Striezelmarkt vs. Denkmal – Erinnerungskultur mit der SPD

Gestern lud der SPD-Ortsverein Dresden-Neustadt zu einer Podiumsdiskussion zum Thema Erinnerungskultur und Gedenkkultur in Dresden ins Herbert-Wehner-Bildungswerk auf der Kamenzer Straße. Benannt ist dieses übrigens nach dem bekannten Nachkriegs-SPD-Politiker, der in seiner Jugend im Dresden der Zwanziger und Dreißiger Jahr militant gegen Naziaufmärsche vorgegangen war.

Auf dem Podium saßen die Künstlerin und Denkmalforscherin Anke Binnewerg, die gerade ein Buch über die stadträumlichen Spuren Victor Klemperers in Dresden geschrieben hat; Martin Chidiac vom Amt für Kultur- und Denkmalschutz der Stadt Dresden und der Historiker, Mitglied der Historikerkommission und Mitbegründer der Interessengemeinschaft „13. Februar 1945“ Matthias Neutzner. Da die Veranstaltung neben interessanten Fakten und Details einen guten Einblick in die Verfasstheit des Gedenkdiskurses in der Stadt bot, gibt es hier einen Bericht.

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Dresdner Denkmal-Wahn

Am Sonntag wurde nun auf dem Heidefriedhof das Trauernde Mädchen als ein weiteres Denkmal für den 13. Februar enthüllt. Bereits im Vorfeld hatte Peter Ufer von und in der Sächsischen Zeitung deutlich gemacht, dass ihm das immer noch nicht reicht. Nach dem die von ihm nach Kräften unterstützte Variante für ein neues Denkmal im vergangenen Jahr letztlich im Sande verlief, hat er nun einen neuen Ansatzpunkt gefunden.

Auf dem Altmarkt soll ein neues Denkmal her. Dort wurden 1945 einige Tausend Bombentote von einem SS-Kommando verbrannt. Dieses konnte vorher diesbezügliche Erfahrungen im Zuge der Vernichtung der Juden sammeln. Heute erinnert auf dem Altmarkt ein Bodenmonument mit im Boden eingelassener Gedenkplakette, sowie eine weitere 2009 von Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) angebrachte Gedenktafel mit der Inschrift: „Dies ist ein Ort der Mahnung, des Erinnerns und Gedenkens. Hier wurden die Leichname tausender Opfer der Luftangriffe des 13. und 14. Februar 1945 verbrannt. Damals kehrte der Schrecken des Krieges, von Deutschland aus in alle Welt getragen, auch in unsere Stadt zurück.“ an das Ereignis.

CDU-Kulturstadtrat Sebastian Kieslich, einer der Wortführer der aktuellen Denkmalforderung, posiert für die Presse mit einer weißen Rose vor der Gedenktafel auf dem Altmarkt.

Immer wieder gab es schon in den vergangenen Jahren Diskussionen über ein großes Monument auf dem Altmarkt. Aus guten Gründen wurde dies bisher letztendlich immer, unter anderem vom Leiter der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, abgelehnt. Nach dem Vorstoß von Peter Ufer letzte Woche in der Sächsischen Zeitung zieht nun die Dresdner CDU nach und fordert, dass der Altmarkt zum zentralen Gedenkort vermutlich anstelle des Heidefriedhofs werden soll. Dazu soll ein Denkmal mit den von den 19.000 von der Historikerkommission recherierten Namen gebaut werden. Aus der FDP waren auch schon ähnliche Vorschläge zu hören, und auch ein Nazigrüppchen aus dem Umfeld der Freien Kameradschaften um Altkader Ronny Thomas (u.a. Sven Hagendorf, Sebastian Reiche, Simon Richter aus Radeberg, Philipp Göhler, Hans Böhm) ließ es sich nicht nehmen, bei der Enthüllung des Trauernden Mädchens auf dem Heidefriedhof die Anwesenden als Heuchler vollzupöbeln, weil ihnen ein Denkmal auf dem Altmarkt lieber wäre. Aus irgendeinem Grund ist ihnen offenbar entgangen, dass so ziemlich alle Anwesende ihrer Meinung gewesen sein dürften. Zum einen hat auch Bürgermeisterin Helma Orosz ihre Unterstützung für das Projekt bekundet, zum anderen wird genau dasselbe Argument für den Bau eines solchen Denkmals ins Feld geführt, nämlich, dass nach dem Aussterben der Erlebnisgeneration, die Bombardierung angeblich vergessen werden würde, wenn es dieses Denkmal nicht geben sollte. Wie sie darauf kommen, und warum das jetzt so schlecht sein soll, wird nicht erklärt. Schon jetzt ist es Tatsache, dass das Gedenken kaum noch von der Erlebnisgeneration getragen wird.

Immerhin werden in der Sächsischen Zeitung von einem anderen Redakteur auch ein paar Bedenken aufgezählt. Dabei geht es um die Frage der Kontextualisierung, die ein solches pompöses Denkmal sicher nicht leisten kann. Außerdem befinden sich unter den aufgezählten 19.000 Namen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch überzeugte Nationalsozialisten, wo sich schon die Frage stellt, warum man diesen explizit gedenken sollte. Da schließt sich gleich die Frage an, ob tatsächlich alle Toten bzw. deren Angehörige  überhaupt damit einverstanden wären, in so einer nivellierenden Aufzählung, in der Juden, Widerstandskämpfer und Nazi kommentarlos nebeneinander gestellt werden, mit aufgeführtt zu werden und Wallfahrtsort für das Gedenken an deutsche Opfer jeglicher Coleur zu werden.

Richtig ist die Anmerkung, dass es in Dresden kein vergleichbares Denkmal für die ermordeten Dresdner Juden gibt. Allerdings wäre selbst die Existenz eines solchen Denkmals, noch lange keine Legitimation für ein ähnliches Denkmal zum 13. Februar.

Der Kulturbürgermeister Ralf Lunau ist bisher eher gegen ein solches Gedenken, hat aber vermutlich eine Mehrheit im Stadtrat gegen sich. Ob die in der Sächsischen Zeitung prognostizierten Debatten tatsächlich eintreffen, bleibt abzuwarten. Bisher war auch aus den anderen Stadtratsfraktionen kaum öffentlicher Widerspruch zum Thema 13. Februar zu hören. Ein aus der Zivilgesellschaft gegründeter Arbeitskreis „Mythos Dresden“, der sich im letzten Jahr noch in die Denkmaldebatte einschaltete, scheint sang- und klanglos wieder eingeschlafen zu sein.

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