SäZ: Bericht über weitere Neonazi-Überfälle am 14. Februar

Samstag, 21. Februar 2009
(Sächsische Zeitung)

Dresden. Nach dem Neonazi-Aufmarsch vom 14. Februar hat es laut Angaben sächsischer Opferberater mindestens fünf Attacken von Rechtsextremisten gegeben. Wie die Opferberatung für Betroffene rechtsextremer Gewalt am Freitag mitteilte, wurde erst jetzt bekannt, dass bei der Abreise von Neonazis am Dresdner Hauptbahnhof eine Asiatin und ihre Tochter in einem Geschäft angegriffen und beschimpft worden seien. Die Opfer seien leicht verletzt worden. Bekannt geworden waren zuvor der Angriff auf Gewerkschafter auf einem Rastplatz bei Chemnitz und eine Attacke gegen Jugendliche in einem Regionalexpress nach Leipzig. Laut Opferberatung griffen Rechtsextremisten zudem einen Journalisten am Dresdner Hauptbahnhof an. Für besondere Empörung hatte der Überfall auf Gewerkschafter an einer Autobahnraststätte bei Jena gesorgt.

Unterdessen wollen die Grünen im Landtag den Polizeieinsatz durch eine Reihe Kleiner Anfragen überprüfen lassen. Es solle unter anderem herausgefunden werden, ob die Begleitung der Aufmärsche durch die Polizei hinreichend war, so Fraktionsgeschäftsführer Karl-Heinz Gerstenberg. (dpa)

Quelle:

http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2081425

Naumburger Tageblatt: Opfermythos setzt sich über Opfer hinweg

Kriegsschuld

Opfermythos setzt sich über Opfer hinweg

Dresden steht wichtige Diskussion zu seiner Geschichte und Gegenwart bevor

VON ANDREAS MONTAG, 18.02.09, 18:55h, aktualisiert 19.02.09, 08:39h

Teilnehmer eines Demonstrationszuges unter dem Motto «Geh Denken!» stehen am vergangenen Samstag in der Innenstadt von Dresden auf dem Theaterplatz zur Abschlusskundgebung. (FOTO: DDP)
Teilnehmer eines Demonstrationszuges unter dem Motto «Geh Denken!» stehen am vergangenen Samstag in der Innenstadt von Dresden auf dem Theaterplatz zur Abschlusskundgebung. (FOTO: DDP)

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DNN: Nach der Demonstration in Dresden: Tauchaer „aus dem Zug geworfen“

Dresdner Neueste Nachrichten, 19.02.2009

 

Nach der Demonstration in Dresden: Tauchaer „aus dem Zug geworfen“
      
Dresden / Taucha. Nach dem Neonazi-Aufmarsch in Dresden hat es einen weiteren, bisher unbekannten Übergriff von Rechtsradikalen auf abreisende Gegendemonstranten gegeben. Neonazis hätten am vorigen Samstag in einem Regionalexpress Mitglieder des Jugendparlaments der Stadt Taucha angriffen und im Landkreis Meißen gewaltsam aus dem Zug geworfen. Eine Frau sei verletzt worden.

Nico Wesser, Sprecher des Jugendparlamentes, berichtete gegenüber der Leipziger Volkszeitung: „In den ersten Zug durften wir nicht, weil der nur für die Anhänger der rechten Szene reserviert war. Eine Stunde später kam ein zweiter Zug, in den wir eingewiesen wurden, obwohl sich dort auch fast nur Rechtsextreme aufhielten. Diese machten von allen Fotos, die offensichtlich nicht ihrer Ideologie angehörten. Ein Mädchen aus Jena, das wir nicht kannten, wollte sich das nicht gefallen lassen. Martin Dorschel, der auch unserem Jugendparlament angehört, und ich gingen dazwischen. Mit dem Ergebnis, dass Martin und das Mädchen an der nächsten Station regelrecht aus dem Zug geworfen wurden"

Wesser sei im Zug geblieben und habe versucht, den „Grund für die Aggressivität“ herauszufinden. Zur Antwort bekam er laut eigenen Aussagen: „Wir stehen nicht so auf Zivilcourage, weißte!“ Auch ihm und den übrigen Tauchaer Jugendlichen sei „angeboten“ worden, am nächsten Bahnhof auszusteigen, was Nico Wesser ohnehin tun wollte. Eine Stunde später waren alle im nächsten Zug wieder vereint – diesmal ohne weitere Zwischenfälle. Trotz dieser brenzligen Situation bezeichnen die Mitglieder des Jugendparlamentes die Beteiligung an der Demonstration als Erfolg. „Wir wollten zeigen, dass wir einen Aufmarsch Rechter nicht dulden“, berichtet der 21-Jährige.

Der Polizei lag keine Anzeige vor, sagte ein Sprecher.

Daniel Große / dpa

 

Quelle:
http://www.dnn.de/aktuell/content/88545.html

Jüdische Allgemeine: Sylke Tempel wünscht sich eine Dresdner Gedenkoffensive

Jüdische Allgemeine Nr. 8/09
19. Februar 2009

! Einspruch !
Sylke Tempel wünscht sich eine Dresdner Gedenkoffensive

Das ist der Gipfel. Nicht nur, dass am Wochenende wieder einmal Neonazis Dresden belagerten, um dort ihre Aufmärsche zum Gedenken an die Bombennacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 zu veranstalten. In diesem Jahr verprügelten sie auch noch einige Gegendemonstranten, darunter Gewerkschafter und Mitglieder der Linkspartei (vgl. S. 2). Nun wird wohlfeil die Polizei kritisiert, die zu wenig getan habe. Nur: Das ist allerhöchstens die halbe Wahrheit. Seit Jahrzehnten vereinnahmen Rechtsextremisten die Stadt und das Gedenken an die Luftangriffe. Zu DDR-Zeiten kam ihnen die staatlich verordnete, antiwestliche Rhetorik von den „anglo-amerikanischen Bombern“ gelegen. Dann sind es Mutlosigkeit und Beschränktheit der Politik gewesen: Die deutsche Linke hatte keine Lust, sich mit dem historischen Ereignis zu beschäftigen, wollte man die Deutschen doch nicht als Opfer sehen. Die Konservativen schwiegen, weil sie den Vorwurf des Revisionismus fürchteten. So konnten die Rechtsextremen gleichermaßen Ort und Gedenken besetzen. Dabei muss es doch möglich sein, zwei Gedanken auf einmal zu denken und dies der Öffentlichkeit plausibel zu machen: Natürlich haben Deutsche unter den Bomben gelitten. Natürlich sind Hunderttausende Zivilisten getötet worden. Natürlich waren viele von ihnen keine Nazis. Dennoch bleibt das Prinzip von Ursache und Wirkung bestehen: Ohne Hitler, den Deutsche gewählt haben, hätte es keinen Zweiten Weltkrieg gegeben und folglich keine alliierten Angriffe auf Hamburg, Köln oder Dresden. Im nächsten Jahr sollte deshalb keine Gegendemonstration, sondern eine Hauptdemonstration stattfinden: mit Politikern der ersten Garde und einer bürgerlichen Mitte, die zugleich das Leiden und die Verantwortung der Deutschen thematisiert. Nur so wird man Dresden und das Gedenken zurückerobern.

Die Autorin ist Chefredakteurin der Zeitschrift „Internationale Politik“.

 

Quelle:
http://juedische-allgemeine.de/epaper/pdf.php?pdf=../imperia/md/content/ausgabe/2009/ausgabe08/01.pdf

SäZ: Neonazi-Aufmarsch in Dresden hat Nachspiel im Landtag

Sächsische Zeitung
Mittwoch, 18. Februar 2009

Neonazi-Aufmarsch in Dresden hat Nachspiel im Landtag

Der Neonazi-Aufmarsch von Dresden am vergangenen Samstag hat ein Nachspiel im sächsischen Landtag. Über einen entsprechenden Antrag informierten die Linken am Mittwoch.

Dresden – Er betreffe auch die Einsatzstrategie der Polizei. Die Linken verlangen von der Regierung Auskunft darüber, ob in die Gefahrenanalyse auch die Verkehrswege von und nach Dresden einbezogen wurden. Mehrere Gegendemonstranten waren bei Attacken von Neonazis verletzt worden. „Wir möchten darüber hinaus wissen, was aus Sicht der Staatsregierung getan werden muss, damit Dresden nicht dauerhaft zu einer Pilgerstätte von Nazis aus ganz Europa wird“, hieß es.

„Nach allem, was bisher bekannt ist, hat das sächsische Innenministerium einseitig die Gegendemonstranten als potenzielles Risiko betrachtet, nicht aber die allseits bekannte Gewalttätigkeit der Neonazis“, erklärte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linken-Fraktion, Caren Lay. Am Samstag waren rund 6000 Rechtsextreme aus Deutschland und dem Ausland durch Dresden gezogen.

Dagegen protestierten mehr als 10 000 Menschen. Hintergrund war der Jahrestag der Zerstörung Dresdens am 13. und 14. Februar 1945. Linksautonome lieferten sich kurzzeitig Scharmützel mit der Polizei, mehrere Demonstranten wurden leicht verletzt. Der Auftritt der Neonazis hatte die Debatte um den Umgang mit Rechtsextremismus erneut entfacht. (dpa)

 

Quelle:

http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2078247

SäZ: Wie andere Städte mit großen Neonazi-Demos fertig werden

Mittwoch, 18. Februar 2009
(Sächsische Zeitung)

Wie andere Städte mit großen Neonazi-Demos fertig werden

Von Claudia Parton

In Dresden gibt es neue Diskussionen, wie mit dem europaweit größten rechten Aufmarsch umzugehen ist

Jena/Dresden. Der bei dem Überfall nahe Jena von Neonazis schwer verletzte Teilnehmer der Demonstration „GehDenken“ in Dresden ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft Gera auf dem Weg der Besserung. Er war mit einem Schädelbruch in die Jenaer Uniklinik eingeliefert worden. Nach drei schwedischen Rechtsextremisten fahnden die Ermittler noch. Unterdessen flammt in Dresden die Diskussion erneut auf, wie mit dem Aufmarsch der Neonazis rund um den Gedenktag der Bombardierung umzugehen sei. Was taten andere Städte?

15000 Kölner stoppen rechtsextremen Kongress

Rund 15000 Bürger stoppten im Herbst einen Kongress europäischer Rechtsextremisten in Köln. Taxifahrer weigerten sich, die Teilnehmer zu befördern. Wirte druckten „Kein Kölsch für Nazis“ auf Bierdeckel. Demonstranten blockierten die Innenstadt. An der Spitze: Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU). „Die Kölner wünschen sich von ihrem Oberbürgermeister deutliche Worte“, sagte eine Stadtsprecherin. Für Mai ist aber ein zweiter Kongress angekündigt.

Leipziger verhindern Marsch zum Völkerschlachtdenkmal

Sechs Jahre lang versuchten Neonazis, einen Aufmarsch zum Völkerschlachtdenkmal zu erzwingen. Leipziger meldeten zeitgleich große Feste an. Der Marsch wurde stets aus Sicherheitsgründen verlegt. Zudem erließ die Stadt zahlreiche Auflagen, deren Einhaltung die Polizei stundenlang kontrollierte. Nie erreichten die Neonazis ihr Ziel. Einen Aufmarsch 2008 sagten sie ab.

CSU-Sitzblockade gegen Hess-Marsch in Wunsiedel

Das Grab des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß im bayerischen Wunsiedel zog seit Mitte der 1980er Jahre Tausende Neonazis an. Bürgermeister Karl-Willi Beck (CSU) ertrotzte vom Bundestag eine Verschärfung des Strafrechts. Seit 2005 wurden die Aufmärsche verboten. In den Jahren zuvor hatte es große Gegendemonstrationen gegeben. Beck setzte sich 2004 mit Hunderten auf die Straße, blockierte so den rechten Zug. Beck heute: „Wir hatten auch deshalb so einen Erfolg, weil von der CSU bis zur Linkspartei alle demokratischen Kräfte zusammengearbeitet haben.“

Jenaer vertreiben rechtes Musikfestival

In Jena rufen Neonazis regelmäßig zum sogenannten Fest der Völker. 2007 campierten Tausende Jenaer zwei Tage lang auf der Wiese vor dem angemieteten Platz. Im Jahr darauf wichen die Rechtsextremisten nach Altenburg aus. 700 Jenaer reisten zum Protest hinterher, auch Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD). Anders als Dresden habe Jena seinerzeit die geplante Route der Rechtsextremisten bekannt gegeben, so Schröter. „Die Gegendemonstranten müssen in Ruf- und etwas mehr als Steinwurfweite zu den Rechtsextremisten protestieren dürfen. Es ist ein politisches Recht, dass ihr Protest auch wahrgenommen wird.“

 

Quelle:

http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2078014

SäZ: Was brauchen „wir Dresdner“ im Februar 2010?

Mittwoch, 18. Februar 2009
(Sächsische Zeitung)

Was brauchen „wir Dresdner“ im Februar 2010?

Von Oliver Reinhard

Auch CDU-Mann Rohwer schlachtet das Gedenken an die Opfer vom Februar 1945 aus – und schadet ihm.
Der 37 Jahre junge CDU-Kreischef Lars Rohwer ist ein engagierter und ambitionierter Politiker. Das ist grundsätzlich gut. Man kann in ihm aber zudem einen Hitzkopf sehen, dem in seinem Wunsch nach Profilierung mitunter ganze Pferdeherden durchgehen. Wie jetzt, als Rohwer in kalkuliertem Lokalpatriotismus die sonnabendliche Abschlussveranstaltung des politisch breit gefächerten „GehDenken“-Bündnisses gegen den Aufmarsch von Rechtsextremisten aufs Korn nahm. Er verkündete in absolutistischer Manier: „Wir Dresdner brauchen an diesem Tag keine zu Rockmusik tanzenden Linken auf dem Opernplatz!“

Ewiger „Opfermissbrauch“

Nun muss und wird man sicher darüber diskutieren, in welcher Form „wir Dresdner“ künftig an die Bombenangriffe vom Febraur 1945 erinnern und „uns“ gegen rechtsextremen Missbrauch des Ereignisses wehren sollten. Nur darf ein derart wichtiges Anliegen keinesfalls Lars Rohwer überlassen werden. Und keinem Politiker, der wie er das „GehDenken“-Bündnis zur „linken“ Gruppe verfälscht und jegliche Protestformen gegen laute Nazi-Aufmärsche ablehnt. Außer die in diesem Falle leider wirkungslosen „Ruhe und Besinnung“. Der die Form des bürgerlichen Gedenkens Tausender Demokraten überdies schmäht, um daraus populistisches Kapital zu schlagen. Bedauerlicherweise mit jenem Totschlagsargument, das auch NPD-Chef Holger Apfel gerne benutzt: „Das ist eine Verhöhnung der Opfer.“ Also mit einem Satz, der seinerseits einen Opfermissbrauch darstellt.

Sehnsucht nach dem Bündnis

Im Gegensatz zu Rohwer war sein Parteifreund Patrick Schreiber stolz, „dass sich so viele Menschen an den verschiedenen Demonstrationen beteiligt haben und damit ein deutliches Signal gegen den braunen Sumpf und dessen Geschichtsverfälschung“ setzten. Zudem sind mittlerweile das „GehDenken“-Bündnis und Mitglieder aller demokratischen Parteien grundsätzlich einig, dass Dresden mit Blick auf den 13. Februar 2010 dringend ein überparteiliches Bündnis benötigt gegen rechtsextremistische Umtriebe, welche Form auch immer es haben wird. Eins, das die tapferen Worte der CDU-Oberbürgermeisterin Orosz („Die Bürger dieser Stadt wissen sich zu wehren“) in die Tat umsetzt.

Aber dieses dringend notwendige Bündnis, auch das wissen alle daran Interessierten, ist eine überaus schwere Geburt. Um so wichtiger wird es nicht nur für die CDU sein, offensichtliche Bündnisgegner wie Lars Rohwer, denen jegliche Toleranz gegenüber Anders-Gedenkenden abzugehen scheint, so schnell wie möglich zu integrieren.

 

Quelle:
http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2077556

SäZ: Streit nutzt Rechten

Dienstag, 17. Februar 2009
(Sächsische Zeitung)

Streit nutzt Rechten

Thilo Alexe über den Konflikt im Umgang mit Neonazis

Vermutlich sind Neonazis selten so gut drauf wie nach diesem Wochenende. Trotz Kundgebungen, Gegendemonstrationen und Gedenkfeiern konnten mehr als 6000 Rechtsextremisten bei einem scheinheiligen Trauermarsch durch die City schaurige Präsenz zeigen. Sonst zerstrittene NPD-Kader und Freie Kräfte zogen fröhlich vereint am Rathaus vorbei. Viele Jugendliche waren darunter.

Damit befasst sich die Politik allerdings nur am Rand. CDU und linke Parteien streiten stattdessen um das wahre Konzept gegen Nazis rund um den 13. Februar. Darf Musik gespielt werden? Reicht eine Rede? Oder besser ein Gebet?

Die Fragen mögen berechtigt sein. Der Streit hat aber – zusätzlich befeuert von der Gewalt Autonomer – eine Vehemenz erreicht, die einen Kompromiss schwer macht. Der jedoch ist nötig, um den Extremisten wirklich etwas entgegenzusetzen. Es braucht eine zentrale Veranstaltung, um demokratische Kräfte zu bündeln und mehr Dresdner zu motivieren. Scheitert sie, frohlocken die Nazis auch 2010.

 

Quelle:
http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2077015

SäZ: Innenminister lobt Dresdner Polizei: „Ein schwieriger Großeinsatz“

Dienstag, 17. Februar 2009
(Sächsische Zeitung)

Innenminister lobt Dresdner Polizei: „Ein schwieriger Großeinsatz“

Von Alexander Schneider
Während viele, die gegen Nazis demonstriert haben, die Polizei kritisieren, gab es gestern viel Lob von höchster Stelle.

30 meist leicht verletzte Beamte (darunter ein Knalltrauma und eine Knöchelfraktur) und 20 demolierte Einsatzfahrzeuge – das ist die Bilanz des Wochenendes aus Sicht der Polizei. 4300 Beamte aus elf Bundesländern waren im Einsatz. Dresdens Polizeichef Dieter Hanitsch sagte, es sei gelungen, die Demonstranten strikt zu trennen.

Die Mehrzahl der Demos war friedlich. Nur vereinzelt sei es zu Ausschreitungen zwischen 500 Autonomen und der Polizei „als Ersatzgegner“ gekommen. Den Vorwurf, Beamte hätten durch unangemessenes Verhalten bewusst die angespannte Situation verschärft und friedliche Menschen nicht zu ihren Demos gelassen, wies Hanitsch von sich. Bis gestern wurden mehr als 110 Ermittlungsverfahren eingeleitet. 35Nazis müssen sich wegen Waffenbesitzes verantworten. Sie hatten etwa Quarzsandhandschuhe, Hammer oder Pyrotechnik dabei. Bei den Autonomen wird unter anderem wegen Landfriedensbruchs (27 Fälle), Körperverletzung (16), Sachbeschädigung (27) und Brandstiftung ermittelt.

Etwa ein Viertel der Verdächtigen stammt aus Dresden. Die autonomen Straftäter kamen aus dem Bundesgebiet, die Rechtsextremisten darüber hinaus auch aus Holland, Tschechien und Slowenien.

Der sächsische Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) und Landespolizeipräsident Bernd Merbitz haben sich gestern ausdrücklich bei Hanitsch und allen Polizisten für den „schwierigen Großeinsatz“ bedankt. „Kompliment“, sagte Buttolo. Er freue sich auch, dass die Nazis erstmals von der historischen Altstadt fern gehalten wurden. Jedoch sei es bedauerlich, dass die Rechtsextremisten die Polizei immer wieder in diese schwierige Lage drückten: „Es ist pervers, das Gedenken in Dresden für politische Zwecke zu missbrauchen.“

 

Quelle:
http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2076956

SäZ: CDU-Chef kritisiert linke Demonstration

Dienstag, 17. Februar 2009
(Sächsische Zeitung)

CDU-Chef kritisiert linke Demonstration

Von Thilo Alexe

Die 6000 Neonazis sind wieder abgezogen, die Probleme bleiben. Wie soll sich eine Stadt dagegen zur Wehr setzen? Welche Mittel sind im Kampf gegen Extremismus wirksam? Wie kann den schätzungsweise 25000 Bombentoten würdevoll gedacht werden? Ein schwelender Parteienstreit ist am Montag wieder aufgeflammt. Die Vehemenz, mit der er geführt wird, zeigt: Eine rasche Lösung ist nicht in Sicht.

CDU Bemängelt Rockmusik

Im Mittelpunkt stehen Dresdner CDU-Funktionäre. Besonders Äußerungen von Kreischef Lars Rohwer sind umstritten. „Wir Dresdner brauchen an diesem Tag keine zu Rockmusik tanzenden Linken auf dem Opernplatz! Das ist eine Verhöhnung der Opfer“, sagt Rohwer mit Blick auf den 14. Februar. Und: „Wir Dresdner brauchen keine Instrumentalisierung dieses schicksalhaften Tages durch wahlkämpfende linke Bundespolitiker.“ Gemünzt ist die Kritik auf die Kundgebung des Bündnisses „Geh Denken“ mit SPD-Chef Franz Müntefering, der Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth und Links-Fraktionschef Gregor Gysi .

Dresdner Grüne für Merkel

Andere Parteien sind empört. „Wer die Demonstration gegen die Nazis diffamiert, arbeitet letztendlich den Rechtsextremen in die Hände“, wirft Grünen-Chef Stefan Kühn Rohwer vor. Er weist zudem dessen Kritik an linken Spitzenpolitikern zurück. „Wir hätten auch gern Frau Merkel in Dresden begrüßt.“ Linkspartei-Vorsitzender Hans-Jürgen Muskulus spricht von einem „Skandal ersten Ranges“. Der CDU-Abgeordnete beschimpfe Tausende, die trotz des Frostes in Dresden ein Zeichen gegen den modernen Faschismus gesetzt hätten.

SPD lobt Helma Orosz

SPD-Chefin Sabine Friedel bringt einen anderen Aspekt in die Debatte. „Herr Rohwer spricht nicht für die Dresdner CDU“, sagt sie. Sie lobt zugleich CDU-Oberbürgermeisterin Helma Orosz wegen ihrer klaren Worte gegen Rechtsextremisten. Friedel trifft damit den Kern. In der CDU stehen sich konservative Hardliner und eher moderate Politiker gegenüber. Ein Beispiel: Der Dresdner Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz vertritt gar die These, dass der Protest bei „Geh Denken“ die Neonazis stärke. Denn die profitierten von der Polarisierung.

Gesprächsrunde im März

„Dresden wird auch 2010 Pilgerstätte für Nazis aus ganz Europa sein.“ Christian Demuth von der Initiative „Bürger Courage“ sieht das Nein der CDU für ein Engagement bei „Geh Denken“ als Grundproblem. Rohwer zeigt sich allerdings gesprächsoffen. „Wir stehen bereit“, sagt er mit Blick auf den 65. Jahrestag der Zerstörung 2010. Allerdings lehne die Union laute Proteste ab. Demokraten müssten „inne halten“ und zu einem Konsens auf Basis der „Dresdner Gedenkkultur“ finden. Rohwer meint damit stille Andachten und Gottesdienste, die auch Zeichen gegen Extremisten seien. Nach Angaben von Grit Hanneforth, die sich im Kulturbüro Sachsen seit Jahren gegen Rechtsextremismus engagiert, ist für März ein Treffen aller Demokraten geplant. Die Stadt schließt derweil ein Demonstrationsverbot für Rechte aus. Das sei mit der jetzigen Gesetzeslage nicht vereinbar. Die Linke wirft Dresden vor, den Nazis einen „beschwerdefreien Marsch“ durch die City erlaubt zu haben. Ein Stadtsprecher verweist dagegen auf Auflagen für die Rechten.

 

Quelle:
http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2077026

SäZ: Überfall nach Demo: Polizei sucht Neonazis aus Schweden

Dienstag, 17. Februar 2009
(Sächsische Zeitung)

Überfall nach Demo: Polizei sucht Neonazis aus Schweden

Nach dem Überfall auf 80 Teilnehmer der Dresdner Demonstration „GehDenken“ gegen Neonazis hat die Polizei drei schwedische Rechtsextremisten bundesweit zur Fahndung ausgeschrieben.

Jena/Dresden. Die drei saßen in einem Bus, dessen Insassen am Sonnabend an einer Raststätte bei Jena die Demonstranten aus Hessen und Nordrhein-Westfalen angegriffen hatten. Drei Opfer mussten im Krankenhaus behandelt werden. Ein 43-jähriger Mann erlitt eine Schädelfraktur. Er wurde operiert und liegt nun auf der Intensivstation der Jenaer Universitätsklinik.

Thüringer Ermittler hatten den Bus mit den 41 zum Teil polizeibekannten Rechtsextremisten 15 Minuten nach dem Angriff angehalten, nach Aufnahme aller Personalien aber weiterfahren lassen. „Wir wussten zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass es Schwerverletzte gab“, sagte ein Sprecher der Jenaer Polizei. Ob sich die schwedischen Neonazis noch in Deutschland befinden, konnte er nicht sagen. Über eine Zusammenarbeit mit schwedischen Polizeibehörden habe es bislang keine Absprachen gegeben.

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, forderte gestern ein neues NPD-Verbotsverfahren. SPD-Chef Franz Müntefering sprach von einer „neuen Warnung an uns alle“. Die Stadt Dresden wies Kritik zurück, den Aufmarsch von rund 6000 Neonazis am Wochenende genehmigt zu haben. Für ein Verbot gebe es keine juristische Grundlage, sagte ein Sprecher.

Unterdessen hat die Dresdner Polizei rund 110 Strafverfahren gegen rechts- und linksextreme Demonstranten eingeleitet. 35 Teilnehmer der Neonazi-Demo müssen sich wegen Verstößen gegen das Waffengesetz verantworten. Gegen linke Autonome ermittelt die Polizei wegen Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung, Brandstiftung und Sachbeschädigung.

Dresdens Polizeichef Dieter Hanisch lobte den Großeinsatz mit rund 4300 Polizisten als Erfolg. Lediglich aus einer Demonstration von Antifaschisten heraus habe es Angriffe gegen die Polizei gegeben. Sachsens Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) und Landespolizeipräsident Bernd Merbitz bedankten sich bei allen Beamten. (mit AP)

Quelle:
http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2077207

SäZ: Überfall an Raststätte: Polizei ließ Neonazis ziehen

Dienstag, 17. Februar 2009
(Sächsische Zeitung)

Überfall an Raststätte: Polizei ließ Neonazis ziehen

Von Claudia Parton
Etwa 20 Rechtsextremisten sollen bei Jena auf die Teilnehmer der Dresdner Demonstration losgegangen sein. Ein Opfer liegt nun auf der Intensivstation.

Der Überfall an der Raststätte Teufelstal bei Jena dauerte nur ein paar Minuten. Noch bevor die Polizei eintraf, waren die Neonazis auf und davon. Zurück blieben drei schwerverletzte Opfer. Ein 43-jähriger Hesse liegt mit einem Schädelbruch auf der Intensivstation der Jenaer Uniklinik. „Er war der letzte, der einstieg. Die Rechten haben ihn wieder aus dem Bus gezerrt“, sagt Holger Kindler, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes Nordhessen.

Etwa 20 Neonazis sollen es gewesen sein, die auf die drei Busse mit den 80 Teilnehmern der Dresdner Demonstration „GehDenken“ losgingen. Das Zusammentreffen am Rande der Autobahn 4 war offenbar Zufall. Weder kannten sich die Opfer aus Hessen und Nordrhein-Westfalen, noch war jemandem aufgefallen, dass die Rechtsextremen ihre Busse gezielt verfolgten. Er habe sie erst wahrgenommen, als sie Mitreisende beschimpften, so Kindler. Mit dem Ruf „Attacke Antifa“ seien sie losgestürmt.

Die Thüringer Polizei kann bislang wenig zu dem Überfall sagen. Die Beamten stehen in der Kritik, weil sie den Bus mit den Neonazis nach dem Vorfall anhielten und die Personalien aller 41 Insassen aufnahmen. Dann aber durften die Rechtsextremisten weiterfahren. Keine 48 Stunden später schrieb die Polizei drei schwedische Neonazis aus dem Bus zur Fahndung aus. Es bestehe Fluchtgefahr, so ein Polizeisprecher. Staatsschutz und Kriminaltechniker sollen den Überfall gemeinsam aufklären.

Nach ersten Ermittlungen weist die Polizei Angaben der NPD zurück, wonach die Demonstranten die Rechten zuerst angriffen. Ein Thüringer Sprecher der rechtsextremen Partei sagte, die Linken hätten Steine und Flaschen geworfen. Man habe sich verteidigt. Man erwäge, selbst Strafanzeige zu stellen. Der NPD-Sprecher bestätigt, dass im Bus der Rechtsextremisten auch Parteimitglieder saßen.

Bundesweit sorgen die Ausschreitungen für scharfe Reaktionen. Die Linkspartei und der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, forderten ein neues NPD-Verbotsverfahren. Der Zentralrat der Juden sprach von einem dramatischen Signal. Bereits Stunden vor den Ausschreitungen bei Jena war es bei Chemnitz zu einem Überfall auf Demonstranten gekommen. Dabei wurden drei Menschen leicht verletzt. Die Polizei nahm zwölf Neonazis in Gewahrsam. (mit dpa)

Quelle:
http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2076918

SäZ: Buttolo in Erklärungsnot

Dienstag, 17. Februar 2009

Buttolo in Erklärungsnot, Opfer geht es besser

Dem Opfer des Neonazi-Überfalls an der Raststätte Teufelstal geht es besser. Unterdessen forderten Sachsens Linke Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) in Dresden auf, sich bei den Opfern des Überfalls zu entschuldigen.

Jena – Der von Neonazis schwer verletzte Demonstrant aus Hessen ist auf dem Weg der Besserung. Der 42-Jährige sei in einem Jenaer Krankenhaus (Thüringen) am Kopf operiert worden und außer Lebensgefahr, teilte der Pressesprecher der Geraer Staatsanwalt, Ralf Mohrmann, am Dienstag mit. Gegen die 41 Neonazis werde wegen gefährlicher Körperverletzung und schweren Landfriedensbruchs ermittelt. Dafür sei eine Sondereinsatzgruppe gebildet worden. Der Überfall steht im Zusammenhang mit dem Aufmarsch der Neonazis in Dresden. Sie trafen bei der Rückfahrt auf dem Rastplatz Teufelstal an der Autobahn 4 auf den Bus mit Gegendemonstranten.

Der Angriff sorgte am Dienstag weiterhin für Kritik an der Polizei und der Politik. Der DGB Hessen-Thüringen warf den Verantwortlichen Versagen vor. Ihm sei unerklärlich, wie angesichts des massiven Aufmarschs von Rechtsextremen in Dresden dem Thüringer Innenministerium eine so krasse Fehleinschätzung der Gefährdungslage unterlaufen konnte, sagte Gewerkschaftschef Stefan Körzell in Frankfurt. „Jedes Fußballspiel, jedes Radrennen wird besser geschützt als Menschen, die ihr verfassungsrechtlich verbrieftes Grundrecht auf Demonstration wahrnehmen.“ Es sei unverständlich, warum die Busse mit Rechtsextremen nicht observiert worden seien.

"Überfall statt Auseinandersetzung"

Sachsens Linke forderten Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) in Dresden auf, sich bei den Opfern des Überfalls zu entschuldigen. Er habe eine „Auseinandersetzung“ genannt, was ein Überfall war, sagte die innenpolitische Sprecherin der Linke-Landtagsfraktion, Cornelia Ernst, laut einer Mitteilung. Damit habe er sich die Behauptung der NPD zu eigen gemacht, ihre Leute seien angegriffen worden. Ein Sprecher des Innenministeriums stellte gegenüber dpa klar, dass Buttolo die Vorfälle bereits bedauert habe. Der Minister habe gesagt, dass solche Auseinandersetzungen bei An- und Abreise, dazu noch außerhalb Sachsens, aus polizeilicher Sicht grundsätzlich leider nicht zu verhindern seien. Frau Ernst habe den O-Ton falsch wiedergegeben. Dies dementierte die Linke-Fraktion mit dem Verweis auf den Tonband-Mitschnitt der Fernsehsendung.

Die Thüringer Gewerkschaft der Polizei äußerte sich dagegen skeptisch zu Forderungen nach einem umfassenden Schutz für an- und abreisende Kundgebungsteilnehmer. Natürlich ließe sich mit noch mehr Polizisten die Sicherheit erhöhen, sagte Landesvorsitzender Jürgen Schlutter. Allerdings sei fraglich, ob deutlich mehr Kräfte einen solchen Vorfall wie an der Raststätte verhindern könnten. „Nicht alles ist planbar, und es gibt keine hundertprozentige Sicherheit oder ein Patentrezept.“ (dpa)

 

Quelle:

http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2077297

FAZ: Blick zurück nach vorn

FAZ 17.2.09

Blick zurück nach vorn

Von Irene Bazinger

16. Februar 2009 Alljährlich wird in Dresden des schrecklichen Bombardements durch alliierte Fliegerverbände im Februar 1945 vielfältig gedacht: ob besinnlich mit Kerzen und Mahnwachen, ob mit Forderungen nach „Nie wieder Krieg“ und „Nazis raus“ bei Demonstrationen aus dem linken Spektrum oder mit Gebrüll vom „Bomben-Holocaust“, wie es die rechte Szene nicht lassen kann. Diesmal tobte die Schlacht zwischen den politischen Kontrahenten besonders heftig. Ob sich da jemand einfach verrechnet hatte – ein halbwegs runder Jahrestag stünde eigentlich erst 2010 an? Oder ob man im Superwahljahr keinen Anlass versäumen wollte, Stimmung in eigener Sache zu machen?

Das Staatsschauspiel Dresden jedenfalls hatte vorsorglich eine Leinwand an die Fassade gehängt, um die Premiere von „Die Wunde Dresden“ aus dem Saal in Richtung Postplatz zu übertragen – wo man eine Zusammenrottung von Neonazis erwartete. Diese blieben jedoch aus oder ignorierten gemeinerweise die gutgemeinte Collage, die der Regisseur Volker Lösch mit dem Dramaturgen Stefan Schnabel recherchiert und auf die von Cary Gayler komplett weiß ausgeschlagene Bühne gebracht hatte.

Klinisch saubere Uraufführung

Die Textauswahl reichte von Andreas Gryphius über Franz Kafka bis zu Helmut Kohl, umfasste Zeitzeugenberichte, historische Dokumente und Gesänge. Knapp zwei Stunden dauerte die zwischen Selbsterforschung, Nabelschau und lokalpatriotischem Dünkel angesiedelte Nummernrevue zum Generalthema „Dresden gestern, heute, immer – nazideutsch, ostdeutsch, gesamtdeutsch“. Deshalb säuselte Marlène Meyer-Dunker in einem Ausschnitt aus Gerhart Hauptmanns „Iphigenie in Aulis“ oftmals das Wort „Heil“, und Karina Plachetka hatte als Goethes Faust zackig-germanische Wesensart zu verdeutlichen: „Die Tat ist alles / Nichts der Ruhm.“

Den überwiegenden Teil der klinisch sauberen Uraufführung bestritt indes der aus sozial benachteiligten und arbeitslosen Laien gebildete „Dresdner Bürgerchor“. Er ist hier nicht nur „das Volk“, sondern vor allem „ein Volk“, spricht und singt mit einer einzigen Stimme. Alle Choristen tragen Nachtgewänder und rostbraune, später, als das Stück – „Auferstanden aus Ruinen“ – in die DDR steuert, weiße Bademäntel. Der deutsche Michel als Schlafwandler in seiner Vergangenheit oder ein Haufen stationärer, bestens dressierter Irrenhäusler, die erst Hitler feiern und danach „O Haupt voll Blut und Wunden“ schmachten? Die den Klassikern so aufmerksam lauschen wie den Propagandareden des Herrn Goebbels? Und die ihre Betten zu einer großen Liegewiese aneinanderschieben, auf der sie wie Kinder ihre ganz persönlichen Wünsche von „Weltweit das Geld abschaffen“ bis zu „Und dann wird gevögelt ohne Ende“ äußern.

Vergnügliche Versuchsanordnung

Redlich ausgedacht, solide choreographiert und manchmal sogar ein wenig keck, wenn über die restaurierte Frauenkirche gelästert wird, vermag Volker Löschs Inszenierung allerdings weder inhaltlich zu überzeugen noch durch die aufgebotene Masse Mensch zu überrumpeln. Sie hält sich mit routinierter Oberflächlichkeit aus ihrem Sujet heraus – und kriegt es, allem heiligen Ernst und didaktischem Eifer zum Trotz, nie in den Griff.

Während über dieser Aufführung die unbeantwortete Frage lastet, wie es denn sein könne, dass Menschen einander derart viel Leid und Schmerz zufügen, wird daraus in der Skala, der kleinen Filiale des Schauspiels Leipzig, das seit letztem Herbst „Centraltheater“ heißt, eine vergnügliche Versuchsanordnung. „Maschinenwinter“ verschränkt auf spielerisch leichte Weise maßgebliche Thesen aus Dietmar Daths gleichnamiger Streitschrift über den Zusammenhang von Wissen, Technik und Sozialismus mit Ridley Scotts Science-Fiction-Film „Blade Runner“ (1982), weil es in beiden um die Wechselbeziehungen zwischen dem Homo sapiens und den von ihm geschaffenen Maschinen geht. Doch anstatt dass die Menschen deren Potentiale zugunsten eines besseren Lebens für alle nutzen, betreiben sie damit zumal Unterdrückung, Ausbeutung, Krieg.

Theorie mit Tanzbein

Der Regisseur Martin Laberenz (Jahrgang 1982) bereitet die ziemlich trockene Materie mit fünf jungen Akteuren als Gangsterbräuten und Philip-Marlowe-Epigonen im Stil eines typischen Detektivstreifens so kurzweilig reflektiert wie unterhaltsam übermütig auf. Vor ein paar Telefonzellen mit Folienwänden zeigen sie im Bühnenbild von Maike Storf hübsch stilisierte Karikaturen von abstrakten Arbeitsabläufen, wenn etwa der Boden penibel mit Manuskriptseiten ausgelegt wird, und von den Schwierigkeiten solidarischen Handelns – wenn zwei stürzen, weil sie einander helfen wollten, und den schönen Papierteppich ruinieren.

Hinter der Bühne lärmen die Schauspieler gern in eine Kamera, brüllen sich über Ökonomie und Liebe, Moral und Profit heiser, wie das René Pollesch, der Begründer des sozialkritischen Diskurstheaters, vorgemacht hat. Aber das tut dem beherzt die Theorien auf die Tanzbeine stellenden Abend keinen Abbruch. „Die Menschen müssen ihre Maschinen befreien, damit die sich revanchieren können“, fordert Dath. Trotz mancher Untiefe liefert Martin Laberenz dazu ein erfrischend und gekonnt inszeniertes Plädoyer.

Text: F.A.Z.
Bildmaterial: R. Arnold/CT

 

Quelle:
http://www.faz.net/s/Rub4D7EDEFA6BB3438E85981C05ED63D788/Doc~E029058D7F9394DF5968121DCB3488F44~ATpl~Ecommon~Scontent.html

SäZ: Leserbriefe zum 13./14. Februar 2009

Dienstag, 17. Februar 2009
(Sächsische Zeitung)

Hier schreiben die Leser zu den Ereignissen am 13. und 14. Februar

Andere Städte unterbinden den Aufmarsch der Nazis

Ich finde es als Dresdnerin unerträglich, dass ausgerechnet in unserer Stadt die braune Brut mit ihrem kriminellen Gedankengut eine Plattform zum Aufmarsch erhält. Wieso wird das nicht wie in anderen Städten Deutschlands verboten? Es tut mir für alle Dresdner, die das 1945 miterleben mussten, leid. So ein Aufmarsch darf sich niemals wiederholen. Dresden muss dafür alles tun, dass wir kein Sammelbecken für die Nazis werden, wo sie sich austoben dürfen, was woanders schon längst unterbunden wird.M. Walter, per E-Mail

 


Die halbe Innenstadt wurde protestfrei gemacht

So richtig kann man die Haltung des Ordnungsamtes und der Gerichte nicht verstehen. Der Treff von Geh Denken wird am WTC verboten und man gewinnt den Eindruck, dass Proteste gegen den Nazi-Aufmarsch soweit wie möglich von den braunen Horden entfernt stattfinden sollen, damit diese nicht merken, dass es auch Widerstand gegen sie gibt. Es wird die halbe Innenstadt protestfrei gemacht. In Leipzig und in Bayern ist man da weiter, da standen die OBs mit den Bürgern auf der Straße und verhinderten den braunen Aufmarsch. Warum in Dresden nicht, bleibt das Geheimnis unserer Oberbürgermeisterin. Burkhardt, per E-Mail

 


Konzert an diesem Tag ist eine Verhöhnung der Opfer

Ich bin empört, in welcher Art und Weise das Gedenken an die Zerstörung unserer Stadt politisch instrumentalisiert wurde, und zwar vom rechten wie vom bürgerlich-linken Lager. So hat mich die Veranstaltung „Geh Denken“, an der ich selbst teilgenommen habe, eher an die Loveparade erinnert, als an einen Tag, an dem man in solidarischer Trauer der Vernichtung einer europäischen Kulturmetropole gedenkt. Es ist eine Verhöhnung der damals Beteiligten an diesem historischen Tag ein Konzert auf dem Theaterplatz zu veranstalten, auf dem die Stimmung einem Volksfest gleicht. In den Reden der Veranstalter ging es in erster Linie darum, den Kampf gegen Rechtsextremismus zu proklamieren. Was am 13./14. Februar 1945 geschah, wurde in Nebensätzen abgehandelt. Sebastian Stahn, per E-Mail

 


Marschrouten richteten sich gegen Geh Denken-Bündnis

 

2007 ist es engagierten Nazigegnern gelungen, durch eine Blockade der Augustusbrücke den Marsch der „Nationalen“ ins Zentrum zu verhindern. In diesem Jahr sollte mittels Sternmarsch der Nazi-Aufmarsch im Dresdner Stadtzentrum verhindert werden. Aber die Verantwortlichen der Polizeidirektion Dresden sahen das wohl anders. Die Nazis erhielten die Genehmigung, sich am Hauptbahnhof zu treffen. Der dem Hauptbahnhof am nächsten gelegene Sternmarschtreff wurde kurzfristig vom WTC zum Wettiner Platz verlegt. Die Marschrouten des Bündnisses Geh Denken durften nicht durchs Zentrum gelegt werden.

Margot Gaitzsch, per E-Mail

 


Zu wenig Dresdner zeigten „Gesicht“

Man fragt sich, wie es sein kann, dass alljährlich die Dresdner entsetzt sind über den Nazi-Aufmarsch, der den Gedenktag am 13. Februar missbraucht für Geschichtsumdeutung. Wo sind sie, wenn es darum geht, Gesicht zu zeigen? Zahlenmäßig ist die Teilnahme einer Halbmillionenstadt nicht würdig.A. Feiks, per E-Mail

 

Quelle:
http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2077134

erste Kritik an Polizeieinsatz und Presseberichterstattung

Kritiken am Polizeieinsatz: Von Bürger.Courage (15.2.), Grüner Jugend (16.2.) und Ulla Jelpke von der Linken (16.2.)

Um den Gegensatz, nämlich die ausgesprochen freundliche Behandlung der Nazis durch die Polizei deutlich zu machen, hier noch der Link zum Bericht von Andrea Röpke im "Blick nach Rechts" zum Naziaufmarsch: bnr.de/bnraktuell/brandaktuell/gespenstischestreiben

Ein Kommentar zur Presseberichterstattung über den Neonaziaufmarsch in Dresden von Radio F.R.E.I., Erfurt: "Im Zerrspiegel der Presse, oder: heißt die Antwort wirklich Dresden?" vom 17.02.2009, Länge: 6:40 Minuten, hier zu downloaden und anzuhören: freie-radios.net/portal/content.php?id=26384

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