Oberbürgermeisterin Helma Orosz plädierte am 18. Oktober 2010 für eine Erinnerungskultur in Dresden, die über das Erinnern an die Bombennacht am 13. Februar 1945 hinausgeht. Sie mahnt, auch den Deportationen der Dresdner Jüdinnen und Juden zu gedenken und würdigte die Blockaden am 13. Februar 2010.
Wie das? Am 18.10. hatte eine Regionalkonferenz zur Kriminalprävention stattgefunden, bei der es auch um den Naziaufmarsch am 13. Februar ging. Dies war offenbar der Grund dafür, das Thema Erinnerungskultur zum Schwerpunkt zu machen. In der Diskussion äußerten dann mehrere Teilnehmer, das Gedenken sei auf weitere Gedenktage auszuweiten, beispielsweise den „Tag der Befreiung“ am 8. Mai und auch der Jahrestag der Pogromnacht am 9. November 1938 verdiene noch stärkere Beachtung. Helma Orosz selbst ist in einer Rede nicht so konkret geworden, sondern verweist nur darauf, dass es neben dem 13. Februar eben noch mehr gebe.
Wieder einmal hat Helma Orosz damit Lippenbekenntnisse abgegeben, deren Konsequenzen abzuwarten bleiben. Und ohne äußeren Druck geht dabei auch nichts voran, wie auch schon in der Auseinandersetzung um die Rede am 13. Februar auf dem Heidefriedhof zu sehen war, wo es viel Tauziehen gebraucht hat, damit sich die OB von den Nazis distanziert. Am 9. November an der Synagoge wird die OB wie jedes Jahr auch wieder eine dieser schönklingenden Reden anläßlich von Gedenktagen für die Opfer des Nationalsozialismus halten, die dann aber keine weiteren Konsequenzen im täglichen Kampf gegen Nazis und Rassismus haben. Ihr müsste es auch viel stärker darum gehen, noch mehr Bürger in dieses Gedenken einzubeziehen.
In den Dresdner Neuesten Nachrichten wird auch zitiert, wie sich Helma Orosz zum 13. Februar 1982 äußert, als tausende Oppositionelle aus der ganzen DDR in der Kreuzkirche zusammenkommen und etwa 1000 anschließend mit Kerzen zur Ruine der Frauenkirche gehen. Sie behauptet, dass die „Gruppe Jugendlicher“ angetreten ist, um das „stille Gedenken“ zu etablieren. Dieses „stille Gedenken“ zelebriert heute die CDU so gern zum 13. Februar, obwohl es sich als hochgradig untauglich gegen Nazis und Geschichtsrevisionisten erwiesen hat und beim offiziellen Gedenken am Heidefriedhof aus diesem Grund bereits revidiert wurde. Nein, am 13. Februar 1982 ging es um Frieden angesichts der Militarisierung auch in der DDR, ein Thema, bei dem es also einerseits gegen Krieg und andererseits um eine kritische Haltung zur DDR ging. Gerade der oppositionelle Charakter der Veranstaltung sorgte für erhebliche Dynamik. Das friedliche bzw. „stille“ des Ablaufs war eher dem Wunsch geschuldet „sich nicht provozieren zu lassen“ wie es in einem Flugblatt mit der Ankündigung dieser Aktion heißt. Ein „stilles Gedenken“ ist heute angesichts der Probleme mit Nazis und Geschichtsrevisionisten am 13. Februar ganz sicher nicht im Sinne der Akteure von 1982.
Dresdner Neueste Nachrichten, 19. Oktober 2010
13. Februar
Erinnerung braucht eine breite Vielfalt
Die Erinnerungskultur in Dresden war gestern neben der Jugendkriminalität eines der beiden Hauptthemen bei einer Regionalkonferenz zur Kriminalprävention in der Landeshauptstadt. Zu der Veranstaltung im Plenarsaal des Neuen Rathauses hatten die Stadt und der sächsische Landespräventionsrat geladen. Etwa 150 Teilnehmer aus verschiedensten Bereichen, darunter Schulen, Vereine, Polizei und Politik, wohnten Vorträgen bei und diskutierten. Beim Komplex zur Erinnerungskultur stand naturgemäß die Art und Weise des Gedenkens am 13. Februar im Mittelpunkt.
„Unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema gibt es wahrscheinlich so viele wie Pflastersteine auf dem Altmarkt“, sprach Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) in ihrer Eröffnungsrede die Vielfalt als zentrales Merkmal einer breiten Erinnerungskultur an. Sie erinnerte an die Gruppe Jugendlicher, die sich im Februar 1982 den staatlich verordneten und propagandistisch aufgeblähten Gedenkfeiern der DDR entzogen und durch stilles Gedenken an der Frauenkirche eine Dresdner Tradition begründet habe.
Die OB sprach sich für ein vielfältiges Erinnern aus, wie es am 13. Februar 2010 in Form der Menschenkette, des Gedenkens auf dem Heidefriedhof, aber auch der Blockade eines Demonstrationszugs von Rechtsextremen zum Ausdruck gekommen sei. Sie forderte dazu auf, nicht wegzuschauen, wenn politische Kräfte den Tag für ihre Zwecke vereinnahmen versuchen. Laut Nora Goldenbogen, der Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde in Dresden, sei schon viel bewegt worden: „Die Stimmung am 13. Februar in diesem Jahr war eine ganz andere als in den Jahren zuvor“. Große Ziele für jenen Tag äußerte Polizeipräsident Dieter Hanitsch: „Zum 13. Februar gehört keine Polizei. Ich würde mich freuen, wenn sie irgendwann mal nur noch den Verkehr regeln muss.“
Zugleich mahnten mehrere Teilnehmer der Konferenz jedoch an, auch andere Daten der Dresdner Geschichte stärker ins kollektive Gedächtnis zu rufen. Nora Goldenbogen brachte unter anderem den 8. Mai als Jahrestag des Kriegsendes 1945 ins Gespräch. Stärker in den Blickpunkt zu rücken seien aber auch der 9. November als Jahrestag der Reichspogromnacht von 1938, in der unter anderem auch die Dresdner Synagoge von fanatischen Nationalsozialisten zerstört wurde, sowie der 8. Oktober in Erinnerung an die Ereignisse der Friedlichen Revolution von 1989 auf der Prager Straße.
Sächsische Zeitung, 19. Oktober 2010
Orosz will Gedenken an 13. Februar 1945 erweitern
Die Rathauschefin wirbt für eine Vielfalt des Gedenkens. Nicht nur der 13. Februar soll im Zentrum stehen.
Öffentliches Gedenken in Dresden darf nach Einschätzung von Oberbürgermeisterin Helma Orosz nicht auf den 13. Februar 1945 beschränkt bleiben. In einer Grundsatzrede warb die CDU-Politikerin am Montag im Rathaus für ihr Ziel einer vielschichtigen Erinnerungskultur. „Vielfalt bedeutet für mich – trotz der unbestrittenen Bedeutung des 13. Februars – Erinnerungskultur über die Nacht im Februar hinaus zu denken“, sagte Orosz vor rund 150 Zuhörern. In den vergangenen Jahren habe vieles „im Schatten dieses Datums“ gestanden. „Dabei bietet die Erinnerungskultur unserer Stadt so viel mehr, als ihre Zerstörung im Zweiten Weltkrieg.“
Orosz sprach sich dafür aus, auch die Erinnerung an andere historische Ereignisse wach zu halten. Als Beispiele nannte sie die friedliche Revolution in Dresden, aber auch die Deportation von Juden aus der Stadt. Beides solle im öffentlichen Bewusstsein eine stärkere Rolle spielen. Orosz verwies zudem erneut auf die Kriegsschuld der Deutschen: „Der Krieg ist von Deutschland ausgegangen, und lange, bevor die Altstadt brannte, zog Rauch aus den Ruinen der Synagoge.“
Wie das öffentliche Gedenken künftig aussehen soll, ließ Orosz offen. Sie appellierte aber an die Dresdner Gesellschaft, ihre Vorstellungen einzubringen. Zudem lobte sie die vielfältigen Aktionen am 13. Februar dieses Jahres. Sie erwähnte die Menschenkette, das stille Gedenken auf dem Heidefriedhof, aber auch die Blockade des Neonaziaufmarsches vor dem Neustädter Bahnhof: „Das alles brachte die Vielfalt der Erinnerungskultur in Dresden zum Ausdruck. Und dieser Vielfalt sollten wir auch Raum geben.“
Orosz ließ offen, ob es ein Denkmal mit den rund 19000 bekannten Namen, der bei den Luftangriffen Getöteten geben wird. „Diese Diskussion läuft noch.“ Sie wies jedoch darauf hin, dass mittelfristig kaum noch Überlebende der Angriffe von den Schrecken erzählen könnten. Daher gelte es, eine Erinnerungskultur zu begründen, die politisch sei und nicht instrumentalisiert werde. (SZ/ale)