Märkische Oderzeitung: Stahlwerker bei der Demo in Dresden

Märkische Oderzeitung
Montag, 16. Februar 2009

Stahlwerker bei der Demo in Dresden

Eisenhüttenstadt/Dresden Zum Gedenken an die Luftangriffe auf Dresden 1945 sind auch Stahlwerker aus Eisenhüttenstadt gereist – um gemeinsam mit Tausenden anderen Teilnehmern gegen den wiederholten Aufmarsch von Rechtsextremisten zu protestieren. Rund 50 Mitarbeiter von ArcelorMittal waren dem Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes gefolgt. Einige hatten sich dafür extra frei genommen. Mit einem von der IG Metall gestellten Bus fuhren sie am Sonnabend in die sächsische Landeshauptstadt, reihten sich mit Fahnen und Transparenten in den Demonstrationszug, der vom Neustädter Bahnhof zur Semperoper führte. Dabei trafen sie unter anderem auf Kollegen aus Salzgitter.

"Wir wollten ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen, gegen Rassismus, Intoleranz und Geschichtsverdrehung", sagte Steffen Hafki, stellvertetender IG Metall-Vorsitzender bei ArcelorMittal in Eisenhüttenstadt und verwies darauf, dass dies auch Devise seines Unternehmens sei. "Deshalb nehmen wir an solchen Aktionen teil. Es war gut, dass so viele Menschen wieder Gesicht und Flagge gezeigt und deutlich gemacht haben, dass wir diesen braunen Spuk nicht wollen."

 

Quelle:
http://www.moz.de/index.php/Moz/Article/category/Eisenh%25FCttenstadt/id/265830?

Bild: Neonazis treten Gewerkschafter Schädel ein

bild.de
16.02.09

Neonazis treten Gewerkschafter Schädel ein

Brutaler Neonazi-Überfall nach der Friedenskundgebung in Dresden!

Neonazis attackierten auf einem Rastplatz in Thüringen Mitglieder des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) aus Hessen und der Linkspartei, die gegen Rechts demonstriert hatten.

DGB-Mitglied Holger Kindler: „Wir waren auf dem Heimweg. Die Neonazis haben unsere zwei Busse mit Flaschen und einem mehrere Kilogramm schweren Eisklotz angegriffen. Ein Kollege konnte sich nicht mehr in den Bus retten.“ Er sei dann so lange gegen Kopf und Oberkörper getreten worden, bis er sich nicht mehr gerührt habe – Schädelbruch, Klinik!

Insgesamt gab es fünf Verletzte. Die Polizei ermittelt gegen alle 41 Neonazis aus dem saarländischen Reisebus wegen Landfriedenbruchs.

 

Quelle:
http://www.bild.de/BILD/news/2009/02/16/chaoten/neonazis/treten-gewerkschafter-schaedel-ein.html

 


 


bild.de
17.02.09

Neo-Nazis schlugen mich fast zum Krüppel
Felix (18) wurde mit seiner Reisegruppe von rechten Schlägern überfallen und zusammengeprügelt. Jetzt sitzt er im Rollstuhl

Von MORITZ SCHÄFER

Felix F. war nach Dresden gefahren um ein Zeichen zu setzen. Gegen Gewalt, Rassismus und rechtes Gedankengut. Doch am Ende landete der 18-jährige Lüdenscheider im Krankenhaus.

Am Wochenende war das Juso-Mitglied mit 18 anderen jungen Leuten bei der Demo gegen Neo-Nazis, die den Jahrestag der schweren Bombenangriffe 1945 auf Dresden für ihre Hetze nutzten. Auf dem Rückweg kam es dann zum Zusammenstoß mit den Rechten.

Felix: „Wir hielten bei Jena an einer Raststätte. Acht von uns stiegen aus dem Bus, wollten sich etwas zu Essen besorgen.“ Schon im Restaurant waren Rechtsextreme, auch auf dem Rastplatz standen überall welche herum. „Sie pöbelten, machten sogar den Hitler-Gruß.“

Die Jusos wollten sicherheitshalber wieder in den Bus – doch zu spät. „Kurz davor haben mir zwei von ihnen die Beine weggetreten.“ Als er dann auf dem Boden lag, haben beide auf sein rechtes Bein eingetrampelt, brüllten „Antifa-Pussy“.

Am Ende kam jemand Felix zu Hilfe, die rechten Schläger flohen vor der Polizei. Der Bus fuhr direkt nach Jena ins Krankenhaus. Ein DGB-Mitglied erlitt sogar einen Schädelbruch. Felix kam mit schweren Prellungen am Bein und am Schädel davon, war schon zur Nachuntersuchung in Lüdenscheid.

Doch er lässt sich nicht einschüchtern: „Jetzt werde ich mich erst recht gegen Neo-Nazis und ihre Ideologie einsetzen!“

 

Quelle:

http://www.bild.de/BILD/news/2009/02/17/neo-nazis/schlugen-felix-fast-zum-krueppel.html

Indymedia: 13./14. Februar 2009 – Überblick

Ein Indymedia-Artikel fasst die Ereignisse zusammen:
Am 13.2. das offizielle Gedenken am späten Vormittag auf dem Heidefriedhof, noch immer mit den Nazis; der Fackelmarsch der Nazis am Abend und die Gegenkundgebung mit 700 Antifas.
Dann der 14.2. mit dem Naziaufmarsch und der No pasarán-Demo mit 4.000 Antifas und dem von der Polizei provozierten Ende der Demo unweit der Nazidemo, und die Ereignisse im Nachgang; Geh Denken, Polizeiübergriffe und Verletzte sowie Pressehetze.

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SäZ: Nazi-Aufmarsch löst Debatte zum Umgang mit Rechtsextremen aus

Sächsische Zeitung, Montag, 16. Februar 2009

Nazi-Aufmarsch löst Debatte zum Umgang mit Rechtsextremen aus

Der Aufmarsch von rund 6.000 Neonazis am Samstag in Dresden hat die Debatte zum Umgang mit Rechtsextremen erneut entfacht.
Dresden – Der Zentralrat der Juden sprach von einem dramatischen Signal. Der Aufzug zeige, dass die Warnungen vor der wachsenden Gefahr von Rechts weder Phantomschmerzen seien noch unnötige Hysterie oder Panik, sondern berechtigte Sorge, sagte Generalsekretär Stephan Kramer am Montag in der „Berliner Zeitung“. Er kritisierte, dass sich keine Bundesprominenz von konservativer und liberaler Seite auf der Gegendemonstration in Dresden blicken ließ.

Rechtsextreme aus ganz Deutschland und dem Ausland hatten am Samstag den Jahrestag der Bombardierung Dresdens am 13./14. Februar 1945 wie jedes Jahr für einen Aufmarsch genutzt. Allerdings gab es noch nie so viele Teilnehmer wie diesmal. Laut Verfassungsschutz war es europaweit eine der größten Kundgebungen der Rechtsextremisten in der jüngeren Geschichte. Ein parteiübergreifendes Bündnis rief unter dem Motto „Geh denken“ dazu auf, ein Zeichen gegen Rechts zu setzen. CDU und FDP beteiligten sich nicht, da sie mit Blick auf die 25 000 Opfer der Angriffe ein stilles Gedenken für angemessen hielten.

„Dieses Datum ist nicht für politische Kundgebungen geeignet“, sagte der Fraktionschef der CDU im sächsischen Landtag, Steffen Flath, am Montag der dpa. Solch ein Politspektakel sei nicht im Sinne der Dresdner. Zugleich hielt er es für dringend geboten, dem „braunen Spuk in Dresden“ zu unterbinden. Flath schlug vor, große Teile der Innenstadt künftig nicht mehr für solche Demonstrationen freizugeben. Dresdens CDU-Chef Lars Rohwer bedauerte, dass es kein einheitliches Vorgehen gab. Für eine Demonstration mit „Bannern und Plakaten“ stehe die Union aber nicht zur Verfügung. Ähnlich äußerte sich die FDP.

Wegducken, wegsehen, schönreden?

„Wegducken, wegsehen und schönreden, das ist im Kampf gegen Rechts offenbar die Strategie der CDU“, erklärte SPD-Generalsekretär Dirk Panter und kritisierte namentlich den CDU-Bundestagsabgeordneten Arnold Vaatz. Der hatte auf seiner Website die Ansicht geäußert, dass eine Teilnahme am „Geh denken“ letztlich den Rechtsextremismus stärke, weil dieser mit einer wohlkalkulierten Konfrontation international Aufmerksamkeit zu erlangen versuche.

Die Linken sprachen von einem Armutszeugnis für ganz Sachsen. „Im Gegensatz zu vielen anderen Regionen Deutschlands hat bei uns die CDU ein gemeinsames Auftreten aller Demokraten gegenüber den Nazis verhindert, auf diese Weise die Bevölkerung verunsichert und die Wirkung des Widerstandes gegen die Nazis geschwächt“, erklärte die Parteichefin der Linken, Cornelia Ernst. Es sei ein schweres Versagen der Dresdner Stadtverwaltung, den Rechtsextremen einen „völlig beschwerdefreien Marsch mitten durch 1-a-Innenstadtlagen ermöglicht zu haben“. (AP)

Quelle:
http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=2076252

taz: „Nur ein bisschen stärker“

Die taz berichtet gut und sehr realitätsnah – ein Lichtblick angesichts der gruseligen Berichte in der Sächsischen Zeitung, wo von No pasarán als rot-braunem Block die Rede ist und wo Ursache und Wirkung vertauscht wurde: Nicht wir haben die Polizei angegriffen, sondern die Polizei hat uns die genehmigte – die von Ordnungsamt und Gerichten zugewiesene – Route verweigert und dann die Demonstrationsspitze massiv angegriffen. Continue reading

Spiegel Online: Wie Neonazis Dresden zu ihrer Pilgerstätte machen

Spiegel online
15.02.09

GEDENKTAG
Wie Neonazis Dresden zu ihrer Pilgerstätte machen

Aus Dresden berichtet Veit Medick

Ein lebendes Schandmal: 6000 Neonazis kamen am Wochenende nach Dresden und missbrauchten das Gedenken an die Bombardierung vor 64 Jahren. Ihr "Trauermarsch" ging in diesem Jahr mitten durch die Innenstadt. Das konnten selbst die gut 12.000 Gegendemonstranten nicht verhindern.

Dresden – Was sind sie stolz auf ihre Frauenkirche, die Dresdner. Punkt viertel vor zehn am Freitagabend, gerade haben in der ganzen Stadt die Kirchenglocken angefangen zu läuten, recken sie die Köpfe nach oben, umarmen sich und mustern das Bauwerk. Es ist ihr Symbol, das Symbol der Versöhnung. Sie sind gekommen, um zu erinnern. An die vielen tausend Menschen, die bei den Luftangriffen vom 13. bis 15. Februar vor genau 64 Jahren ums Leben kamen – und an die verbrecherischen Kriege der Nazis, die die Alliierten zu den Bombardements verleiteten.
Es ist bitterkalt, trotzdem haben sich Hunderte mit Kerzen rund um den Kirchenneubau versammelt. Es könnte eigentlich eine schöne Stimmung sein, festlich und ruhig. Wenn nicht an jeder Ecke der Stadt an diesen beiden Tagen Polizisten stehen würden.


Und wenn es nicht auch dieses andere Dresden gäbe.

Das andere, gruselige Dresden lässt sich wenige Stunden später, am Samstagmittag, ebenfalls mitten in der Innenstadt besichtigen. Rund 6000 Neonazis aus ganz Europa ziehen durch die Straßen. Auch sie sind gekommen, um zu erinnern. Seit zehn Jahren kommen sie jedes Jahr. Die Gedenktage der Bombardierung sind zum Highlight für Rechtsradikale geworden. Sie wollen in Dresden den Kampf um das Gedächtnis gewinnen und sich gegenseitig ihrer kruden Mythen vergewissern. Zum Beispiel, dass mit Dresden eine "unschuldige" Kulturstadt dem Erdboden gleichgemacht worden sei. Oder dass "Hunderttausende" Zivilisten das Leben hätten lassen müssen.
Mit all diesen Legenden hat eine 2004 von der Stadt eingesetzte Historikerkommission eigentlich längst aufgeräumt. 25.000 Menschen sind nach deren Angaben gestorben. Und die Stadt war nie ein beschauliches Elbflorenz. Auch von hier wurden Juden deportiert. Zudem wurde hier Hitlers Krieg an der Ostfront strategisch vorbereitet.


Moderates Auftreten ist Strategie

Doch das interessiert heute keinen einzigen Rechten. Sie marschieren mitten durch die Einkaufszone, die Dresdner Politik hat es ihnen erlaubt. Die "Junge Landsmannschaft Ostdeutschland" hat zu dem "Trauermarsch" aufgerufen. Ihre Trauer gilt ausschließlich den deutschen Opfern, versteht sich, der Rest der Geschichte wird ausgeblendet. Gekommen sind sie alle, die freien Kameradschaften, die Burschenschaften und natürlich die NPD-Fraktion im sächsischen Landtag, samt ihrem Chef Holger Apfel und dem Bundesvorsitzenden Udo Voigt. Es gibt keine Parolen, kein Gebrüll. Sie treten moderat auf, Typ Biedermänner. Was sie sagen wollen, tragen sie auf Bannern vor sich her. "Alliierter Bombenholocaust", steht darauf, "Geschichtliche Wahrheit bringt geistige Freiheit" oder "Ehre den deutschen Trümmerfrauen". An die deutsche Kriegsschuld will hier niemand glauben.

Flankiert von der Polizei bleiben sie alle paar Minuten stehen – einfach so, zwischen Commerzbank und Karstadt am Altmarkt, während die Dresdner ihrem Samstagseinkauf frönen, als wäre nichts. Es ist eine stille Machtdemonstration.
Es scheint ja auch niemanden so richtig zu stören. Von den gut 12.000 Gegendemonstranten wissen die Rechten nur vom Hörensagen, deren Protestzug wird streng abgeschirmt durch den anderen Teil der Altstadt geführt. Kontakt? Nicht möglich. Nur rund zwei Dutzend Antideutsche haben sich durch die Sperren mogeln können. "Nie, nie, nie wieder Deutschland", halten sie den Neonazis entgegen und entrollen ein paar US- und Israelflaggen. Ein tapferes Pärchen ruft: "Nazis raus!", zwei Mittzwanziger brüllen: "Stalingrad war wunderbar, Naziopa blieb gleich da." Aber das ist alles so harmlos, dass selbst die Schläger unter den Rechten nur müde lächeln.

Pöbeln lassen sie andere, das ist ihre Strategie. Genauer gesagt, die der NPD. Für die Partei ist der Aufmarsch eine Chance, zu demonstrieren, dass die rechte Szene doch nicht so zerstritten ist, wie zuletzt immer wieder zu hören und zu lesen war. Gut sechs Monate vor der Landtagswahl kann das nicht schaden. Am 30. August wollen die Nationalen unter allen Umständen den Wiedereinzug ins sächsische Parlament schaffen. Und wo, wenn nicht in Dresden, kann man schon mal ordentlich mobilisieren.


Düsterer Fackellauf am Freitagabend

Tatsächlich drängt sich der Eindruck auf, dass es hier eine Menge Menschen gibt, die Geschichte etwas anders sehen, als man gemeinhin hoffen dürfte. Ansonsten wäre es den Rechten wohl kaum möglich, ihren jährlichen Fackellauf völlig ungestört abzuhalten.
Der Zug ist dieses Jahr schon am Freitagabend, gewissermaßen die Ouvertüre zum ganz großen Trauermarsch am Folgetag. Das "Aktionsbündnis gegen das Vergessen" hat dazu aufgerufen. Gleich hinter dem Bahnhof sammeln sich rund tausend Neonazis, unter ihnen Thomas "Steiner" Wulff, der in ihren Kreisen als Führungsfigur gilt. Um sieben Uhr setzt sich die Gruppe, abgeschirmt von der Polizei, in Bewegung. Vorneweg marschieren sechs Kameraden mit Skelettkostümen und schwarzen Kreuzen. Rund zwei Stunden geht es durch Neubausiedlungen in der Vorstadt.

Die Straßenzüge sind düster, kein Gegendemonstrant ist weit und breit zu sehen. Ab und zu lehnt sich ein Anwohner mal aus dem Fenster, ohne aber groß auf sich aufmerksam zu machen. Eine Frau steht im Vorgarten. Wie sie den Aufmarsch denn fände? "Mutig, mutig", sagt sie. Am Wettiner Platz, nach der Hälfte der Wegstrecke, kommt der Zug zum Stehen. Ein Redner wettert über die "Luftmörder mit ihrer todbringenden Fracht", doziert über "Hunderttausende Opfer" und rühmt die Gefallenen an der "Heimatfront". Dann halten die Rechten eine Schweigeminute ab. Nichts regt sich. Hier gehört ihnen die Straße.

Mehrere tausend Menschen protestieren gegen Neonazis

Es gibt natürlich auch frohe Botschaften an diesem Wochenende. Die Gegendemonstrationen zum Beispiel. 6000 Menschen sind nach Polizeiangaben am Nachmittag vor die Semperoper gekommen, zur Abschlusskundgebung der Aktion "Geh Denken". Linke Parteien, Kirchen und Gewerkschaften sprechen gar von 7500 Teilnehmern. Sie hatten dazu aufgerufen, den Neonazis die Stirn zu bieten. Selbst Parteiprominenz ist angereist: SPD-Chef Franz Müntefering etwa. Die "braune Soße" dürfe in Deutschland "nie wieder eine Chance haben", ruft er den Aktivisten entgegen. Grünen-Chefin Claudia Roth ist auch da. Sie sei schockiert, sagt sie, wie die Rechtsextremen mit Parolen vom "Bombenholocaust" die Verbrechen der Nationalsozialisten relativierten. Am Mittag hat Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) zudem ein Mahnmal in der Altstadt eingeweiht.

Die harte Polizeistrategie hat auch funktioniert. Wo immer Rechtsextreme und Autonome hätten aufeinandertreffen können – alles war vorher schon mit Tausenden Polizisten aus dem gesamten Bundesgebiet rigoros abgeriegelt. Zwischenfälle konnten so vermieden werden. Nur am Schlossplatz gibt es mal kurz Rangeleien zwischen Polizei und Autonomen. Ansonsten bleibt die Lage ruhig.


Doch nächstes Jahr werden die Neonazis wiederkommen. Dresden ist zu ihrer Pilgerstätte geworden.

 

Quelle:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,607669,00.html

DNN: Auf Dresdens Gedenken an die Zerstörung 1945 fällt ein Schatten

Dresdner Neueste Nachrichten, 15.02.2009

 

Auf Dresdens Gedenken an die Zerstörung 1945 fällt ein Schatten

Dresden. Dresden scheint 64 Jahre nach seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg von einem stillen Gedenken an die Tragödie weit entfernt. Auch in diesem Jahr bestimmten Demonstrationen, ein Großaufgebot der Polizei und Krach am Rande das Bild von einer Stadt, die eigentlich nur trauern wollte. Einem würdevollen Erinnern am Freitag mit Gottesdiensten, Totenmessen und einer Kranzniederlegung folgte am Samstag ein Aufmarsch von rund 6000 Neonazis aus ganz Deutschland und dem Ausland. Ihnen stellten sich mehr als 10 000 Demonstranten entgegen, die unter dem Motto „Geh Denken“ gegen einen Missbrauch dieses Datums durch Rechtsextremisten protestierten.

„Wenn 100 Nazis kommen, dann müssen 200 von uns da sein“, rief die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, den Demonstranten zu. „Wir müssen viel, viel, viel mehr sein. Das ist das Versprechen von Dresden.“ Bis zu diesem Zeitpunkt hatten schon viele Dresdner bei eisiger Kälte auf Sternmärschen ein Zeichen gegen Rechtsextremismus gesetzt. Auch von auswärts kamen Hunderte angereist. Ein paar mögen auf Krawalle erpicht gewesen sein, denn beim Finale von „Geh Denken“ waren viele Linksautonome nicht mehr zu sehen.

Schon am Mittag glich der Hauptbahnhof einer Festung. Dort hatten sich Neonazis aus ganz Deutschland versammelt. Die NPD demonstrierte Geschlossenheit, parteiinterner Zoff blieb unter der Decke. Parteichef Udo Voigt marschierte an der Seite seines Kontrahenten Andreas Molau, eingerahmt von schwarzen Fahnen und Plakaten mit markigen Parolen. Die Ursachen des Zweiten Weltkrieges verlieren sich in wilden Verschwörungstheorien, von deutscher Schuld ist keine Rede.
„Die Opfer haben ein würdiges Andenken verdient und keine Vereinnahmung durch rechtsextreme Propaganda“, sagte Claudia Roth: „Wenn Rechtsextreme vom sogenannten Bombenholocaust in Dresden reden, dann ist das der Versuch, die nationalsozialistische Terrorherrschaft zu relativieren, sie vergleichbar zu machen. Das ist der perfide Sinn hinter der verlogenen Nazi-Trauer hier in dieser Stadt.“ Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, erinnerte an die Toten von Dresden, aber auch an die ersten Opfer der Nationalsozialisten – an Juden, Sinti und Roma, Kommunisten, Sozialdemokraten, Kirchenvertreter, Homosexuelle, Gegner der Nazis.

Seit der Bombardierung Dresdens am 13./14 Februar 1945 gibt es die Debatte, ob die Stadt schuldig oder unschuldig den Luftangriffen der Briten und Amerikaner ausgesetzt war. Etwa 25 000 Menschen verloren ihr Leben, Rechtsextreme hängen als Beleg für ein Kriegsverbrechen gern noch eine Null an die Opferzahl. Dresden galt zwar als Hochburg der Nazis und wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Andererseits trafen die Bomben fast ausnahmslos wehrlose Zivilisten in der Innenstadt. „Heute verstieße ein solches Bombardement klar gegen das Völkerrecht. Aber einen Umstand dürfen wir nie vergessen: Wie andere Länder auch befanden sich die USA und Großbritannien in einem Verteidigungskrieg, der Aggressor war kein anderer als Deutschland“, betonte Gysi.

Ob Aufnahmen vom „Geh Denken“ das Bild Dresdens in ausländischen Medien prägen werden, darf bezweifelt werden. Die Kameras blieben erneut vor allem auf Neonazis gerichtet. Dabei hätten es gerade diesmal auch ein paar andere Bilder verdient. Dresden feierte mit Vertretern aus Coventry 50 Jahre Städtepartnerschaft. Die britische Stadt war 1940 von den Deutschen zerstört worden. Mit ihrem Bündnis zeigen die beiden Kommunen Versöhnung der ehemaligen Kriegsgegner. Die Semperoper ließ auf einen riesigen Plakat den Dichter Erich Kästner zu Wort kommen: „Jeder ist mitverantwortlich für das, was geschieht und für das, was unterbleibt.“

Jörg Schurig, dpa

 

Quelle:
http://www.dnn.de/aktuell/content/88137.html

Aufruf: Polizeigewalt melden

Als unsere Demonstration in die Schloßstraße einbog, wurden Demonstrationsteilnehmer von der Polizei angegriffen. Die Angriffe waren so heftig, dass wir die Demonstration auflösen mussten. Obwohl unsere Route bis zum etwa noch 300 Meter entfernten Theaterplatz angemeldet war, sperrte die Polizei die Straße und ging auf Höhe Taschenbergpalais massiv gegen die Demonstranten vor. Obwohl diese sich bisher defensiv verhalten hatten. Mit Pfefferspray und Schlagstöcken wurden dutzende DemonstrantInnen
verletzt. Besonders schwere Verletzungen riefen die
Bambusrohrschlagstöcke einer ungekennzeichneten Einheit hervor.

Schickt Gedächtnisprotokolle sowie Bild- und Filmaterial,
welches den brutalen Einsatz der Polizeikräfte zeigt oder beschreibt an 13februar -at- riseup.net oder
mail@addn.me (Alternative Dresden News).

pgp-key

Cops mit Bambusstöcken

Quelle

netzzeitung: Nach dem Jahrestag der Bombardierung: Die Dresdener Schande für Deutschland

Zu den Aussagen des Polizeipräsidenten Dieter Hanitsch ist anzumerken, dass es, nachdem die Polizei die genehmigte Route der No pasarán-Demo zum Theaterplatz kurzerhand in der Schloßstraße absperrte, selbstverständlich zu Versuchen kam, diese illegale Polizeiblockade zu durchbrechen. Als sich in der Folge die Polizei stundenlang nur noch mit dem Drangsalieren von AntifaschistInnen, mit dem Ziel, sie aus der Innenstadt zu treiben, beschäftigte, hat es auf dem Weg in die Neustadt gewalttätige Akte gegen leerstehende Fahrzeuge der Polizei gegeben. Auch bürgerliche DemonstrantInnen wurden gehindert, auf den Theaterplatz zu gelangen. Wenn die Trennungsstrategie der Polizei vorsah, die Innenstadt für die Nazis zu reservieren, ist diese tatsächlich aufgegangen.

Nach dem Jahrestag der Bombardierung:
Die Dresdener Schande für Deutschland

netzzeitung.de, 15. Feb 2009 09:58

Aufräumarbeiten in Dresden

Aufräumarbeiten in Dresden
Foto: dpa

Um die 6000 Neonazis kamen am Wochenende nach Dresden, die Stadt erlebte den größten Polizeieinsatz in der jüngeren Vergangenheit. 86 Personen landeten in Polizeigewahrsam, die Polizei ist mit dem Großeinsatz zufrieden.

Am Rande der Demonstrationen und Gedenkveranstaltungen zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens hat die Polizei drei Personen festgenommen. 86 Personen wurden in Gewahrsam genommen, wie die Polizei am Samstagabend mitteilte.

Die meisten davon hätten gegen das Versammlungsgesetz verstoßen, weil sie vermummt gewesen seien oder Passivbewaffnung bei sich getragen hätten. Ermittelt wird zudem unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruch, Sachbeschädigung, versuchter Brandstiftung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Es kam zu Angriffen auf Polizeibeamte, bei denen 30 Polizisten leicht verletzt wurden.

In einem ersten Fazit zeigte sich Polizeipräsident Dieter Hanitsch zufrieden mit dem Einsatzverlauf. «Unsere Taktik ist aufgegangen. Durch die strikte Trennung der Aufzüge konnten wir gegenseitige Provokationen und Auseinandersetzungen verhindern», sagte er. «Allerdings konnten sich mehrere hundert Teilnehmer einer linken Demo nicht mit dieser strikten Trennung abfinden und ließen in der Folge ihre Aggressionen an den eingesetzten Polizisten aus.»

Der Polizeieinsatz am Samstag war der größte der Dresdner Polizei in der jüngeren Vergangenheit. Insgesamt rund 4.300 Polizisten wurden aufgeboten. Sie kamen von der Bundespolizei, aus mehreren anderen Bundesländern und von allen sächsischen Polizeidienststellen.

10.000 gegen Rechts, 6000 dafür

An der Demonstration der Initiative «Geh denken» nahmen laut Polizei rund 6.500 Menschen teil. Zu dem Aufzug des Bündnisses «No Pasaran» sammelten sich den Angaben zufolge etwa 3.500 Personen. Nach Einschätzung der Polizei befanden sich darunter 1.500 gewaltbereite Teilnehmer. Ein Drittel davon sei massiv gewalttätig geworden. Beide Demonstrationen wandten sich mit Sternmärschen und Kundgebungen gegen Rechtsextremismus.

Ein überparteiliches Bündnis hatte die Dresdner aufgerufen, unter dem Motto «Geh Denken» ein Zeichen gegen Rechts zu setzen. Auch bundespolitische Prominenz wie der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering, Grünen-Chefin Claudia Roth und der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Gregor Gysi, reihten sich ein. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sagte zum Auftakt: «Es ist gut, dass hier so viele Menschen stehen und Flagge zeigen. Wir müssen die Antidemokraten heute und an jedem anderen Tag in die Schranken weisen.»

Beim Aufzug der «Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland», zu dem Neonazis aus dem In- und Ausland anreisten, zählten die Beamte 6.000 Personen. Der Jahrestag der Bombardierung Dresdens durch Briten und Amerikaner am 13. und 14. Februar 1945 wird regelmäßig von Rechtsextremisten instrumentalisiert.

Inschrift auf dem Altmarkt

Seit Samstag erinnert eine Inschrift auf dem Altmarkt an die Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg. Die Inschrift gibt Auskunft darüber, was geschah: «Hier wurden die Leichname tausender Opfer der Luftangriffe des 13. und 14. Februar 1945 verbrannt. Damals kehrte der Schrecken des Krieges, von Deutschland aus in alle Welt getragen, auch in unsere Stadt zurück.» Bei der Bombardierung Dresdens kamen etwa 25.000 Menschen ums Leben. (dpa/AP/nz)

welt: Fatale Spirale – „Kampf gegen Rechts“ lockt Nazis nach Dresden

Die Stoßrichtung dieses Artikels der Welt geht leider völlig in die falsche Richtung: Hier wird suggeriert, weniger Widerstand würde dem Naziaufmarsch auch weniger Zulauf bringen. Das dies falsch ist, zeigt die einfache Betrachtung des Wachsens des Naziaufmarsches seit 1998: Der Aufmarsch wurde im Windschatten des in den ersten fünf Jahren nahezu gänzlich ausgebliebenen Gegenwindes erst so groß, wie er heute ist. Als dann begonnen wurde, gegen den Aufmarsch zu arbeiten, war es längst zu spät, den festen Termin der extremen Rechten im Keim zu ersticken oder gegen den inzwischen zu groß gewordenen Aufmarsch ohne Gefahr zu protestieren. Auch die Behörden der Stadt stellen sich bis heute nicht wirklich quer, um es den Nazis ungemütlich zu machen.
Desweiteren wird antifaschistischer Widerstand recht plump auf das Agieren von antideutschen "Antifa-Grüppchen" reduziert.


Fatale Spirale
"Kampf gegen Rechts" lockt Nazis nach Dresden

Von Richard Herzinger 14. Februar 2009, 17:29 Uhr

Während die Dresdner versuchen, mit der Zerstörung der Stadt auf würdige Weise umzugehen, haben die Neonazis den Gedenktag zu einem ihrer zentralen Propagandathemen gemacht. Je mehr vom Gedenken auf den "Kampf gegen Rechts" umgeschwenkt wird, desto attraktiver wird der Ort für Neonazis.

Samstagnachmittag glich Dresden einem Heerlager von Polizeikräften aus ganz Deutschland. So gut wie jede Ecke der Innenstadt war von ihnen überwacht, der Verkehr kam praktisch zum Erliegen. Doch der Eindruck, der nach außen dringt, täuscht. Nicht politische Parolen, nicht Nazi-Aufmärsche und Gegendemonstrationen sind es, die das jährliche Gedenken der Dresdner an die Zerstörung ihrer Stadt durch die alliierten Bombenangriffe vom 13. und 14. Februar 1945 eigentlich ausmachen. Es ist vielmehr die Stille.

Minutenlang steht der Chor schweigend auf der Bühne vor der Frauenkirche, bevor er an diesem kalten Freitagabend mit seinem Gesang die zentrale Gedenkveranstaltung der evangelischen Kirche und der Stadt Dresden eröffnet. Die rund dreitausend Bürger, die auf den Neumarkt gekommen sind, schweigen mit. Und auch während der Ansprachen der Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) und des Hauptredners, des früheren SPD-Chefs Hans-Jochen Vogel (SPD), wird untereinander kaum ein Wort gesprochen. Der Beifall fällt zurückhaltend aus. Nicht etwa, weil die Reden nicht zu Herzen gehen würden. Sondern weil die Stille des trauernden Eingedenkens nicht zu grell durchbrochen werden soll.

Es macht den Dresdnern zunehmend zu schaffen, dass ihr Versuch, mit dem Untergang ihrer Stadt vor 64 Jahren auf würdige Weise umzugehen, nicht mehr respektiert wird. Seit die Neonazis ihn zu einem ihrer zentralen Propagandathemen gemacht haben und jedes Jahr mit ausdauernder Dreistigkeit demonstrierend in die Stadt einfallen, um nationalistische Hassparolen zu verbreiten, droht das Dresdner Gedenken an die zwei Tage, als bis zu 25.000 Menschen im Feuersturm starben, von ihrem Ungeist kontaminiert zu werden.

„Diese Bande hat in Dresden nichts zu suchen“, ruft Oberbürgermeisterin Orosz vor der Frauenkirche aus. Und Vogel rekapituliert unter dem Veranstaltungsmotto „wahrhaftig gedenken – versöhnt leben“ einmal mehr die Schuld des nationalsozialistischen Deutschland, die aus dem Erinnern an das Dresdner Leid nicht ausgeblendet werden darf. Den versammelten Bürgern muss man das eigentlich nicht mehr sagen. Die auch mit britischen Spenden und britischer Hilfe wiederaufgebaute Frauenkirche ist an sich ein bedeutendes Zeichen dafür, dass Ressentiments und Geschichtsrevisionismus in Dresdens Gedenkkultur keinen Platz haben. Doch die Nähe der Extremisten – schon Freitagabend marschieren fast tausend „autonome Nationalisten“ auf – zwingt, mit der Geschichtslektion immer wieder von vorn anzufangen.

Spirale von Mobilisierung und Gegenmobilisierung

Der Widerstand gegen die Vereinnahmung durch die Rechtsextremen hat das Dresdner Gedenken in eine fatale Spirale von Mobilisierung und Gegenmobilisierung gebracht. Am Samstag verwandelt sich Dresden von einem Ort des Eingedenkens in ein riesiges politisches Kampffeld.

Das Bündnis „Geh Denken“, das vom DGB und der zivilgesellschaftlichen Initiative Kulturbüro Sachsen initiiert wurde und dem sich Politiker vor allem der SPD, der Grünen und der Linken sowie Kirchenleute, Prominente und verschiedenste Bürgerinitiativen angeschlossen haben, hat zu drei Demonstrationszügen gegen die angekündigte Demo der Rechtsextremisten aufgerufen – insgesamt nehmen um die 10000 Bürger daran teil. Sie starten von unterschiedlichen Punkten aus, um die „Präsenz der Demokratinnen und Demokraten“ in der ganzen Stadt zu zeigen und sich zur Abschlusskundgebung auf dem Theaterplatz zu treffen, wo unter anderen der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering und Grünen-Chefin Claudia Roth sprechen werden. Allein im Hauptzug vom „Goldenen Reiter“ aus setzen sich am frühen Samstagnachmittag mehrere Tausend Menschen in Bewegung.

Am Hauptbahnhof haben sich derweil, von der Polizei streng abgeriegelt, rund 5000 meist schwarz gekleidete, überwiegend jugendliche Rechtsradikale mit schwarzen Fahnen und Reichskriegsflaggen zur Kundgebung mit anschließendem „Trauermarsch“ versammelt. Holger Apfel, NPD-Fraktionschef im sächsischen Landtag, schwadroniert vom alliierten Bombenkrieg als einem „einzigartigen Holocaust“ an den Deutschen und wütet gegen „die mörderische Fratze des amerikanischen Imperialismus“.

Dilemma der Demokraten

Dass dieses Jahr mehr Rechtsextremisten da sind als jemals zuvor, zeigt das Dilemma der Demokraten: Je mehr politische Gegenkräfte sie auf die Beine bringen, je mehr gegen von überall her herangekarrte Neonazis bundesweite politische Prominenz aufgefahren wird und sich der Schwerpunkt des Dresdner Jahrestags so vom Gedenken auf den „Kampf gegen Rechtsextremismus“ verlagert, umso attraktiver wird das Datum für die Neonazis. Finden sie hier doch eine ideale mediale Bühne und tanken das befriedigende Gefühl auf, die verhasste Demokratie in helle Aufregung versetzen zu können.

Für Verwirrung sorgen zudem linksradikale Antifa-Grüppchen, die von ihren rechtsextremen Feinden optisch kaum zu unterscheiden sind. Sie haben Dresden ebenfalls als zentralen Kampfplatz entdeckt und sich am Freitagabend mit einem dröhnenden Freiluft-Rockkonzert am Altmarkt unter der Parole „Keine Versöhnung mit Deutschland!“ schon einmal für den nächsten Tag in Stimmung gebracht. Am Samstagnachmittag liefern sie sich in der Dresdner Altstadt ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei.

Nur die Dresdner CDU verweigert sich dem Spektakel. Lars Rohwer, CDU-Kreischef und Landtagsabgeordneter, meint, man dürfe sich „von der Instrumentalisierung durch die Nazis seinerseits nicht eine immer stärkere Politisierung des Gedenkens aufzwingen lassen“. Doch Dresden ist bereits zum zentralen symbolischen Kampfplatz erbitterter geschichtspolitischer Auseinandersetzungen geworden. Und niemand weiß, wie die Spirale ihrer Eskalation zu stoppen ist.

erste Pressemitteilung nach der Demo

4000 Menschen demonstrierten friedlich und entschlossen, bis die Polizei in der Innenstadt, wenige hundert Meter von den Nazis entfernt die Lage eskalierte, in dem sie auf der Schloßstraße die vom Ordnungsamt gewünschte und gerichtlich zugewiesene Route dichtmachte und auf die AntifaschistInnen einschlug. Auch mit Verhandlungen war es nicht mehr möglich, die Demo fortzusetzen.

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ZEIT Online: Marsch zurück in braune Zeiten

Marsch zurück in braune Zeiten

Von Olaf Sundermeyer, Dresden | © ZEIT ONLINE  14.2.2009 – 18:17 Uhr

Beim größten Neonaziaufmarsch Europas in Dresden demonstriert die Szene Geschlossenheit. Doch sie ist gespalten, wie auch die NPD. Die Partei befindet sich im Wahlkampf

Es gibt Klischees, die immer noch verfangen. Auch wenn die Strategen der rechtsextremen NPD tatkräftig dagegen arbeiten, um ihre Chancen im Superwahljahr nicht zu gefährden. Während die Angehörigen der Parteispitze mit betretenen Mienen über die St.Petersburger Straße schreiten, um den Jahrestag der Bombardierung durch die Alliierten historisch umzudeuten, genügt ein Besuch des Bahnhofsklos, um zu hören, wie die Basis tickt: "Hömma, Nationalmannschaft, Jogi Löw und so, kannse voll knicken, sind alles nur noch Kanacken, die da rum laufen", sagt einer, während er seinem Harndrang nachgibt. "Der Özil ist doch kein Deutscher, der ist ein scheiß Türke", sagt er dann noch in der Bewegung, die seine Hosenöffnung schließt.

Gemeint ist der in Gelsenkirchen geborene Fußballprofi Mesut Özil, der vor ein paar Tagen sein erstes Spiel für Deutschland gemacht hat. "Genau" sagt ein zweiter, der ein paar Schritte später am Biertisch mit seinem eingeschweißten Parteiausweis prahlt. "NPD" steht auf dem Kärtchen, das er aus der Geldbörse zieht. Es ist sein Mitgliedsausweis. Für die NPD gilt immer noch der Begriff "Volksdeutscher", ein Pass hat keinen Wert.

Die beiden volltrunkenen jungen Männer mit kahl geschorenem Haar sind außerdem Mitglieder der als gewaltbereit geltenden Gruppe "Skinhead Front Dorstfeld", aus Dortmund. Der eine trägt auch in diesem geschlossenen Raum seine schwarzen Lederhandschuhe zu einem T-Shirt der Rechtsrockband "Children of the Reich", der andere hat eine schwarze Sonne auf den Unterarm tätowiert. Es ist ein beliebtes Neonazisymbol, das an die Waffen-SS erinnert und zu dem Ersatzrepertoire gehört, über das sich die Szene identifiziert, wegen des Verbotes anderer, verfassungswidriger Zeichen.

Die beiden schlagen mit ihren Glaskrügen auf den Holztisch, feixen laut und tönen, "gut dass jetzt jeder die Skinheads aus Dorstfeld kennt". Sie gehören einer Reisegruppe des gealterten Neonazis Sigfried Borchardt an (SS-Sigi), einem prominenten Kopf der Szene, der mehrfach einschlägig vorbestraft ist. Diese Leute sind das wahre Gesicht der NPD.

Die Partei nutzt diesen Aufmarsch, um zwanghaft eine gewisse Einheit der rechten Szene zu demonstrieren, die es in diesen Tagen eigentlich gar nicht gibt. Es ist ihr Wahlkampfauftakt. Der Wiedereinzug in den sächsischen Landtag ist das wichtigste strategische Ziel der NPD im Superwahljahr.

Deshalb würde Holger Apfel, der Fraktionschef der NPD im sächsischen Landtag, heute gerne ein anderes Bild seiner Partei zeichnen. Ihm gefallen all die Lodenmantelträger, die es auch heute hierher geschafft haben, die Familien und Freunde der "Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland", die den Zug aus 5000 rechtsextremen Marschierern anführt. Sauber gescheitelte Studenten in Zimmermannshosen, die Kluft der völkischen Jugend, die sich vor allem in den Universitätsstädten Ostdeutschlands unter die traditionellen nationalkonservativen Burschenschaften mischt. Filzjacken und Wanderschuhe, ungeschminkte junge Frauen mit Flechtzöpfen, die Fahnen mit einem Deutschland in den Grenzen von 1937 schwenken.

Aus der Slowakei sind andere gekommen, auch aus Tschechien: die Gruppe "Narodni odpor" (nationaler Widerstand), die im Herbst noch an pogromartigen Ausschreitungen gegen Sinti und Roma beteiligt war. Gemeinsam demonstrieren diese Leute in Dresden jetzt also für den Frieden.

Dahinter marschieren Kameradschaften aus allen Teilen Deutschlands. Untermalt wird die Demonstration von klassischer pathetischer Instrumentalmusik, die Stimmung angeheizt durch eine Rede des Gastgebers. "Völkermord und Terrorismus tragen den Namen der Vereinigten Staaten und den Namen Israels", hatte Apfel gerade über Lautsprecher erklärt, als Fazit seiner Schelte auf die "angloamerikanschen Kriegstreiber, die Dresden in Schutt und Asche gelegt habe". An die deutsche Kriegsschuld glaubt hier anscheinend niemand, zumindest will niemand etwas davon wissen.

"Gestern Dresden, heute Gaza", steht auf einzelnen Plakaten, mit denen die NPD ihr verqueres Geschichtsbild in die Jetztzeit überträgt. "Großvater, wir danken dir!" hat sich ein Pulk junger Leute in schwarz auf ihr Banner geschrieben. Autonome Nationalisten, eine radikale gewaltbereite Strömung, die sich eigentlich von der NPD nicht vereinnahmen lassen will. Hier passiert es doch. Denn hier geht es nicht um das Gedenken, sondern es geht darum, die Geschlossenheit der rechten Szene zu demonstrieren.

Doch durch sie geht ein Riss, wie durch die NPD. Die Partei streitet um ihren Vorsitzenden Udo Voigt, der heute einträchtig neben seinen parteiinternen Gegnern und hinter dem Banner von Apfels Fraktion marschiert. "Ehre wem Ehre gebührt" steht darauf, und die Parteioberen sind entzückt, als sich Fernsehkameras und Fotografen dieses vorgespielte Bild der Geschlossenheit zu eigen machen. In dem Streit geht es auch darum, wie mit pöbelnden Neonazis wie jenen der Gruppe "Skinhead Front Dorstfeld" zu verfahren ist.

Das alles interessiert die etwa 10.000 Gegendemonstranten in der Stadt nicht. Sie wenden sich vor allem dagegen, dass die Bombennacht von Dresden, als die Stadt vor genau 64 Jahren von alliierten Fliegern dem Erdboden gleich gemacht wurde, politisch von den Rechten missbraucht wird. Sie fordern, dass die Opfer nicht verhöhnt werden von den Politikern jener Partei, die sich in der Nachfolge der NSDAP sieht, die Deutschland vor siebzig Jahren in einen Angriffskrieg getrieben hat, an dessen Ende auch die Nacht vom 13. Auf den 14. Februar stand.

Die Proteste gegen den Neonazi-Marsch formierten sich auf 19 verschiedene Veranstaltungen. Doch das gemeinsame Ziel einte ihre Teilnehmer. Ihre alphabetische Auflistung, von Gregor Gysi (Die Linke), Charlotte Knobloch (Zentralrat der Juden), Franz Müntefering (SPD), Claudia Roth (Die Grünen), Michael Sommer (DGB) bis hin zu Richard von Weizsäcker (CDU), erscheint hier angemessen. Und während die betrunkenen Dorstfelder Skinheads ihren Bus suchen, berichtet das Inforadio des MDR und Nachrichtenagenturen über Ausschreitungen am Rande, "zwischen Anhängern der linken Szene und der Polizei".

Da ist der NPD-Parteivorsitzende Udo Voigt längst abgereist, unerkannt von Skinheads, Polizei und Linken, vom Hauptbahnhof aus. Es bleibt die Frage, wer im kommenden Jahr als NPD-Parteivorsitzender nach Dresden kommt, um Geschlossenheit zu demonstrieren.

 

Quelle:
http://www.zeit.de/online/2009/08/dresden-demo-neonazi?page=3

Die Zeit – Geschichtsfälscher mit Trauerflor

Dresden
Geschichtsfälscher mit Trauerflor

Von Olaf Sundermeyer
14.2.2009 – 19:03 Uhr

Dresden gedenkt des 64. Jahrestags des Bombenangriffs. Die NPD will die Erinnerung mit einem Großaufmarsch missbrauchen

Umkämpfte Erinnerung: Bei den alliierten Bombenangriffen am 13. und 14. Februar 1945 wurde auch die Dresdner Frauenkirche zerstört, bis zu 25.000 Menschen starben im Feuersturm

Die Dresdner Heide liegt am frühen Morgen unter einer dünnen, unberührten Schneeschicht. Auf dem Heidefriedhof oberhalb der Landeshauptstadt fegen Männer in grünen Latzhosen den Weg frei zum Ehrenhain für die „Namenlosen, die hier verbrannten im Höllenfeuer aus Menschenhand“, das in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 aus alliierten Flugzeugen über die Stadt fiel und Tausenden Tod und Leid brachte – als Antwort auf den Angriffskrieg, den Hitlerdeutschland verbrochen hatte.

Die Männer der Friedhofsverwaltung unterhalten sich mit gedämpften Stimmen, wohl aus Respekt. Denn wie in jedem Jahr wird hier auf dem Ehrenhain der Toten gedacht. Ein halbes Dutzend kniehoher Metallständer wartet auf die Kränze, die hier am Abend niedergelegt werden. Immer noch sucht die Stadt ihren Frieden.

Aber es gibt Menschen, die diese Trauer missbrauchen. Einige von denen sitzen unten am Elbufer, im Landtag. Für die rechtsextreme NPD-Fraktion ist heute Wahlkampfauftakt. Seit Wochen läuft sie sich warm dafür, das Gedenken an die Toten des „alliierten Bombenterrors“ soll der erste Schritt sein zum Wiedereinzug in das Landesparlament bei der Wahl Ende August.

Und in Sachsen gibt es reichlich Menschen, die so denken wie der NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel. Der sagt im Hinblick auf den Gedenktag: „Es ist endlich an der Zeit, sich der babylonischen Gefangenschaft einer verdrehten und an den Interessen der Alliierten orientierten Geschichtsschreibung zu befreien.“ Die offizielle Veranstaltung der Stadt ist für ihn „die Stunde der Geschichtsfälscher“.

Gansel hatte in einer Landtagsdebatte vor vier Jahren von „Bombenholocaust“ gesprochen. Denn neben Orten und Gedenktagen versucht die NPD auch Begrifflichkeiten umzudeuten. Dabei funktioniert sie als parlamentarischer Arm der rechten Szene, die Dresden zu ihrem zentralen Aufmarschplatz auserkoren hat. An diesem Samstag werden sich hier Tausende Neonazis aus ganz Deutschland versammeln, um einen geschichtsträchtigen Ort und Tag zu besetzen.

Zwar fungiert die NPD nicht als offizieller Anmelder, sie ist aber die Instanz, die dahinter steht. Offizieller Veranstalter ist „Die Junge Landsmannschaft Ostdeutschland“, eine Kaderschmiede, die sich aus dem rechtsextremen Teil des Burschenschaftsmilieus speist. Die Landsmannschaft ist ehemalige Heimstatt von Jürgen Gansel, der solche Verbindungen zur Landtagsfraktion pflegt.

Und so werden auch Holger Apfel, der NPD-Landtagsfraktionschef, und viele andere prominente Parteivertreter morgen mit marschieren. Die rechten Strategen mobilisieren bereits seit Wochen, und sie sind bemüht, ihrer braunen Klientel bürgerliche Verhaltensweisen beizubringen. Die NPD ringt um Respektabilität, es ist Wahlkampf. Deshalb herrscht Bomberjacken- und Sonnenbrillenverbot.

Neben dem Sächsischen Landtag sitzt die NPD auch im Dresdner Stadtrat, als „Nationales Bündnis“, mit drei Abgeordneten, von denen sie einen als „Zeitzeugen“ feiert, weil er als Kleinkind die Bombennacht überlebte. Aus der Erfahrung dieser Nacht tritt Werner Klawun für die „Stärkung des Nationalgefühls“ ein.

Andere, die als Erwachsene die Zerstörung ihrer Stadt erlebten, kamen bereits gestern zu einem Gedenkgottesdienst in der Frauenkirche zusammen. Etwa der heute 84-jährige Rudolf Eichner, der in der Kirche seine Gedanken zu dem Neonaziaufmarsch formulierte: „Ich beklage, dass auch heute noch Einzelne versuchen, Schuld aufzurechnen und durch unversöhnliches Reden über die Tage im Februar 1945 die Opfer der Angriffe zu missbrauchen.“

In Dresden ist dieser Erinnerungsmissbrauch seit Jahren eine leidige Tradition, die vor allem in Osteuropa als deutsche Umdeutung der Geschichte wahrgenommen wird. Auch an anderen Orten versuchen Neonazis, die Erinnerungskultur zu instrumentalisieren.

In Dortmund beispielsweise marschieren die Neonazis regelmäßig zum Jahrestag des Kriegsbeginns am 1. September. Dafür mobilisiert der sogenannte „nationale Widerstand“ mit Bildern von den Fliegerangriffen auf Dresden, um anschließend gegen die „Kriegstreiberstaaten USA und Israel“ zu hetzen. „Nie wieder Krieg nach unserem Sieg“ tönt es bei solchen Veranstaltungen. Es soll der Eindruck erweckt werden, dass die eigentlichen Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges von den Alliierten begangen wurden. Diese These wollen die Rechten ins öffentliche Bewusstsein einfräsen.

Und die Kriegsschuld? Die liegt demzufolge beim „Kapital“, das – der antisemitischen Verschwörungstheorie folgend – gleichzusetzen ist mit dem internationalen Judentum. Juden als Kriegstreiber, Deutsche als Opfer. So einfach ist die historische Arithmetik der Neonazis, auf den Straßen und in den Parlamenten.

Die Taktik geht auf: Der 14. Februar hat sich in Dresden als „Tag der Bewegung“ etabliert. 5000 Polizisten aus ganz Deutschland werden diesmal aufgeboten, um die Stadt zu schützen – und die NPD. Dafür stehen Absperrgitter rund um den Sächsischen Landtag, den Sitz von Gansel und Apfel. Die Demokratie schützt ihre Feinde.

Mehrere Tausend Neonazis werden schon heute in der Stadt erwartet. Dazu eine fünfstellige Zahl an Gegendemonstranten, die sich in verschiedenen Lagern formiert haben. Auf der einen Seite ein bürgerliches Bündnis unter dem Motto „Geh Denken“, auf der anderen Seite linke Gruppen, die den Nazi-Aufmarsch blockieren wollen.

Einen Tag vor den befürchteten Auseinandersetzungen herrscht noch Unsicherheit in der Stadt über die genaue Streckenführung der einzelnen Veranstalter. Das städtische Verwaltungsgericht ist bemüht, den Vorplatz des Hauptbahnhofes nicht zum Kampfplatz werden zu lassen. Die Neonazis wollen dort ihren Marsch beginnen. Und dann ist da noch das Heimspiel von Dynamo Dresden morgen. Ein Klub, der viele potenzielle Gewalttäter anzieht.

Die Demokraten in der Stadt zeigen bereits am Morgen Flagge: An der Semperoper, wo am Abend ein Sinfoniekonzert zu Ehren der Bombenopfer stattfindet, hängt ein großes weißes Banner: „Jeder ist mitverantwortlich für das, was geschieht – und für das, was unterbleibt“ (Erich Kästner).

Bei der Kranzniederlegung auf dem Heidefriedhof müssen diejenigen, die durch den Ehrenhain schreiten, an den in Stein eingemeißelten Namen von Orten vorbei, die man nicht übersehen kann. Neben „Dresden“ stehen da auch „Coventry“, „Lidice, „Ouradour“ und „Warschau“.

Quelle:
http://www.zeit.de/online/2009/08/dresden-bombenangriffe-neonazis?page=all

Gedenken am Heidefriedhof ohne Jüdische Gemeinde

In diesem Jahr blieb die Jüdische Gemeinde wie vorher angekündigt der offiziellen Gedenkveranstaltung am 13. Februar auf dem Heidefriedhof fern, und legte erst später am Tag ihren Kranz nieder. Die Oppositions-Parteien zogen dabei beschämenderweise nicht mit, sondern kamen einfach zu beiden Terminen. Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde und das Kulturbüro Sachsen schlugen vor, dass die Stadt sich mit einer Rede von den Nazis abgrenzen soll. Auch Matthias Neutzner, Vorsitzender der IG 13. Februar ist für eine Änderung des Rituals. Aushilfs-Oberbürgermeister Lutz Vogel äußert Verständnis für das Fernbleiben der Jüdischen Gemeinde, zeigt zunächst aber Hilflosigkeit bzw. Unfähigkeit das ritualisierte Protokoll zu durchbrechen. Erst nach der Nazigroßdemo am 16. Februar kommt langsam eine Debatte über die Umgestaltung des Heidefriedhof-Gedenkens in Gang.

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