Vielfältige und dezentrale Aktionen am 13. Februar und Massenblockaden am 19. Februar

Um aktuellen Gerüchten entgegen zu treten, die vor einem Täuschungsmanöver der Nazis in diesem Jahr warnen, möchten wir euch versichern, dass wir für unsere Mobilisierung handfeste Gründe haben. Ihr könnt euch also sicher sein, dass wir nicht ins Blaue hinein mobilisieren. Es steht für uns im Moment außer Frage, dass die Braunen in diesem Jahr ihren Großaufmarsch am 19. Februar in Dresden veranstalten wollen. Nichtsdestotrotz sind wir natürlich auf Änderungen der Strategie eingestellt. Wir wissen, was wir wollen. Den Naziaufmarsch durch Massenblockaden verhindern. Egal wann, wo und wie er stattfindet.

Für den 13. Februar, wenn die JLO wieder ihren geschichtsverfälschenden opferverhöhnenden Fackelmarsch durchführen will, planen wir unter dem Motto „Nicht lange Fackeln – Naziaufmarsch entgegen treten“ eine solche Geschichtsverfälschung mit kreativen Mitteln ordentlich zu stören. Bunt und lautstark, kreativ und entschlossen.

Wir bitten euch, holt euch regelmäßig aktuelle Infos über unsere Website oder ruft im Infobüro an. Wir beantworten gerne eure Fragen zum aktuellen Stand der Mobilisierung.


Sächsische Zeitung, 31. Januar 2011

Grüne rufen zum Protest gegen beide Nazi-Aufmärsche auf

Sachsens Grüne haben zum friedlichen Protest gegen die geplanten Aufmärsche von Rechtsextremisten am 13. und 19. Februar aufgerufen. „Die Menschenverachtung der Neonazis ist ein Anschlag auf unsere Demokratie und eine Bedrohung für alle, die in einer bunten und vielfältigen Gesellschaft leben wollen“, erklärte Landeschef Volkmar Zschocke. Er rief zu städte- und parteiübergreifender Zusammenarbeit auf. „Wir wollen keine Einteilung in erwünschte Menschenkettenteilnehmer und unerwünschte linke Blockierer. Es ist traurig und beschämend, wenn die Vorsitzenden der Dresdner CDU und FDP das Engagement und die Solidarität von Nicht-Dresdnern als Demonstrationstourismus abtun und eine öffentliche Ausladung an Bürger aus anderen Städten aussprechen.“ (SZ)

2 comments

  1. Wer hat Lust, an einer Samelaktion teilzunehmen: „Dresden sammelt Perücken für Glatzköpfe“