Die Polizei und der 13. und 19. Februar 2011 in Dresden nach dem Urteil vom Verwaltungsgericht

Nachdem das Dresdner Verwaltungsgericht letzten Mittwoch (19.1.) entschied, die Polizei hätte die Nazidemo am 13.2.2010 durchsetzen müssen, ist immer noch keine Begründung dieses Urteils erschienen. Man ist fast geneigt, mit der gescholtenen Polizei zu sympathisieren, die erklärte, die Räumung einer Demonstrationsstrecke für die Nazis hätte zu unvertretbaren Gefahren geführt. Auch das Innenministerium, üblicherweise eher Hassobjekt im rechtskonservativ regiertem Sachsen, ist über das Urteil not amused. Und die Polizeigewerkschaft sieht die Polizei durch dieses Urteil „zwischen Baum und Borke“. Dem Vorsitzenden täte es gar in der Seele weh, Nazidemos mit allen Mitteln zu schützen.

Und doch: Ändern wird sich auf der Straße nichts. Wie immer wird man sich mit bösen Robocops herumärgern müssen, wie letztes Jahr werden diesen am Ende doch die Hände gebunden sein. Dennoch bleibt es spannend, was in der Begründung vom Verwaltungsgericht Dresden stehen wird und wie sich die Polizei daraufhin rechtfertigt.


Sächsische Zeitung, 24. Januar 2011

Polizei bereitet Einsatz für den 13. Februar vor
Die Beamten rüsten sich für den Aufmarsch von Neonazis in Dresden.

Von Thilo Alexe

Nach einem umstrittenen Gerichtsurteil setzt die Dresdner Polizei ihre Vorbereitungen für Neonaziaufmärsche im Februar fort. Rechtsextremisten planen anlässlich des Jahrestages der Kriegszerstörung der Stadt mehrere Aufmärsche – am 13. sowie am 19. Februar. In der vergangenen Woche hatte das Dresdner Verwaltungsgericht entschieden, dass die Ordnungshüter im vergangenen Jahr den Aufzug von Neonazis hätten ermöglichen müssen. Der war an einer Blockade von Gegendemonstranten gescheitert. Die Beamten hatten diese Blockade nicht aufgelöst. Das Gericht stufte das als rechtswidrig ein.

Die Polizeidirektion Dresden gab darauf bekannt, dass sie die Urteilsbegründung abwarte. „Die Vorbereitung des kommenden Polizeieinsatzes wird indes fortgesetzt“, heißt es in der knappen Mitteilung. Zuvor hatte sich Sachsens Innenministerium skeptisch zu dem Urteil geäußert. „Wir sind nicht zufrieden“, sagte der Sprecher von Ressortchef Markus Ulbig (CDU).

In dieser Woche will Dresdens Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) die Pläne der Stadt für das Gedenken und den Protest veröffentlichen. Klar ist bereits, dass die Menschenkette vom vergangenen Jahr wiederholt werden soll. Vorgesehen ist, dass die Kette anders als bei ihrer Premiere auch in die Neustadt führt.


Märkische Oderzeitung moz.de, 21. Januar 2011

GdP-Chef sieht Probleme nach Dresdner Urteil

Halle (dpa) Nach dem Urteil des Dresdner Verwaltungsgerichts zum Neonazi-Aufmarsch vom 13. Februar 2010 muss die Polizei aus Sicht ihrer Gewerkschaft einen Spagat leisten. Dabei muss sie das Recht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit schützen und zugleich Gefahren von denen abwenden, die das Recht in Anspruch nehmen, sagte der Vorsitzende Bernhard Witthaut am Freitag dem Radiosender MDR Info in Halle (Sachsen-Anhalt). Da geraten die Beamten wieder „zwischen Baum und Borke“.

Laut dem Gerichtsurteil hätte die Polizei den Marsch der Rechtsextremen vor knapp einem Jahr ermöglichen müssen. Den rund 6000 Neonazis hatten sich damals weit mehr als 10 000 Demonstranten entgegengestellt, die Straßen blockiert und damit den von der Justiz genehmigten Aufzug verhindert. Die Polizei sah sich außerstande, die Blockade zu räumen.

Witthaut appellierte mit Blick auf den diesjährigen Gedenktag in Dresden an alle Demonstranten, das Problem friedlich zu lösen und gewaltsame Auseinandersetzungen zu vermeiden. Gelinge dies nicht, müsse die Polizei genehmigte Neonazi-Demonstrationen künftig „mit allen Mitteln schützen“. Das täte ihm in der Seele weh.


Leipziger Internetzeitung, 23. Januar 2011

Neonazi-Aufmärsche in Dresden: CDU und FDP laden Neonazi-Gegner aus – Verwaltungsgericht Dresden erklärt Blockaden 2010 für rechtswidrig

Die Vorsitzenden der Dresdner Kreisverbände von CDU und FDP möchten am 13. und 19. Februar mehrere tausend Neonazis ungehindert durch die Landeshauptstadt marschieren lassen. Lars Rohwer (CDU) und Johannes Lohmeyer (FDP) erklärten am Donnerstag in einer gemeinsamen Pressemitteilung, dass sie sich entschieden gegen die politische Vereinnahmung und Instrumentalisierung des Gedenkens an die Opfer der Bombennacht vom 13. Februar 1945 wenden würden.

„Das wird dem Gedenken an die Opfer der Dresdner Tragödie von 1945 nicht gerecht.“ Gleichzeitig laden sie alle ein, die sich friedlich an den Gedenkveranstaltungen beteiligen möchten. Dass es sich hier um die von ihnen genehmigte Art und Weise einer weit vom Geschehen entfernten Menschenkette zu handeln hat, wird ebenfalls rasch geklärt. Neonazi-Gegnern, die die geplanten Großaufmärsche von NPD, Junge Landsmannschaft Ostdeutschland und „Freien Kräften“ durch friedliche Massenblockaden verhindern möchten, erteilen sie damit schon im Vorfeld mehr als nur eine klare Absage.

Besonders stört sie eine Einladung der Berliner SPD an alle Hauptstädter, sich an den Protesten zu beteiligen. Als Anlass dient ihnen dabei ein Vorfall während einer Demonstration im vergangenen Juni, die von der SPD mitorganisiert wurde. Damals soll laut den Dresdner Lokalpolitikern ein Polizist von einem Sprengkörper verletzt worden sein. Eine Falschmeldung. Augenzeugen berichten jedoch übereinstimmend, dass es sich bei dem fraglichen Gegenstand um einen großen Böller gehandelt habe. Ein Böller, dem man nun noch ein wenig mehr Sprengkraft geben kann, als er ganz augenscheinlich hatte.

Für Rohwer und Lohmeyer Anlass genug, um den konservativen Anhängern Dresdner Gedenkkultur und den vorgeblich von ihnen unerwünschten Neonazis neues Wasser auf die Mühlen zu schütten: „Auf den Besuch von Demonstrationstouristen, die darauf aus sind, die gewaltsame Konfrontation mit der Polizei zu suchen und auf Krawalle spekulieren, können wir verzichten. Sie sind ausdrücklich nicht willkommen.“

Friedlichen antifaschistischen Protest setzen sie in gewohnter Manier mit Ideologien der Ungleichheit und gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit gleich. „Für viele, gerade ältere Mitbürger, die die Bombennacht noch selbst miterlebt haben, sind marschierende Nazis und randalierende Linksextremisten im Stadtzentrum unerträglich.“ In Abgrenzung zu den geplanten Sitzblockaden stellen sie den von Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) organisierten Menschenketten einen Persilschein aus. „Jeder Bürger – ob aus Dresden oder einer anderen Stadt – kann sich hier einreihen. Das wollen wir unterstützen.“ Die Menschenkette soll wie im vergangenen Jahr zeigen, dass der 13. Februar in Dresden „ein Tag der Erinnerung an die Toten des Bombenangriffs und an alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ ist.

Das schließt in bester CDU-FDP-Manier ganz selbstverständlich neben den Opfern auch die Täter mit ein.

Überraschende Rückendeckung bekommen die Lokalpolitiker vom Dresdner Verwaltungsgericht. Dies entschied am Donnerstag, dass die Polizei die Blockaden am 13. Februar 2010 unter hohem Gewalteinsatz hätte räumen müssen. „Es wird festgestellt, dass der Beklagte es rechtswidrig unterlassen hat, durch Einsatz geeigneter polizeilicher Mittel den Aufzug des Klägers am 13. Februar 2010 zu gewährleisten.“ Was bedeutet soll, dass die Polizei möglichst massiv die Anwesenheit von friedlichen Blockierern zu beenden gehabt hätte.

Zur Begründung machte das Gericht gegenüber der Öffentlichkeit bislang keine Angaben. Sie werde sich aus den schriftlichen Entscheidungsgründen ergeben, die den Beteiligten in nächster Zeit zugestellt werden. Die Polizei verwies in der Beweisaufnahme zur Begründung ihres Handelns auf die Blockaden und sonstige Störungen durch Gegendemonstranten im Verlauf der geplanten Aufzugsstrecke. Die Durchführung der Demonstration hätte aus polizeilicher Sicht in dieser Situation zu unvertretbaren Gefahren geführt.

Klaus Bartl, rechtspolitischer Sprecher der sächsischen Linksfraktion, zeigte sich angesichts des Dresdner Urteils empört. „Das Bundesverfassungsgericht hat im November 2009 in einem viel beachteten und kommentierten Urteil festgestellt, dass es richtig ist, Nazi-Propaganda aufgrund der besonderen deutschen Geschichte nicht als Bestandteil des breiten Spektrums schützenswerter Meinungen zu verstehen“, und verweist auf die Karlsruher Entscheidung zur Rechtmäßigkeit des erweiterten Volksverhetzungsparagraphen im Strafgesetzbuch.

Deren Inhalt sich wie so vieles aus dem Badnerland augenscheinlich immer noch nicht bis nach Sachsen herumgesprochen hat. „Wenn das Verwaltungsgericht Dresden es allen Ernstes für ‚rechtswidrig‘ hält, einen Naziaufmarsch nicht mit Polizeigewalt – die im Übrigen, wie die Polizei selbst zutreffend erkannt hatte, angesichts des friedlichen Auftretens von 12.000 Menschen völlig unangemessen gewesen wäre – durchzuprügeln, ist etwas faul im Rechtsstaat Sachsen“, stellt Bartl fest und konstatiert nüchtern, dass offenbar „eine gewisse Schwerhörigkeit mancher Richter“ gegenüber dem Bundesverfassungsgericht bestünde.

Die demokratische Zivilgesellschaft werde sich mit Blick auf den 13. und 19. Februar von „dieser Gerichtsentscheidung, die auf Kriegsfuß mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht, sicherlich nicht irritieren lassen.“

Die NPD begrüßte das Urteil erwartungsgemäß und kündigte Anzeigen gegen alle Unterstützer der Protestaufrufe für das Jahr 2011 an. Das sächsische Innenministerium hat sich noch nicht zu dem Urteil geäußert.


junge welt, 22. Januar 2011

NPD und Dresdner Verwaltungsgericht einig
Urteil: Polizei hätte Nazigroßaufmarsch 2010 gegen Blockaden von 12000 Menschen durchsetzen sollen

Von Markus Bernhardt

Die politischen Auseinandersetzungen um die drohenden Naziaufmärsche im Februar in Dresden nehmen an Schärfe zu. Neofaschisten aus dem gesamten Bundesgebiet und dem europäischen Ausland wollen in diesem Jahr am 13. und am 19. Februar anläßlich des Jahrestages der Bombardierung der Stadt durch die Alliierten während des Zweiten Weltkrieges in der sächsischen Landeshauptstadt aufmarschieren (jW berichtete).

Am Mittwoch entschied das Dresdner Verwaltungsgericht, daß die Polizei den Großaufmarsch der Rechtsextremen im Februar des vergangenen Jahres gegen die etwa 12000 anwesenden Neonazigegner hätte durchsetzen müssen. Diese hatten den Aufzug der braunen Geschichtsverfälscher mittels Massenblockaden erfolgreich ausgebremst, so daß die Rechten unverrichteterdinge die Heimreise antreten mußten.

Die Entscheidung der Richter, die damit einer Klage der extrem rechten »Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland« gegen das Land Sachsen stattgaben, sorgte indes bei Antifaschisten für absolutes Unverständnis. »Für uns steht auch nach diesem Urteil fest, daß ziviler Ungehorsam ein legitimes Mittel ist, um sich Nazis entgegenzustellen«, so Franziska Radtke vom Bündnis »Nazifrei! Dresden stellt sich quer!«, das für den 19. Februar erneut bundesweit zu Massenblockaden gegen die neuerliche rechte Provokation mobilisiert.

Auch Klaus Bartl, rechtspolitischer Sprecher der sächsischen Linksfraktion, übte im Gespräch mit junge Welt harsche Kritik an der Entscheidung der Richter. »Wenn das Verwaltungsgericht Dresden es allen Ernstes für ›rechtswidrig‹ hält, einen Naziaufmarsch nicht mit Polizeigewalt – die im übrigen, wie die Polizei selbst zutreffend erkannt hatte, völlig unangemessen gewesen wäre – durchzuprügeln, ist etwas faul im Rechtsstaat Sachsen«, konstatierte er.

Unterstützung erhielten die Verwaltungsrichter hingegen erwartungsgemäß vom Fraktionschef der neofaschistischen NPD im sächsischen Landtag, Holger Apfel. »Wasserwerfer und die Möglichkeit der Gewahrsamnahme dürfen gegebenenfalls auch nicht vor der Immunität von Abgeordneten des Landtages und des Bundestages haltmachen, wenn es darum geht, am 13. und am 19. Februar endlich wieder das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit offensiv durchzusetzen«, forderte er.

Der Rechtsextremist erstattete zudem Anzeige gegen mehrere Mitglieder des Landesparlaments, die den Aufruf zur Blockade des im Februar stattfindenden Neonaziaufmarsches unterzeichnet haben. Neben Politikern von Linken und Bündnis 90/Die Grünen sind auch Sozialdemokraten davon betroffen.


NPD-Blog.info, 21. Januar 2011

Dresdner Richter erklären Blockaden für rechtswidrig / NPD stellt Anzeigen und fordert Knüppel frei

Die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Dresden hat entschieden, dass die Verhinderung des Trauermarschs der rechtsextremen “Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO)” am 13. Februar 2010 rechtswidrig war. Damit wird die Debatte um Blockaden von Neonazi-Aufmärschen noch einmal angeheizt. Die NPD sprach in typischer Manier von einer “schallenden Ohrfeige” und kündigte Anzeigen gegen Unterstützer der Protestaufrufe für den 13. Februar 2011 an. Die Linkspartei verwies hingegen auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach Neonazi-Propaganda aufgrund der besonderen deutschen Geschichte nicht als Bestandteil des breiten Spektrums schützenswerter Meinungen zu verstehen ist.

Der stellvertretende Vorsitzende und rechtspolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag, Klaus Bartl, sagte, bereits im Jahr 2005 habe seine Fraktion wir mit einem Gesetzentwurf die Aufnahme eines weiteren Staatsziels in die sächsische Verfassung vorgeschlagen, das da lauten sollte: „Rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Aktivitäten sowie eine Wiederbelebung und Verbreitung nationalsozialistischen Gedankengutes nicht zuzulassen, ist Pflicht des Landes und Verpflichtung aller im Land.“ Dieser Gesetzentwurf sei von den anderen demokratischen Fraktionen im Kern mit der Begründung abgelehnt, er sei überflüssig. “Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes waren wir fast versucht, das selbst zu glauben”, so Bartl, “denn wenn die antifaschistische Ausrichtung des Grundgesetzes höchstrichterlich bekräftigt ist, müsste die Botschaft auch ohne „antifaschistische Klausel“ in der sächsischen Landesverfassungsgesetz bei Dresdner Richtern ankommen.”

Dies stellt er aber im Folgenden in Frage: “Wenn das Verwaltungsgericht Dresden es allen Ernstes für „rechtswidrig“ hält, einen Naziaufmarsch nicht mit Polizeigewalt – die im Übrigen, wie die Polizei selbst zutreffend erkannt hatte, angesichts des friedlichen Auftretens von 12.000 Menschen völlig unangemessen gewesen wäre – durchzuprügeln, ist etwas faul im Rechtsstaat Sachsen. Offenbar existiert eine gewisse Schwerhörigkeit mancher Richter gegenüber Urteilen im fernen Karlsruhe. Daher sollten sich die Abgeordneten aller demokratischen Fraktionen des Sächsischen Landtags ein Herz fassen und klarstellen, dass die Unterbindung von Naziaktivitäten Staatsziel in Sachsen ist, dem auch Gerichte verpflichtet sind.” Die demokratische Zivilgesellschaft werde sich mit Blick auf den 13. bzw. 19. Februar 2011 von “dieser Gerichtsentscheidung, die auf Kriegsfuß mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht, sicherlich nicht irritieren lassen”.

Der NPD-Fraktionsvorsitzende Holger Apfel begrüßte das Urteil erwartungsgemäß mit einer altbekannten Floskel. Das Urteil sei “eine schallende Ohrfeige für die Drahtzieher der rechtswidrigen Blockade des Trauermarsches, die nicht nur in den Reihen der aktiv Beteiligten, sondern vor allem auch in der höchsten politischen Führung Sachsens zu finden sind”. Nach dieser Entscheidung forderte er “den Innenminister, den Landespolizeipräsidenten und die Dresdner Versammlungsbehörde auf, endlich auf den Boden des Rechtsstaats zurückzukehren und mit aller gebotenen Härte gegen all jene konsequent vorzugehen, die sich auf neuerlich rechtswidrige Weise dem Trauermarsch nationaler Deutscher in den Weg stellen wollen. Wasserwerfer und die Möglichkeit der Gewahrsamnahme dürfen gegebenenfalls auch nicht vor der Immunität von Abgeordneten des Landtages und des Bundestages Halt machen, wenn es darum geht, am 13. und am 19. Februar endlich wieder das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit offensiv durchzusetzen.” Mit anderen Worten: Knüppel frei gegen friedliche Blockierer, die keine Neonazi-Propaganda-Show dulden wollen.

So eindeutig, wie Apfel es sich wünscht, ist die Lage indes noch nicht. Das Innenministerium und die Dresdner Polizei wollten für eine ausführliche Stellungnahme die schriftliche Begründung der Verwaltungsrichter abwarten.


mdr, 21. Januar 2011

Extremismus
Enttäuschung über Urteil zu Nazi-Aufmarsch

Das Urteil des Dresdner Verwaltungsgerichtes zum Neonazi-Aufmarsch vom 13. Februar 2010 in Dresden sorgt in der Politik und bei Polizeigewerkschaft GdP für Enttäuschung. Die Polizei steht laut GdP-Chef Bernhard Witthaut nun „zwischen Baum und Borke“.

Polizisten räumen eine Sitzblockade linker Demonstranten in Dresden

Sachsen Innenminister Markus Ulbig ist über das Urteil des Dresdner Verwaltungsgerichtes zur Blockade der Neonazi-Demo am 13. Februar 2010 enttäuscht. Ulbig erinnerte daran, dass vor rund einem Jahr in der Landeshauptstadt auch viele Frauen und Kinder an den Blockaden teilnahmen. Es sei nicht möglich gewesen, die Straßen zu räumen. Ulbig geht davon aus, dass die Polizei verantwortungsbewusst handelte. „Ich kann nur sagen, die Polizeiführung hat am 13. Februar 2010 hochprofessionell gearbeitet und aus meiner Sicht die richtigen Entscheidungen getroffen.“

„Bürger sollten sich in Menschenketten einreihen“

Der Innenminister rief die Bürger auf, sich in diesem Jahr zahlreich in die geplanten Menschenketten einzureihen und die Polizei in keine schwierige Situation zu bringen. „Je mehr Menschen bereit sind, sich diesem friedlichen Aufruf anzuschließen und damit ein Zeichen im Herzen der Stadt zu setzen, umso deutlicher werden die Aktivitäten der Rechtsextremen ins Abseits gestellt werden.“

Nach der am Donnerstag vom Dresdner Verwaltungsgericht getroffenen Entscheidung hätte die Polizei den Trauermarsch der Neonazis ermöglichen müssen. Geklagt hatte die Junge Landsmannschaft Ostdeutschland, die seit Jahren am 13. Februar Neonazi-Aufmärsche in Dresden organisiert. Der NPD-Landesvorsitzende und Fraktionschef im Landtag, Holger Apfel, begrüßte die Entscheidung.

Linke: Höchstrichterliche Entscheidung wurde ignoriert

Der Rechtsexperte der Linken im Sächsischen Landtag, Klaus Bartl, sagte, das Verwaltungsgericht habe mit seiner Entscheidung ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVG) vom November 2009 ignoriert. Das BVG habe festgestellt, dass Nazi-Propaganda aufgrund der besonderen deutschen Geschichte nicht als Bestandteil des breiten Spektrums schützenswerter Meinungen anzusehen sei. „Offenbar existiert eine gewisse Schwerhörigkeit mancher Richter gegenüber Urteilen im fernen Karlsruhe“, sagte Bartl. Er halte es auch für schlicht unvorstellbar, dass sich die Polizei bei den Nazi-Demos am 13. und 19. Februar in Dresden durch das „nicht nachvollziehbare Gerichtsvotum“ von einem besonnenen und auf Deeskalation angelegten Vorgehen abbringen lässt.

GdP: Polizei nach Urteil in „schwieriger Situation“

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, sieht die Polizei nach dem Urteil des Dresdner Verwaltungsgerichts vor einer schwierigen Situation. Die Polizei müsse jetzt einen Spagat leisten. Zum einen sei das Recht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit zu schützen. Zum anderen seien Gefahren abzuwehren „von denjenigen, die auch das Recht in Anspruch nehmen“. In einer solchen Situation stehe die Polizei zwischen Baum und Borke. Witthaut appellierte an alle Demonstranten, gewaltsame Auseinandersetzungen zu vermeiden. Gelinge das nicht, müsse die Polizei genehmigte Neonazi-Demonstrationen künftig mit allen Mitteln schützen. Das täte ihm aber in der Seele weh, meinte der GdP-Vorsitzende.

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