Kein Kriegs- sondern ein Friedensdenkmal

Gute drei Wochen nach der großen Aufregung um das geplante Memorial für die im Zweiten Weltkrieg gefallenen britischen Bomberpiloten (1, 2) haben sich die Dresdner Neuesten Nachrichten um eine britische Meinung zum Thema bemüht. Die wir der Vollständigkeit halber dokumentieren.

Auch das kann natürlich nicht vonstatten gehen ohne die beleidigte „Dresdner Seele“ zu miezeln. Deshalb wurde in einem Interview Sir Alan Russell von The Dresden Trust befragt. Die Organisation wurde 1993 in Großbritannien im Gedenken an die Toten der Luftangriffe des Zweiten Weltkriegs gegründet und hat in England über eine Million Euro Spendengelder für den Wiederaufbau der zerstörten Frauenkirche gesammelt sowie das Kuppelkreuz, des englischen Kunstschmieds Alan Smith, Sohn eines Bomberpiloten, finanziert. Seit 2002 setzt sich der Verein für die Förderung deutsch-britischer Beziehungen ein. Dementsprechend unkritisch äußert sich Sir Russell zum Gedenkkult um und in Dresden. Dennoch verteidigt auch er, trotz der vielen suggestiven Nachfragen, das geplante Memorial in London und liefert Einblicke in die Arbeit und die Denkweise von The Dresden Trust.


Dresdner Neueste Nachrichten
(Dienstag, 28. September 2010)

„Kein Kriegs- sondern ein Friedensdenkmal“

Sir Alan Russell befürwortet im DNN-Interview das geplante Ehrenmal für britische Bomberpiloten des II. Weltkriegs

Private Investoren wollen in London für die Gefallenen der Royal Airforce ein „Bomber Command Memorial“ errichten. Die Baugenehmigung für das Denkmal im Green Park, in der Nähe des Buckingham-Palastes, liegt vor und hat heftige Diskussionen zwischen Deutschen und Briten ausgelöst: Empörung und Unverständnis in den von britischen Bomberpiloten zerstörten deutschen Städten, auf der anderen Seite Wut und Ablehnung gegenüber der Einmischung in die britische Erinnerungskultur. Insbesondere Dresden zeigt sich als ein Sinnbild für sinnlose Zerstörung betroffen. Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) distanzierte sich von dem geplanten Denkmal. Es trage nicht zur Versöhnung bei. DNN sprachen darüber mit dem Präsidenten des britischen „Dresden Trust“ und Vizepräsidenten der „British German Association“, Sir Alan Russell.

Sir Russell, Sie erhielten für Ihr großes Dresden-Engagement die Ehrenmedaille der Stadt, sind Ehrenmitglied der Frauenkirchengesellschaft und nehmen gerade an der Mitgliederversammlung teil. Ein schlechter Zeitpunkt im Kontext der Auseinandersetzungen?

Was in den Zeitungen steht, ist doch alles falsch. Glauben die Menschen den wirklich, dass man ein Monument für Zerstörung errichten will? Ich persönlich bin ein scharfer Kritiker von Luftangriffen, aber es war Krieg und dieser Krieg musste positiv zu Ende gebracht werden. Die Medien beider Länder haben über das Vorhaben in London nicht gut informiert.

Dresdens OB Helma Orosz nannte das Denkmal „befremdlich“…

Aus unserer Sicht ist es nicht befremdlich, sondern vielmehr bedauerlich, dass es über 65 Jahre gedauert hat. Winston Churchill hatte ein schlechtes Gewissen. Es herrscht bis jetzt ein tiefes Bedauern über den großen Verlust an Zivilisten. Aber es ist auch wahr, dass von den 125 000 britischen Fliegern 56 500 umgekommen sind. Sie sind Menschen, viele Christen, sie haben Verwandte. An sie zu erinnern ist genauso wichtig, wie die Erinnerung an junge gefallene deutsche Soldaten vor Stalingrad. Hoffentlich wird so etwas nie wieder geschehen.

Glauben Sie nicht, dass der Versöhnungsgedanke Schaden nehmen könnte?

Nein. Noch einmal: Das ist kein Kriegsmonument, sondern ein Mahnmal für Gefallene, in diesem Sinne ein Friedensdenkmal. Es ist so geplant, dass es im Zusammenhang mit vielen weiteren Monumenten stehen wird. Ein Skandal wäre es, wenn die Flieger geehrt würden, die Dresden zerstört haben. Das Denkmal hat nichts damit zu tun. Versöhung zeigt sich doch viel mehr im täglichen Leben. Ich habe gehört, dass verschiedene Leute auch Deutsche zur Einweihung des Denkmals einweihen wollen.

Sie haben also keine Einwände gegen das Denkmal?

Ich persönlich hätte mir ein bescheideneres Denkmal gewünscht. So wie das „Tränenmeer“, das ich auf dem Heidefriedhof in Dresden gesehen habe. Das ist ein wunderbares Monument.

Sie haben mit Frau Orosz schon über die Sicht des Dresden Trust gesprochen?

Sie war tief enttäuscht, dass die Journalisten in London keine Fragen zur gemeinsamen Ausstellung der Städte London, Coventry und Dresden gestellt haben, sondern nur zum Bomberdenkmal. Ich habe ihr den Entwurf einer gemeinsamen Erklärung gegeben, mit der sie sich an die Öffentlichkeit wenden könnte. Wenn sie grünes Licht gibt, würde ich den Text dann gern auch englischen Journalisten zugängig machen.

Widerspricht das Denkmal für gefallene Bomberpiloten nicht dem Friedensgarten des Dresden Trust in Staffordshire?

Nein, auf keinen Fall. Dort stehen die Namen zerstörter Städte beider Länder. Mehr als 30 000 Menschen sind in London umgekommen. Der Verlust von deutschem Leben ist für uns genauso tragisch wie der von englischem. Vielleicht ist etwas Ähnliches auch bei dem Londoner Monument möglich. Der Dresden Trust hat einen Vorschlag gemacht, die Namen aller europäischen Städte aufzuführen, die zerstört worden sind. Aber die Ausführung des Denkmals liegt in der Hand der Initiatoren.

Der Dresden Trust fühlt sich nach wie vor mit der Stadt der Frauenkirche verbunden?

Hier sind unsere Freunde. Wir bleiben immer an ihrer Seite. Der Dresden Trust hat noch einiges vor. Gerade ist in England unser Buch „Dresden: A City Reborn“ erschienen. Wir möchten in der Kreuzkirche eine Erinnerungstafel für die drei ums Leben gekommenen Pfarrer anbringen, in der Stadt einen Rosengarten und einen Gingko zum Gedenken pflanzen und wir werden 2011 eine Kulturreise nach Deutschland unternehmen, die in Dresden endet. Es soll einen Austausch junger Musiker geben wie er schon mit Lebenshilfe e.V. für behinderte Menschen stattfindet. Der Austausch darf nicht abbrechen. So soll später einmal auch meine Wohnung in Dresden einer britischen Universität und der TU Dresden für Gastaufenthalte zur Verfügung stehen.

Der Ruf aus Dresden muss weiter gehen. Wir hoffen, dass die Stadt ein Leuchtturm sein wird in einem Land des Friedens.

Das Gespräch führte Genia Bleier

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